Erschienen in:
11.04.2019 | Aktuelles
Das ist doch krank, oder? – Werkstattbericht eines interdisziplinären Lehrforschungsprojektes in der Psychiatrie
verfasst von:
Dr. phil. Joschka Haltaufderheide, Dr. phil. Kirsten Persson, Dr. sc. med. Ina Otte, Prof. Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann
Erschienen in:
Ethik in der Medizin
|
Ausgabe 2/2019
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Auszug
Psychische Gesundheit und Krankheit sind zentrale Bindeglieder zwischen medizinischer Theorie und Handlungspraxis (Hucklenbroich
2015). Der medizinische, sozialwissenschaftliche und philosophische Diskurs kennt viele unterschiedliche Ansätze zur Beschreibung von psychischen Problematiken, die alle nicht nur spezifische Konnotationen haben, sondern auch jeweils unterschiedliche Phänomene umfassen: Psychische Krankheit, psychische Störung, psychische Abweichung, Dysfunktion (Schramme
2000; Helmchen
2006; Bolton
2013). Die Zuschreibung wird auf der einen Seite in ihrem Erleben, ihrer Interpretation und in ihrem Ausdruck innerhalb der Gesellschaft durch vielfältige historische, politische und kulturelle Bedingungen beeinflusst. Sie bezieht sich auf der anderen Seite in zunehmendem Maße auf medizinische, biologische oder funktionale Konzepte, die beispielsweise die Bedeutung organischer Komponenten für das Vorliegen einer Erkrankung betonen. Sie rekurriert damit in der ein oder anderen Weise auf normierende Referenzpunkte, die auf die Vorstellung eines „normalen“ oder „guten“ Lebens (und der entsprechenden Abweichung von Standard) Bezug nehmen (Friedrich und Schleidgen
2017). Innerhalb medizinisch-psychiatrischer Diskurse hat sich mit der Verbreitung von ICD-10 und DSM-IV der Begriff der psychischen Störung etabliert, der mit der Definition von Krankheit als „Störung mit erheblichem Krankheitswert“ auf ein hybrides Modell rekurriert, das versucht, sowohl funktionalistische als auch sozialwissenschaftliche Theorieelemente zu verbinden, und dessen normative Bezugspunkte Gegenstand erregter Debatten sind (Sisti et al.
2013; Varga
2011). …