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04.01.2022 | COVID-19 | Nachrichten

Südostfrankreich

Die neue SARS-CoV-2-Variante B.1.640.2 – und das große Mutanten-Zählen

verfasst von: Denis Nößler

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Im Südosten Frankreichs ist eine „neue“ Corona-Variante aufgetaucht: B.1.640.2. Obwohl klinisch und epidemiologisch kaum etwas bekannt ist, wird in den Medien wild spekuliert. Wir blicken auf die Fakten.

 „Es ist noch zu früh, um auf der Grundlage dieser zwölf Fälle über virologische, epidemiologische oder klinische Merkmale dieser IHU-Variante zu spekulieren.“ So heißt es am Ende einer jüngst veröffentlichten Arbeit französischer Autoren über die neue SARS-CoV-2-Variante B.1.640.2. Das Team um den Infektiologen Professor Didier Raoult vom Institut für Infektionskrankheiten am Uniklinikum Marseille (IHU Méditerranée Infection) hat sie am 29. Dezember als unbegutachteten Preprint publiziert (medRxiv 2021.12.24.21268174).

Hätten manche Journalisten diese Arbeit bis zur letzten Zeile gelesen, wären etliche Headlines womöglich weniger drastisch ausgefallen. Das heißt es mal „Corona-Alarm in Frankreich“ oder „Noch mehr Mutationen als Omikron“ oder „B.1.640.2 hat mehr Mutationen als Omikron“ oder „Mehr Mutationen am Spike-Protein als Omikron“.

Gar nicht so neu

Offenbar soll also die neue „französische“ Corona-Variante B.1.640.2 mehr Mutationen als die Omikron-Variante B.1.1.529 haben. Selbst Fachmedien verbreiten die Behauptung, die Variante habe „46 Mutationen, Omikron nur 37“. Ausnahme: Die „Rheinische Post“ zitiert deutlich den letzten Satz der Studienautoren aus Südfrankreich, dass es für Spekulationen zu früh ist.

Erstens ist B.1.640.2 keine arg neue Variante. Die Autoren aus Südfrankreich haben die „IHU-Variante“, wie sie sie nennen, nach eigenen Angaben Mitte November beim Indexpatienten eines Clusters mit insgesamt zwölf Infizierten entdeckt. Der Mann war demnach zuvor gegen COVID-19 geimpft und drei Tage zuvor in Kamerun gewesen. Auch bei den anderen Patienten des Clusters wiesen sie die Variante nach.

Keine klinischen Informationen

Die Virusvariante gehört zur Abstammungsgruppe B.1.640, die seit Anfang 2021 bekannt ist und von der Weltgesundheitsorganisation WHO seit 22. November als „variant under monitoring“ (VUM) gelistet wird. Omikron mit seiner maßgeblichen Untervariante BA.1 wird seit Anfang November 2021 detektiert, der erste bestätigte Fall war am 8. November in Südafrika.

Über die klinischen Verläufe der Infizierten ist nichts bekannt. Sie allen sollen aus der gleichen Gemeinde oder Nachbargemeinde im Südosten Frankreichs stammen.

So wird denn auch über die Mutationen und ihre Auswirkungen gerätselt. Zunächst zu Omikron. Hier sind rund 60 Mutationen gegenüber dem Wildtyp bekannt. Die UK Health Security Agency nennt als Einstufungskriterium mindestens 50 MutationenCharakterisiert wird Omikron gegenüber dem Wildtyp durch 30 Aminosäurewechsel, drei Deletionen und eine Insertion an den Stellen im Genom, die für das Spike-(S-)Protein kodieren. 15 davon betreffen die Rezeptorbindungsdomäne (RBD). Hinzu kommen weitere Mutationen.

Spike-Protein betroffen

Gegenüber Omikron ist die IHU-Variante deutlich zurückhaltender. Anders als in manchen Medienberichten behauptet, sprechen die französischen Autoren von 30 Aminosäuresubstitutionen und 12 Deletionen. 14 veränderte und 9 entfernte Aminosäuren betreffen das S-Protein, andere betreffen Nichtstrukturproteine oder regulatorische Proteine. Die Mutationen N501Y und E484K, die die Rezeptorbindungsdomäne betreffen, sind bekannt von Beta, Gamma, Theta und Omikron, schreiben die Autoren.

Für SARS-CoV-2 mit E484K-Mutation wurde gezeigt, dass bei Geimpften der neutralisierende Effekt deutlich niedriger sein kann (The Lancet Microbe 2021; 2(7): E283–E284). Für SARS-CoV-2-Varianten mit N501Y-Mutation konnte ähnliches gezeigt werden (medRxiv 2021 Jan 20;2021.01.19.21249592), zudem eine verbessere Transmission des Virus (bioRxiv 2021 Mar 9;2021.03.08.434499).

Und was bedeutet das klinisch und epidemiologisch? Wie die Autoren selbst sagen: „Es ist noch zu früh, zu spekulieren.“ Oder wie Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach am Dienstag sagte: „Wir wissen noch zu wenig, um etwas Brauchbares sagen zu können.“

Quelle: Ärzte Zeitung

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