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Erschienen in: Monatsschrift Kinderheilkunde 7/2014

01.07.2014 | Das fiebernde Kind | Handlungsempfehlungen

Handlungsempfehlung nach der Leitlinie „Fieber unklarer Genese“

verfasst von: PD Dr. T. Kallinich

Erschienen in: Monatsschrift Kinderheilkunde | Ausgabe 7/2014

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Diese Handlungsempfehlung beruht auf der AMWF-Leitlinie (AWMF: Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften) Registernummer 027/053 [5] und ersetzt nicht deren Lektüre. Diese Leitlinie soll bei Patienten Anwendung finden, bei denen trotz ausführlicher Diagnostik und ggf. bereits eingeleiteter Therapie das Fieber als führendes Symptom fortbesteht (s. “Leitsymptome“ in Abb. 1). In aller Regel werden die Betroffenen stationär betreut.
Fieber unklarer Genese ist keine Krankheitsentität. Meist liegt der Symptomatik eine Krankheit mit atypischem Verlauf zugrunde [3]. In der Zusammenfassung aller bisher publizierten Serien von Kindern und Jugendlichen mit Fieber unklarer Genese zeigte sich, dass in 51 % der Fälle infektiöse, in 6 % maligne und in 9 % autoimmunologische/autoinflammatorische Erkrankungen zugrunde lagen [2]. In 11 % der Fälle wurden weitere nichtinfektiöse Ursachen identifiziert, bei 23 % konnte keine Ursache gefunden werden. Periodische Fiebersyndrome sind durch intermittierend auftretende febrile Attacken geprägt. Häufig finden sich eine charakteristische Begleitsymptomatik sowie eine entsprechende Anamnese ähnlicher Symptome in der Vergangenheit.
Aufgrund der Vielzahl an zugrunde liegenden Differenzialdiagnosen lässt sich beim Fieber unklarer Genese kein definitiver Handlungsalgorithmus formulieren. Trotzdem werden in der Leitlinie Prinzipien der Diagnostik des Fiebers unklarer Genese vorgestellt, die zumindest bei erwachsenen Patienten evaluiert wurden [6, 7]. Auch mit dem Wissen der im Kindesalter unterschiedlichen zugrunde liegenden Erkrankungen wurden diese Prinzipien für die Pädiatrie angepasst:
Beim Kind mit Fieber unklarer Genese waren definitionsgemäß bereits diagnostische Maßnahmen eingeleitet worden, ohne dass diese zielführend waren. Durch die wiederholte (tägliche) Anamnese, die regelmäßige körperliche Untersuchung (bis zu 2-mal täglich) und die Wiederholung einer relativ kleinen Auswahl an Laboruntersuchungen sowie bildgebender Verfahren sollen nun positive diagnostische Hinweise (z. B. auffällige Laborparameter oder klinischer Untersuchungsbefund) identifiziert werden. In Tab. 1 wird auf wesentliche anamnestische Fragen und klinische Untersuchungsbefunde hingewiesen, die beim Vorliegen von Fieber unklarer Genese berücksichtigt werden sollten. Diese geben Anlass, eine gezielte Diagnostik auf die zugrunde liegende Erkrankung einzuleiten. Eine Auswahl hierzu findet sich in Tab. 2, wobei kein vollständiger Überblick über sämtliche diagnostische Vorgehensweisen gegeben werden kann. Bei fehlenden oder nicht diagnoseweisenden positiven diagnostischen Hinweisen sind die Anamnese, die körperliche Untersuchung und Teile der Basisdiagnostik zu wiederholen. Das Ausmaß und die Intensität der diagnostischen Maßnahmen orientieren sich am Zustand des Kindes und am Krankheitsverlauf. Sollte die Ursache des Fiebers trotz dieses Vorgehens nicht eruierbar sein oder es der deutlich reduzierte Allgemeinzustand des Kindes erfordern, kommen Ganzkörperdarstellungen zum Einsatz [Ganzkörper-MRT (Magnetresonanztomographie), PET-CT (Positronenemissionstomographie-Computertomographie); [1, 4]].
Tab. 1
Wichtige Hinweise für die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung
Wesentliche Fragen
Grunderkrankung, vorausgegangene Operationen, Vorerkrankungen
Fiebertyp, Fieberkalender
Gewichtsverlust, Stuhlunregelmäßigkeiten, Nachtschweiß
Haarausfall, trockene Augen, Schluckbeschwerden
Flüchtige Hauteffloreszenzen
Anzahl, Schwere und Art von Infektionen
Familienanamnese, Ethnizität
Entwicklung
Tierkontakt, Zeckenexposition, Insektenstiche
Medikamente, Drogenkonsum
Ernährungsgewohnheiten, Genuss von roher Milch bzw. rohem Fleisch
Verhaltensauffälligkeiten
Erkrankungen bzw. Keimausscheider in der Umgebung
Reisen in Endemiegebiete bzw. Kontakt zu Person aus solchen Gebieten
