Viele Patienten mit Atemnot infolge einer Lungenerkrankung entwickeln Angst- und Depressionssymptome. Zudem können krankheitsspezifische Ängste wie die Angst vor der Atemnot die Situation der Patienten zusätzlich verschlechtern, wie aktuelle Untersuchungen zeigen.
Patienten mit Idiopathischer Lungenfibrose (IPF) erleben einen schleichenden Symptombeginn, einen ständigen Progress und müssen mit der Gewissheit leben, eine letztendlich tödliche Erkrankung zu haben. Nach Diagnosestellung führt die Suche im Internet bei „Dr. Google“ rasch zu Todesängsten, weiß Prof. Dr. Nikola Stenzel von der Psychologischen Hochschule in Berlin. Letztlich müssen die Patienten einen Weg finden zwischen dem Hoffen auf das Beste und dem Vorbereiten auf das Schlimmste. Das gelingt nicht allen: Eine behandlungsbedürftige Depression entwickelt etwa jeder vierte Patient mit IPF, eine klinisch relevante Angst etwa jeder fünfte (Lee YJ et al. PLoS One 2017;12(9):e0184300). Zudem leiden Patienten mit IPF unter krankheitsbezogenen Ängsten. Eine verstärkte Beschäftigung mit der Erkrankung selbst und deren Folgen ist Teil der Krankheitsbewältigung (Coping), die Ängste können aber ein klinisch relevantes Ausmaß erreichen und ein ungünstiges Verhalten hervorrufen, beispielsweise wenn die Angst vor Atemnot zur Angst vor körperlicher Aktivität führt und eine Vermeidung jeglicher körperlicher Anstrengung zur Folge hat.
Studie zeigt: Psychische Faktoren aggravieren Krankheissymptome
In Zusammenarbeit mit der Selbsthilfegruppe Lungenfibrose e.V. führt Stenzel derzeit eine Studie zur Auswirkung der IPF auf Alltag, Psyche und Lebensqualität durch. Bislang konnten 132 Patienten eingeschlossen werden. Knapp zwei Drittel (62,9%) waren Männer, das mittlere Alter lag bei 66,8 Jahren. Als besonders belastend gaben die Patienten auf dem ILD-Angstfragebogen die Angst vor Dyspnoe, vor Aktivität, vor dem Progress mit der Folge einer starken Abhängigkeit, den Auswirkungen auf die Partnerschaft, Schlafbeschwerden und auch Angst vor der Sauerstofftherapie als nach außen sichtbares Zeichen des Fortschreiten der Erkrankung an. Die Angst vor körperlicher Aktivität und schlafbezogenen Beschwerden korrelierten deutlich mit Luftnot und Aktivitätseinschränkung nach dem Lebensqualitätsfragebogen K-BILD, die Angst vor Progredienz und der zunehmenden Abhängigkeit besonders mit der psychologischen Lebensqualität und thorakalen Beschwerden.
Angst verändert Kognition
Bei Gesunden lässt sich zeigen, dass eine experimentell herbeigeführte Atemnot in kognitiven Tests verschiedene exekutive Funktionen beeinträchtigt, beispielsweise Gesichtserkennung, Gedächtnis oder visuelle Verarbeitung, berichtete Prof. Dr. Andreas Leupold. Für die Beeinträchtigung einiger exekutiver Funktionen genügte aber auch schon die Angst vor Atemnot – den Probanden wurde gesagt, dass sie im Experiment mehrfach schwere Atemnot haben würden, die tatsächlich aber nur einmal induziert wurde. Im EEG ließ sich dabei zeigen, dass Atemnot wie auch Angst vor Atemnot die neuronale Verarbeitung von Reizen verändert. Bei Patienten mit COPD zu Beginn einer pneumologische Rehabilitation waren Belastungskapazität, Lebensqualität und Dyspnoe bei Aktivitäten umso schlechter, je mehr die Patienten über Furcht vor körperlichen Aktivitäten berichteten. Das änderte sich über die Rehabilitation nicht – deshalb forderte Leupold die Erfassung und gezielte Behandlung von krankheitsspezifischen Ängsten wie der vor Atemnot.
Über die seelische Last sprechen: Der Arzt ist gefragt
Nicht nur in der Rehabilitation sollten psychische Aspekte mehr berücksichtigt werden. In der Befragung von Stenzel wünschten sich 95% der Patienten eine Kommunikation zu psychischen Faktoren bei IPF-Erkrankung und drei Viertel wollten am ehesten mit einem Arzt darüber sprechen. Allerdings hatten 34% noch nie mit ihrem Facharzt über Sorgen/Ängste wegen der IPF kommuniziert. Stenzel empfahl, das Gespräch über Angst- und depressive Symptome sowie krankheitsspezifische Ängste und ihre Auswirkung auf die Lebensqualität zu suchen. Auch das Thema der Vorausplanung für das Lebensende sollte angesprochen werden. „Öffnen Sie mit einem Gespräch die Tür“, forderte Stenzel. „Wenn notwendig können Sie die Patienten dann an andere Stellen weiterverweisen.“