So macht die Mischinfusion, was sie soll

Die einen vertragen sich nicht, die anderen interagieren auf unerwünschte Art und Weise: Werden Medikamente in Infusionen oder im Körper des Patienten gemischt, ist Vorsicht angebracht. Auf dem DAC 2019 gab ein Palliativmediziner praktische Tipps. Medikamente in einer Mischinfusion zu kombinieren, hat sicherlich auch seine Vorteile. Die Anzahl benötigter Infusionen verringert sich genauso wie die Flüssigkeitsmenge, so Dr. Helmut Hoffmann-Menzel (Bonn) auf dem DAC 2019 beispielhaft. Entsprechend beliebt ist das Vorgehen: In einer Umfrage unter deutschen Palliativstationen gaben 73,5% der Befragten an, Medikamente zur Infusionstherapie zu mischen [1]. Fast die Hälfte mischte bis zu drei Substanzen in eine Infusion, und mehr als ein Drittel sogar drei bis sechs. Gleichzeitig stellt das Mischen von zwei oder mehr Arzneimitteln in einer Mischinfusion in der Regel einen Off-Label-Use dar. Umso wichtiger, an mögliche Risiken zu denken, betonte Hoffmann-Menzel. Das sei nicht nur das erhöhte Risiko von Kontamination durch Keime oder Partikel: „Wer weiß schon, was darüber hinaus in dieser Mischung so alles passiert?“ Sauer und basisch passen nicht gut zusammen So kann bereits der pH-Wert der friedlichen Koexistenz zweier Wirkstoffe einen Strich durch die Rechnung machen. Wird die sehr saure Lösung einer Substanz mit der sehr basischen einer zweiten gemischt, könne man darauf wetten, dass eine der Substanzen ausfallen werde, betonte Hoffmann-Menzel. Insbesondere, wenn MCP, Midazolam oder Levomepromazin als Vertreter der sehr sauren Seite benötigt würden, sei eine Mischung kritisch zu hinterfragen. Und bei den basischen Extremen lautete der Rat des Palliativmediziners und Apothekers: „Die PPI-Hemmer und das Furosemid auf jeden Fall separat verabreichen!“ Blockierte Leitungen und Wirkverluste Das Risiko von Interaktionen war der nächste Punkt auf Hoffmann-Menzels Liste. Infolge einer physikalischen Reaktion etwa können Kristalle entstehen, die dann – obwohl mit dem bloßen Auge nicht sichtbar – Leitungen blockieren. Als Beispiel diente die Mischung von Piritramid und Novaminsulfon in einem PCA-System: „Das geht eine Zeitlang gut, bis Sie nach 72 h einen Okklusionsalarm haben.“ Und während das Thema Toxizität durch chemische Reaktionen den Bereich der Palliativmedizin laut Hoffmann-Menzel praktisch nicht betrifft, sieht es mit Wirkverlusten ganz anders aus. Belegt sei das beispielsweise für die Mischung aus Novaminsulfon und Levomepromazin, mit relevant weniger Wirkung nach 24 Stunden. Metabolische Interaktionen Ob per Mischinfusion oder einzeln verabreicht, im menschlichen Körper geht das Treiben weiter. Da ist z.B. die Konkurrenz um die Trägerproteine. Während Hydromorphon, Novaminsulfon oder Morphin laut Hoffmann-Menzel wegen ihrer geringen Eiweißbindung aus dem Schneider seien, sähe das bei Fentanyl, den PPI oder Amitriptylin ganz anders aus: Die Eiweißbindung ist hoch – die Substanzen verdrängen sich gegenseitig. Dann kommt die Metabolisierung ins Spiel. Eine lange Liste an Medikamenten nimmt den Weg über das Cytochrom P450 (CYP)-System, z.B. Oxycodon, Tilidin oder Tramadol. Kommt nun ein CYP-Induktor hinzu, werden diese Medikamente stärker abgebaut, und sie wirken schlechter. Ein Beispiel: Dexamethason – von Hoffmann-Menzel als „wunderbarer“ Induktor betitelt. Wenn im Rahmen einer Tumorschmerztherapie die Opiatdosis gesteigert werden muss, dächten viele vermutlich zunächst an ein Fortschreiten der Tumorerkrankung. Ist aber tatsächlich das Glukokortikoid die Ursache, drohen bei dessen Absetzen Überdosiserscheinungen. Diese wiederum können auch dann auftreten, wenn die CYP-Proteine an ihrer Arbeit gehindert werden. Inhibitoren des Systems sind beispielsweise Makrolide, SSRI oder PPI. Daran denken ist der erste Schritt Zwar ist der Arzt im Internet-Zeitalter beim Thema Multimedikation und Arzneimittelinteraktionen nicht allein. Doch vor dem Durchforsten von Datenbanken ist der logische erste Schritt, überhaupt erst einmal an die Möglichkeit einer Interaktion oder generell an unerwünschte Nebenwirkungen zu denken. Das betonte Hoffmann-Menzel auch mit Blick auf das so häufig arzneimittelinduzierte Delir. Datenbank-Tipp – www.pall-iv.de In dieser kontinuierlich weiter ausgebauten Online-Datenbank können Ärzte sich zu Stabilität und Qualität von Infusionslösungen informieren: Welche Mischungen sind kompatibel, welche nicht? Das von Dr. Constanze Rémi, Klinikum der LMU München, basierend auf ihrer Doktorarbeit [2] aufgebaute Angebot lebt von den Nutzern: Melden Sie von ihnen verwendete Mischungen und ihre Erfahrungen! Basierend auf: Vortrag „Arzneimitteltherapie - Medikamentenapplikation und –mischungen“; Deutscher Anästhesiecongress, 09.-11.5.2019, Leipzig Alle Inhalte vom DAC 2019 21.05.2019 | DAC 2019 | Kongressbericht | Nachrichten Ab wann intervenieren bei intraoperativer Hypotonie? 22.05.2019 | DAC 2019 | Kongressbericht | Nachrichten Juristische Fallstricke am Lebensende 22.05.2019 | DAC 2019 | Kongressbericht | Nachrichten So geht gute Notfallmedizin – so ginge es noch besser 22.05.2019 | DAC 2019 | Kongressbericht | Nachrichten Neue Leitlinie "Prolongiertes Weaning" – ein Ausblick 21.05.2019 | DAC 2019 | Kongressbericht | Nachrichten Cannabis als Medikament? 22.05.2019 | DAC 2019 | Kongressbericht | Nachrichten So macht die Mischinfusion, was sie soll 21.05.2019 | DAC 2019 | Kongressbericht | Nachrichten Neue Biomarker für die subklinische akute Niereninsuffizienz 20.05.2019 | DAC 2019 | Kongressbericht | Nachrichten Aktuelles aus der Schmerzmedizin 23.05.2019 | DAC 2019 | Kongressbericht | Nachrichten Ist uns „Sichtung“ überhaupt möglich?

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