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02.01.2022 | COVID-19 | Nachrichten

Trotz fehlender Zulassung

Ärzte können ab 3. Januar Molnupiravir (Lagevrio®) gegen COVID-19 verordnen

verfasst von: Denis Nößler

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Noch ist es gar nicht zugelassen: Dennoch dürfen Ärzte ab sofort Molnupiravir zur ambulanten COVID-Therapie verordnen. Wem nützt die Arznei? Hilfreich ist ein Blick auf die Subgruppen. Die Arznei könnte auch epidemiologisch nützen.

Ärztinnen und Ärzte können ab Montag, 3. Januar 2022, das noch nicht zugelassene orale Virostatikum Molnupiravir (Lagevrio®) gegen COVID-19 verordnen. Das teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am Tag vor Silvester mit. Als Kostenträger auf Muster 16 soll demnach das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) mit dem Institutionskennzeichen (IK) 103609999 angegeben werden.

Lagevrio® ist in der EU noch nicht formell zugelassen, hierzulande wird es mittels Ausnahmeregelung beschafft. Der Humanarzneiausschuss CHMP der europäischen Arzneibehörde EMA prüft die Arznei seit 25. Oktober im Rolling Review. Im November hatte die EMA bereits Anwendungshinweise veröffentlicht.

Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) darf Lagevrio® ambulant bei ab 18-Jährigen mit COVID-19 eingesetzt werden, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben, aber keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Verabreicht werden 2×4 Kapseln (je 200 mg) pro Tag (alle 12 Stunden) für 5 Tage. Die Therapie soll möglichst früh nach Symptombeginn starten. Schwangere sollen das Medikament nicht erhalten.

Vermutlich auch gegen Omikron wirksam

Molnupiravir ist ein Nukleosidanalogon, das die Replikation von SARS-CoV-2 durch virale Mutagenese hemmt. Es liegt als Prodrug für das aktive Ribonukleosidanalogon N4-Hydroxycytidin (NHC) vor. In den Zellen wird es bei der Replikation von SARS-CoV-2 durch dessen Polymerase nsp12 in das Virusgenom eingebaut und führt zu einer Anhäufung von Fehlern im viralen Genom, sodass das Virus nicht weiter replizieren kann.

Dieser Wirkmechanismus könnte dafür sprechen, dass Molnupiravir auch gegen die Omikron-Variante wirkt. B.1.1.529 bringt zahlreiche Mutationen vor allem für das Spike-Protein mit sich. Für nsp12 ist bis dato nur die Mutation P323L bei Omikron bekannt. In einer Ende Dezember veröffentlichten, noch nicht begutachteten kleinen Untersuchung mit infizierten Vero-E6-Zellen zeigten belgische Autoren eine ähnliche Aktivität von Molnupiravir bei Omikron wie bei der Alpha-Variante (bioRxiv 2021.12.27.474275)

Laut der US-Fachinfo war die mittlere Hemmkonzentration (EC50) in Zellkulturen sowohl bei Alpha (B.1.1.7), Beta (B.1.351), Gamma (P.1) als auch Delta (B.1.617.2) vergleichbar. In der bislang publizierten Auswertung der maßgeblichen Phase-III-Zulassungsstudie MOVe-OUT gingen die meisten Infektionen auf die Delta-Variante, Mu und Gamma zurück (58,1; 20,5 bzw. 10,7 Prozent).

Kein Nutzen bei Diabetes gezeigt

Für die veröffentlichten Ergebnisse waren doppelt-verblindet 775 Probanden randomisiert entweder für fünf Tage mit Molnupiravir oder Placebo behandelt worden (NEJM 2021; online 16. Dezember). Nach 29 Tagen war der kombinierte Endpunkt von Hospitalisierung oder Tod unter Verum bei 6,8 Prozent der Probanden (48) und 9,7 Prozent unter Placebo (68) erreicht.

Die absolute Risikoreduktion (ARR) von 2,96 Prozentpunkten (relativ, RRR = 30,4 Prozent) führt zu einer Number Needed to Treat (NNT) von 34 Patienten, um ein Ereignis zu verhindern. Für den Endpunkt Tod (1 vs. 9 Fälle) liegt die NNT bei 87 Patienten, die ARR bei 1,15 und die RRR bei 89,05 Prozent.

Allerdings gibt es in Subgruppen deutliche Unterschiede, die in der Auswertung teils sogar den Placeboarm im Vorteil sehen. So war Placebo bei bereits vormals mit SARS-CoV-2 Infizierten „besser“ (ARR zugunsten Placebo 2,3 Prozent). Auch bei Probanden mit einem Typ-2-Diabetes schlug die absolute Risikoreduktion leicht für Placebo aus (1,4 Prozent). Bei Menschen im Alter ab 60 Jahren oder mit einer „schweren Herzerkrankung“ waren die Ergebnisse ob der breiten Konfidenzintervalle (wegen der geringen Fallzahlen) nicht eindeutig. Bei Patienten mit einer Adipositas war die absolute Risikoreduktion von –3,7 Prozent deutlich zugunsten von Molnupiravir ausgeprägt.

Weniger infektiöses Virus

Eine kurz vor Weihnachten veröffentlichte Analyse von US-Autoren zeigt allerdings noch einen anderen Effekt von Molnupiravir: Danach sind damit behandelte COVID-19-Patienten schneller nicht mehr infektiös als jene, die die Arznei nicht erhielten.

In der kontrollierten, doppelt-verblindeten Phase-IIa-Studie bekamen 202 ungeimpfte Probanden nach einer SARS-CoV-2-Infektion binnen sechs Tagen entweder Molnupiravir (in verschiedenen Dosierungen) oder Placebo (Sci Transl Med 2021; online 23. Dezember; eabl7430).

Unter jenen, die 800 mg Molnupiravir 2× täglich erhielten, war drei Tage nach Behandlungsbeginn infektiöses Virus in Nasenabstrichen nur mehr bei 1,9 Prozent der Probanden nachweisbar. In der Placebogruppe waren es 16,7 Prozent, die noch infektiöses Virus ausschieden. Nach fünf Tagen Therapie war in der 800-mg-Gruppe wie auch bei jenen, die nur die halbe Dosis erhielten, bei keinem Patienten infektiöses Virus nachweisbar – hingegen bei 11,1 Prozent unter Placebo.

80.000 Einheiten bestellt

Das Bundesgesundheitsministerium hatte noch unter Minister Jens Spahn (CDU) Anfang Dezember einen Liefervertrag über zunächst 80.000 Einheiten mit dem Hersteller Merck Sharp & Dohme (außerhalb Nordamerikas MSD) geschlossen. In den USA hat das Virostatikum am 23. Dezember von der FDA eine Notzulassung erhalten, im UK hat die MHRA am 20. Dezember eine Notzulassung erteilt.

In Deutschland beschafft das Bundesgesundheitsministerium die Arznei unter Berufung auf die „Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung“ (MedBVSV), die dem Geschäftsbereich unter Minister Professor Karl Lauterbach (SPD) zahlreiche Ausnahmen etwa vom Arzneimittelgesetz (AMG) erlaubt. (nös)


Quelle: Ärzte Zeitung

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