Wesentliche klinische Befunde
Gedeih-, Wachstumsstörung (Perzentilen)
Exanthem, Erythema nodosum, Urtikaria
Aphthen, orale Ulzerationen, Pharyngitis
Lymphknotenschwellungen, Hepatosplenomegalie
Konjunktivitis, Uveitis
Arthritis
Knochenschmerz
Neues Herzgeräusch
Muskelschmerz
Fehlendes Schwitzen
Kapillarbett-/Nagelbettveränderungen
Serositis
Neurologische Auffälligkeiten (z. B. Kopfschmerz)
Pulmonale Beschwerden
Bauchschmerz, Erbrechen, Übelkeit, Diarrhö (v. a. nachts), gastrointestinaler Blutverlust, perianale Inspektion, rektale Untersuchung
Tab. 2
Gezielte Diagnostik auf die zugrunde liegende Erkrankung
Onkologische Diagnostik
Katecholamine im Urin
Neuronenspezifische Enolase
α1-Fetoprotein
β-HCG
Knochenmarkpunktion und -biopsie
Rheumatologische Diagnostik
ANA
ENA
ANCA
S100-Proteine
Löslicher Interleukin-2-Rezeptor
Immunologische Diagnostik
Durchflusszytometrische Analyse der Lymphozyten- und Leukozytenoberflächenmarker (FACS)
Immunglobulinsubklassen
Blutgruppenisoagglutinine
Spezifische Antikörper
Tetanus
Pneumokokken
Granulozytenfunktion
Sauerstoffradikalproduktion
Mehrmalige Bestimmung der Granulozytenzahl
Lymphozytenstimulationstests
Komplement
C3
C4
AP50
CH50
Infektiologische Diagnostik
Viren
CMV
EBV
Hepatitisviren
HIV
Parvovirus B19
Bakterien
Bartonella henselae
Borrelien
Brucella ssp.
Campylobacter
Chlamydien
Coxiellen
Ehrlichia ssp.
Francisella ssp.
Legionellen
Leptospiren
Typische und atypische Mykobakterien
Rickettsien
Salmonellen
Spirillum minus
Tropheryma whippelii
Yersinien
Protozoen
Leishmanien
Plasmodien
Toxoplasma gondii
Trypanosomen
Pilze
Aspergillen
Candida ssp.
Histoplasmen
Kryptokokken
Nachweismethoden
Kulturen aus Blut, Urin, Liquor, Stuhl, Wundabstrichen, Rachenabstrich, Magensekret, Lavage (Bronchiallavage), (Knochenmark-)Biopsaten
Mikroskopischer Erregernachweis
Antikörpertiter
Antigen- oder Genomnachweis
Fokussuche mit Bildgebung (z. B. Röntgen der Nasennebenhöhlen, Konsil HNO, Zahnarzt)
Diagnostik von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Calprotectin (oder fäkales Laktoferrin) im Stuhl
ÖGD und Ileokoloskopie mit Biopsien
Darmsonographie
MRT nach Sellink (bei Verdacht auf M. Crohn) oder Kapselvideoendoskopie
Diagnostik von autoimmunen Lebererkrankungen
ANA
AMA
SMA
LKM1/LC1
SLA
ANCA
Proteinelektropherese
IgG
Gegebenenfalls Leberbiopsie
Diagnostik von Vaskulitiden
Dopplersonographie der Karotiden und des Aortenbogens
MRT mit KM
Gegebenenfalls PET
Gegebenenfalls SPECT
Augenarzt (z. B. Ausschluss einer Uveitis)
Biopsie
Diagnostik einer Sarkoidose
ACE
Löslicher IL-2-Rezeptor
Gegebenenfalls Lavage
Gegebenenfalls Biopsie
Diagnostik einer Thyreoiditis
TSH
Freies T4
Schilddrüsenantikörper
Diagnostik autoinflammatorischer Fiebersyndrome
IgD
MVK-Aktivität
Mevalonsäure im Urin
Gegebenenfalls molekulargenetische Untersuchungen
MEFV-Gen für FMF
MVK-Gen für HIDS
NLRP3-Gen für CAPS
TNFRSF1A-Gen für TRAPS
ACE Angiotensinkonversionsenzym, AMA antimitochondrialer Antikörper, ANCA antinukleärer zytoplasmatischer Antikörper, ANA antinukleärer Antikörper, CAPS kryopyrinassoziiertes periodisches Syndrom, CMV Zytomegalievirus, EBV Epstein-Barr-Virus, ENA extrahierbares nukleäres Antigen, FACS „fluorescence-activated cell sorting“, FMF familiäres Mittelmeerfieber, HCG humanes Choriongonadotropin, HIDS Hyper-IgD-und-periodisches-Fiebersyndrom, HIV „human immunodeficiency virus“, HNO Hals/Nasen/Ohren, LC1 „liver cytosol antibody type 1“, IgD Immunglobulin D, IgG Immunglobulin G, IL Interleukin, KM Kontrastmittel, LKM1 „liver/kidney microsomal antibody type 1“, MEFV „mediterranean fever“, MRT Magnetresonanztomographie, MVK Mevalonatkinase, NLRP3 „nucleotide-binding domain, leucine rich family pyrin containing 3“, ÖGD Ösophagogastroduodenoskopie, PET Positronenemissionstomographie, SLA „soluble liver antigen“, SMA „smooth muscle antibody“, SPECT „single-photon emission computed tomography“, T4 Thyroxin, TNFRSF1A „tumor necrosis factor receptor superfamily member 1A“, TRAPS „tumor necrosis factor receptor-associated periodic syndrome“, TSH thyroidstimulierendes Hormon
Die Therapie des Fiebers unklarer Genese ist initial symptomatisch, die spezifische Therapie richtet sich nach der identifizierten zugrunde liegenden Erkrankung (Abb. 1).

