In der Regel basieren Empfehlungen zum Umgang mit Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit auf dem Gestationsalter. Es konnte allerdings, auch anhand unserer eigenen österreichweiten Daten, gezeigt werden, dass Geburtsgewicht, Geschlecht, fetale Lungenreifung und das Vorliegen von Ein- oder Mehrlingsschwangerschaften die Mortalität und das Kurzzeit-Outcome von extrem unreifen und sehr kleinen Frühgeborenen wesentlich beeinflussen [
15]. In der gleichen SSW haben Mädchen eine bessere Prognose als Knaben [
25], eutrophe Frühgeborene eine bessere Prognose als dystrophe [
8] und Einlinge eine bessere Prognose als Mehrlinge [
25]. Eine durchgeführte fetale Lungenreifung verbessert die Prognose auch für extrem unreife Frühgeborene signifikant [
1,
6,
9].
Zusätzlich ist unbestritten und wissenschaftlich gut belegt, dass das Outcome gerade bei extremer Frühgeburtlichkeit an der Grenze der Lebensfähigkeit in spezialisierten Zentren (Perinatalzentren der höchsten Versorgungsstufe mit hohen Fallzahlen) signifikant besser ist als in Zentren mit wenig Erfahrung in der Versorgung dieser speziellen Patientengruppe [
10,
11,
20,
24]. Deshalb ist bei drohender Frühgeburt ein In-utero-Transfer des Kindes an ein Perinatalzentrum unbedingt anzustreben.
3.1. Mortalität Frühgeborener an der Grenze der Lebensfähigkeit – rezente Literatur
Für Frühgeborene der SSW 22
0–6 zeigt die rezente Literatur mit Studien aus Schweden [
2,
19,
21,
23], den USA [
2,
6,
26], Deutschland [
12,
17], Japan [
13] und in Metaanalysen [
1], dass sich die Prognose für ein Überleben über die letzten Jahre deutlich verbessert hat und im Bereich von 30–50 % liegt [
1,
12,
17,
19]. In einzelnen Zentren, die sich auf die Versorgung dieser extrem unreifen Frühgeborenen spezialisiert haben, liegen die Überlebensraten mitunter sogar darüber und nähern sich denen der SSW 23
0–6 an [
12,
17,
19]. So hat sich die Überlebensrate in SSW 22
0–6 in einer schwedischen Studie in den Zeiträumen 2014–2016 im Vergleich zu 2004–2007 verdoppelt und liegt mit 58 % nur knapp unter den 66 %, die als Überlebensrate für SSW-23
0–6-Kinder berichtet wurden [
19]. Andere Studien zeigen nach wie vor sehr geringe Überlebensraten in SSW 22
0–6 [
18].
In der SSW 23
0–6 zeigen die Daten einen Anstieg des Überlebens bis zu über 60 % der in lebenserhaltender Absicht versorgten Frühgeborenen [
12,
13,
17,
19,
23,
26]. In der österreichischen Studie, die Daten von Frühgeborenen der SSW < 32
0–6 aus den Jahren 2011–2016 analysierte, überlebten 47 % der Frühgeborenen der SSW 23
0–6 [
15].
In SSW 24
0–6 steigen die Überlebensraten signifikant an und liegen im Bereich von 70–80 % [
12,
13,
15,
17,
19,
23,
26]. In der Analyse der österreichischen Daten betrug das Überleben in SSW 24
0–6 73,4 % [
15].
3.2. Langzeitmorbidität Frühgeborener an der Grenze der Lebensfähigkeit – rezente Literatur
Für extrem Frühgeborene der SSW 22
0–6 wird ein Überleben ohne moderate oder schwere neurologische Entwicklungsbeeinträchtigung mit bis zu 40 % [
1,
3,
22] angegeben. Wichtig ist zu erwähnen, dass auch bezüglich des neurologischen Langzeit-Outcome deutlich bessere Daten von den wenigen Zentren, die sich auf die Versorgung dieser extrem unreifen Frühgeborenen spezialisiert haben, berichtet werden und die Langzeit-Outcomes in der SSW 22
0–6 ähnlich denen der SSW 23
0–6 angeben [
26]. So zeigte in einer Studie aus Iowa die Mehrzahl (64 %) der Frühgeborenen aus SSW 22
0–6–23
0–6 mit 2 Jahren keine bzw. nur milde entwicklungsneurologische Auffälligkeiten [
26]. Umgekehrt zeigen Daten aus Australien, dass das Überleben extrem unreifer Frühgeborener der SSW 22–27 ohne schwere entwicklungsneurologische Beeinträchtigung zwischen 1991 und 2017 zwar signifikant gestiegen ist (von 42 % auf 62 %), dass es in den SSW 23
0–6 und 24
0–6 aber immer noch unter 20 % liegt [
7].
Für Österreich liegen Zahlen für das Überleben ohne schwere entwicklungsneurologische Beeinträchtigung [
14] ab SSW 23
0 aus dem Österreichischen Frühgeborenen Outcome-Register (ÖFGOR) vor. Dabei zeigt sich über einen Zeitraum von 10 Jahren (2011–2020) für Überlebende der SSW 23
0–6 (
n = 105) und SSW 24
0–6 (
n = 213) mit 68,6 % und 69,5 % die gleiche Rate an Überleben ohne moderate oder schwere Beeinträchtigung [
14].
Frühgeborene der SSW 220–6 haben nur in spezialisierten Zentren, die auf die Versorgung derart unreifer Frühgeborener ausgerichtet sind, eine realistische Chance auf ein gutes Überleben und sollten nur in diesen intensivmedizinisch betreut werden. Eine Versorgung in dieser frühen Schwangerschaftswoche ist nur sinnvoll im Rahmen einer maximalen Zentralisierung dieser Geburten in wenige darauf spezialisierte Zentren in Österreich. Eine aktive Versorgung kann in Einzelfällen, bei idealen Voraussetzungen und dringendem Wunsch der Eltern, in jedem Fall dann aber ausschließlich in darauf spezialisierten Zentren erfolgen.
Die Überlebenswahrscheinlichkeit Frühgeborener der SSW 230–6 liegt bei 40–60 %, in darauf spezialisierten Zentren auch darüber. Bei den überlebenden Kindern ist ein entwicklungsneurologisches Outcome ohne schwere oder moderate Beeinträchtigung von über 60 % beschrieben. Eine aktive Versorgung soll bei idealen Voraussetzungen und im Einverständnis mit den Eltern, in jedem Fall aber ausschließlich in darauf spezialisierten Zentren erfolgen.
In SSW 240–6 ist mit einer Überlebensrate von über 70 % und einer Wahrscheinlichkeit des entwicklungsneurologischen Outcome ohne signifikante entwicklungsneurologische Beeinträchtigung bei den überlebenden Kindern von etwa 70 % zu rechnen, sodass in dieser Schwangerschaftswoche eine kurative Versorgung nach der Geburt in der Regel indiziert ist. Auch in dieser Schwangerschaftswoche gilt, dass die Geburt in einem auf die Versorgung derart unreifer Frühgeborener spezialisierten Perinatalzentrum erfolgen soll und somit pränatal ein Transfer in ein solches Zentrum vorzusehen ist.