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Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9/2016

26.07.2016 | Leitthema

Das Bundesteilhabegesetz

Neue Anforderungen an die Bedarfsermittlung und -feststellung mit besonderem Fokus auf medizinische Rehabilitationsleistungen

verfasst von: Dr. Michael Schubert, Marcus Schian, Sarah Viehmeier

Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz | Ausgabe 9/2016

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Zusammenfassung

Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist eines der größten Reformvorhaben im Recht der Teilhabe für Menschen mit Behinderung der vergangenen 15 Jahre. Insbesondere ist eine Vielzahl an Weiterentwicklungen im übergreifenden Leistungsverfahrensrecht des Teils 1 SGB IX geplant einschließlich der Regelungen zur Bedarfsermittlung und -feststellung. Mit den Implikationen dieser Regelungen und interagierender Normen setzt sich der Beitrag auf Grundlage des Referentenentwurfs von April 2016 auseinander.
Die Betrachtung erfolgt vor dem Hintergrund der im Referentenentwurf formulierten Regelungsziele, rechtswissenschaftlicher Erkenntnisse zum geltenden SGB IX sowie einschlägiger fachpolitischer Entwicklungen und Stellungnahmen verschiedener Akteure.
Die Analyse zeigt einen klaren politischen Willen, die Vorschriften zur Bedarfsermittlung und -feststellung im übergreifenden Recht des SGB IX zu schärfen und wirksamer auszugestalten. Hierzu sollen nicht nur Verfahrensschritte nach Antragstellung modifiziert, sondern auch Regelungen zu Instrumenten der Bedarfsermittlung in einem neuen § 13 konkret hinterlegt werden. Gemeinsame Grundsätze zu Instrumenten zur Bedarfsermittlung sollen die Kooperation, Koordination und Konvergenz im gegliederten System erhöhen.
Gleichwohl scheinen Zweifel angebracht, dass die selbstgesteckten Ziele des Referentenentwurfs mit den vorgelegten Normtexten erreicht werden können. So sollen die gemeinsamen Grundsätze auf Basis der bestehenden Leistungsgesetze der Reha-Träger geschlossen werden, ohne dass das SGB IX eigene Normen oder rahmende Grundsätze hierzu vorgibt. Auch wird die Nutzung des bio-psycho-sozialen Modells und der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) mangels eindeutiger rechtlicher Vorgaben für die Praxis ebenfalls keinen gesetzlich normierten einheitlichen Bezugspunkt bieten können.
Fußnoten
1
Auf sicherlich im Hinblick auf aktuelle Neuregelungen im Bereich der Pflegeversicherung (Pflegestärkungsgesetz I–III) interessante Fragen zu Verbindungen zwischen Teilhabeleistungen und Pflegeleistungen bei der Bedarfsermittlung und -feststellung kann im Rahmen dieses Beitrags leider nicht eingegangen werden.
 
2
Hierzu zählen auch die Integrationsämter, soweit es sich um begleitende Hilfen im Arbeitsleben handelt.
 
3
Offizieller Titel: „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz)“. Beim BTHG handelt es sich um ein Artikelgesetz, welches keine eigene Rechtsgrundlage darstellt, sondern ein Änderungsgesetz für bestehende Rechtsnormen ist.
 
4
So könnten Vorschriften zur Bedarfsermittlung je nach Bundesland recht unterschiedlich ausfallen.
 
5
§ 14 ff. SGB IX in Teil 1, Kap. 4 SGB IX-E.
 
6
So unter Hinweis auf die Rechtslage nach dem Reha-Angleichungsgesetz auch Fuchs [31]
 
7
Hier unberücksichtigt bleiben Vorschriften zur Gesamtplanung im Rahmen der Eingliederungshilfe sowie Aspekte des Zusammenhangs beider Planungsverfahren (siehe z. B. [32].
 
8
§ 43 SGB IX-E sieht ebenfalls vor, dass auch die Maßnahmen zur Unterstützung der frühzeitigen Bedarfserkennung (§ 12 Abs. 1 und 3 SGB IX-E) bei Leistungen der Krankenbehandlung entsprechend gelten.
 
9
Hierzu zählen: 1. ob eine Behinderung vorliegt oder einzutreten droht, 2. welche Auswirkung die Behinderung auf die Teilhabe der Leistungsberechtigten hat, 3. welche Ziele mit Leistungen zur Teilhabe erreicht werden sollen und 4. welche Leistungen im Rahmen einer Prognose zur Erreichung der Ziele voraussichtlich erfolgreich sind (§ 13 Abs. 2 SGB IX-E).
 
10
Im Rahmen des § 117 SGB IX-E sind dies: transparent, trägerübergreifend, interdisziplinär, konsensorientiert, individuell, lebensweltbezogen, sozialraumorientiert und zielorientiert.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Das Bundesteilhabegesetz
Neue Anforderungen an die Bedarfsermittlung und -feststellung mit besonderem Fokus auf medizinische Rehabilitationsleistungen
verfasst von
Dr. Michael Schubert
Marcus Schian
Sarah Viehmeier
Publikationsdatum
26.07.2016
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz / Ausgabe 9/2016
Print ISSN: 1436-9990
Elektronische ISSN: 1437-1588
DOI
https://doi.org/10.1007/s00103-016-2393-9

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