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. T. Kallinich gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Literatur
1.
Zurück zum Zitat Bleeker-Rovers CP, Vos FJ, Kleijn EM de et al (2007) A prospective multicenter study on fever of unknown origin: the yield of a structured diagnostic protocol. Medicine (Baltimore) 86:26–38. DOI 10.1097/MD.0b013e31802fe858 Bleeker-Rovers CP, Vos FJ, Kleijn EM de et al (2007) A prospective multicenter study on fever of unknown origin: the yield of a structured diagnostic protocol. Medicine (Baltimore) 86:26–38. DOI 10.1097/MD.0b013e31802fe858
2.
Zurück zum Zitat Chow A, Robinson JL (2011) Fever of unknown origin in children: a systematic review. World J Pediatr 7:5–10. DOI 10.1007/s12519-011-0240-5PubMedCrossRef Chow A, Robinson JL (2011) Fever of unknown origin in children: a systematic review. World J Pediatr 7:5–10. DOI 10.1007/s12519-011-0240-5PubMedCrossRef
3.
Zurück zum Zitat Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) (2013) DGPI Handbuch. Thieme, Stuttgart New York Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) (2013) DGPI Handbuch. Thieme, Stuttgart New York
4.
Zurück zum Zitat Jasper N, Däbritz J, Frosch M et al (2010) Diagnostic value of [(18)F]-FDG PET/CT in children with fever of unknown origin or unexplained signs of inflammation. Eur J Nucl Med Mol Imaging 37:136–145. DOI 10.1007/s00259-009-1185-yPubMedCrossRef Jasper N, Däbritz J, Frosch M et al (2010) Diagnostic value of [(18)F]-FDG PET/CT in children with fever of unknown origin or unexplained signs of inflammation. Eur J Nucl Med Mol Imaging 37:136–145. DOI 10.1007/s00259-009-1185-yPubMedCrossRef
5.
Zurück zum Zitat Kallinich T, Lainka E, Berner R, Niehues T, Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) (2013) Fieber unklarer Genese. AMWF-Leitlinienregisternummer 027/053. AWMF, Düsseldorf. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/027-053l_S1_Fieber_unklarer_Ursache_2013-01.pdf. Zugegriffen: 06.02.2014 Kallinich T, Lainka E, Berner R, Niehues T, Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) (2013) Fieber unklarer Genese. AMWF-Leitlinienregisternummer 027/053. AWMF, Düsseldorf. http://​www.​awmf.​org/​uploads/​tx_​szleitlinien/​027-053l_​S1_​Fieber_​unklarer_​Ursache_​2013-01.​pdf.​ Zugegriffen: 06.02.2014
6.
Zurück zum Zitat Kleijn EM de, Vandenbroucke JP, Meer JW van der (1997) Fever of unknown origin (FUO). I A. prospective multicenter study of 167 patients with FUO, using fixed epidemiologic entry criteria. The Netherlands FUO Study Group. Medicine (Baltimore) 76:392–400 Kleijn EM de, Vandenbroucke JP, Meer JW van der (1997) Fever of unknown origin (FUO). I A. prospective multicenter study of 167 patients with FUO, using fixed epidemiologic entry criteria. The Netherlands FUO Study Group. Medicine (Baltimore) 76:392–400
7.
Zurück zum Zitat Kleijn EM de, Lier HJ van, Meer JW van der (1997) Fever of unknown origin (FUO). II. Diagnostic procedures in a prospective multicenter study of 167 patients. The Netherlands FUO Study Group. Medicine (Baltimore) 76:401–414 Kleijn EM de, Lier HJ van, Meer JW van der (1997) Fever of unknown origin (FUO). II. Diagnostic procedures in a prospective multicenter study of 167 patients. The Netherlands FUO Study Group. Medicine (Baltimore) 76:401–414
Metadaten
Titel
Handlungsempfehlung nach der Leitlinie „Fieber unklarer Genese“
verfasst von
PD Dr. T. Kallinich
Publikationsdatum
01.07.2014
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Schlagwort
Das fiebernde Kind
Erschienen in
Monatsschrift Kinderheilkunde / Ausgabe 7/2014
Print ISSN: 0026-9298
Elektronische ISSN: 1433-0474
DOI
https://doi.org/10.1007/s00112-013-3063-8

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