Erschienen in:
01.04.2010 | Leitthema
Das komplexe Beckentrauma des älteren Patienten
verfasst von:
Dr. G. Tosounidis, U. Culemann, D. Stengel, P. Garcia, R. Kurowski, J.H. Holstein, T. Pohlemann
Erschienen in:
Die Unfallchirurgie
|
Ausgabe 4/2010
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Zusammenfassung
Durch die Definition des Komplextraumas bei Beckenverletzungen ist es gelungen, die bzgl. der Überlebensrate kritischen Patienten klar zu selektieren. Komplexe Beckenfrakturen sind Verletzungen des Beckenrings, die mit zusätzlich begleitenden peripelvinen Verletzungen assoziiert sind. Diese umfassen Verletzungen der Weichteile (Haut-Muskel), des Urogenital- und Darmtrakts, der großen Nervenbahnen und Verletzungen von Arterien, Venen und Venengeflechten im kleinen Becken. Komplexverletzungen des Beckens sind trotz Verbesserung der klinischen Erstversorgung weiterhin mit einer hohen Letalität vergesellschaftet. Insbesondere bei einer begleitenden Gefäßverletzung und dadurch bedingter hämodynamischer Instabilität steigt die Letalität deutlich an. Die maximale Ausprägung des komplexen Beckentraumas ist die Hemipelvektomie, die mit einer Letalität bis 60% assoziiert ist.
Aus der weltweit größten Datensammlung für Beckenverletzungen mit Daten der Arbeitsgruppe (AG) Becken I (1991–1993, 1722 Patienten, 10 Kliniken), der Arbeitsgruppe Becken II (1998–2002, 2569 Patienten, 22 Kliniken) und der Arbeitsgruppe Becken III (2005–2007, 2704 Patienten, 23 Kliniken) der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und der Deutschen Sektion der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) International werden die epidemiologischen Grunddaten, Inzidenz, Veränderung der Therapiekonzepte, Letalität und Verletzungsmuster im Beobachtungszeitraum von 16 Jahren analysiert und beschrieben. Im Fokus der vorliegenden Untersuchung lagen komplexe Beckenverletzungen bei Patienten über 60 Jahre.
Im Beobachtungszeitraum von 16 Jahren erkennt man eine weiterhin hohe Letalität bei komplexen Beckentraumen (AG I 21%, AG II 22%, AG III 18%). In der Gruppe der über 60-jährigen Patienten ist die Letalität dabei im Vergleich zu den Patienten unter 60 Jahren signifikant erhöht (AG I 57 vs. 29,6%, AG II 33 vs. 22,6%, AG III 41 vs. 10,4%, jeweils p <0,05).
Als Notfallmaßnahmen zur Behandlung von Patienten mit komplexem Beckentrauma wurde für die Stabilisierung zunehmend die Beckenzwinge, der Fixateur externe und primäre interne Osteosyntheseverfahren angewendet. Begleitend zu diesen Maßnahmen wurde die Beckentamponade vermehrt eingesetzt. Diese Beobachtung ist auch in der Gruppe der über 60-jährigen Patienten nachzuvollziehen.
Ziel der vorliegenden Untersuchung war es zu evaluieren, in wie weit sich die primären Behandlungsmaßnahmen, die Begleitverletzungen, der Frakturtyp und die Letalität bei komplexen Beckenverletzungen im Beobachtungszeitraum bezogen auf das Lebensalter der Patienten verändert haben.