Klinik
Triggerpunkte und Schmerzen
Triggerpunkte und Funktionsstörungen
Myofasziales Syndrom
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Primäres MFS
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Die Ursache für die Entstehung der mTrP liegt in der Muskulatur selbst. Mit Triggerpunkt-Therapie ist eine kausale Behandlung möglich und die Prognose ist gut, wenn gleichzeitig auslösende und perpetuierende Faktoren erkannt und einbezogen werden.
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Sekundäres MFS
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Die myofaszialen Schmerzen sind Folge einer anderen Störung, die arthrogen, neurogen, viszerogen oder psychogen sein kann. Wenn immer möglich, ist die primäre Ursache zu behandeln. Falls eine kausale Behandlung nicht möglich bzw. nicht indiziert ist (z. B. Hüftarthrose, die noch nicht operiert werden soll), kann eine symptomatische Therapie der myofaszialen Strukturen i.d.R. eine (vorübergehende) Schmerzlinderung bewirken.
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Akutes MFS
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Diagnose und Behandlung sind meist problemlos und einfach. Bei erstmalig auftretenden akuten myofaszialen Schmerzen ist häufig nur ein Muskel betroffen, der auslösende Faktor bekannt und die Anamnesedauer kurz. Die Diagnose ist somit meist einfach zu stellen, und oft genügen eine oder einige wenige Behandlungen, um den Schmerz bleibend zu beseitigen [11, 37].
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Chronisches MFS
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Ursachen für die Chronifizierung eines myofaszialen Syndroms können sein:
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Chronifizierungsvorgänge in der Peripherie. Meist sind aktive mTrP in mehreren Muskeln beteiligt und es liegen reaktiv entstandene Bindegewebsveränderungen vor. Diese sind häufig als dominanter Faktor für eine periphere Chronifizierung verantwortlich und die gezielte Behandlung dieser Bindegewebsveränderungen ist für eine erfolgreiche Therapie unabdingbar.
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Unterhaltende Faktoren wie ungünstige Haltung und Bewegungsgewohnheiten etc.
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Zentrale Chronifizierungsprozesse
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Verknüpfung von peripherem und zentralem Chronifizierungsgeschehen sowie von unterhaltenden Faktoren
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Ätiologie
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Akute Faktoren
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Direktes Trauma (unmittelbare Muskelverletzung durch direkte Gewalteinwirkung, z. B. beim Sport, bei Unfällen usw.)
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Akute Überdehnung der Muskulatur (z. B. sport- oder unfallbedingt)
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A kute Überlastung (z. B. sport- oder unfallbedingt)
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Chronische Überlastung der Muskulatur
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Postural: z. B. haltungsbedingte chronische Fehlbelastung der Nackenmuskulatur bei habitueller Ventralposition des Kopfs, Abduktionssyndrom mit konsekutiver Überlastung des M. supraspinatus usw.
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„Repetitive strain injury“: repetitiv-stereotype Bewegungen in Beruf oder Training, z. B. bei Berufsmusikern, Handwerkern, Sportlern usw.
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L ang andauernde Kontraktion in angenäherter Position: Stundenlanges Arbeiten am Computer beispielsweise erfordert eine geringe außenrotatorische Aktivität im Humeroskapulargelenk, die über längere Zeit aufrechterhalten werden muss. Die Außenrotatoren, M. infraspinatus und M. teres minor, befinden sich folglich ständig in einer leichten Kontraktion. Die damit einhergehende intramuskuläre Druckzunahme führt zu einer verminderten Durchblutung der Muskulatur, während diese gleichzeitig einen erhöhten Bedarf an Sauerstoff hat und eine Mehrdurchblutung braucht. So öffnet sich eine Schere zwischen erhöhter Nachfrage und vermindertem Angebot. Dies führt über kurz oder lang zu einer Überlastung der Muskulatur.
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Exzentrische Muskelaktivität: Exzentrische Muskelaktivität ist für den Muskel koordinativ am anspruchsvollsten, führt schnell zu Überlastungen und ist damit ein Risikofaktor für die Entstehung von mTrP [10]. So kann stundenlanges Bergabgehen in schlecht trainiertem Zustand Auslöser für die Entstehung von mTrP im M. quadriceps sein.
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S tressinduzierte Überlastung: Stressbedingte Tonuserhöhungen betreffen nicht alle Anteile eines Muskels, sondern selektiv die Muskelanteile mit mTrP [26].
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Nichtmuskuläre Primärfaktoren: Arthrogene, neurogene, viszerogene oder psychogene Faktoren können reflektorisch zu Verspannung und Überlastung der Muskulatur führen (sekundäres MFS).
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Triggerpunktaktivität in anderen Muskeln: Myofasziale TrP in einem Muskel haben die Tendenz, in anderen Muskeln die Entstehung/Aktivierung von weiteren mTrP zu begünstigen (Triggerpunktketten mit sekundären TrP in Synergisten/Antagonisten bzw. Satelliten-TrP).
Therapie
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Verbesserung der lokalen Durchblutung,
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Aufbrechen der Rigorkomplexe,
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Lösen und Aufdehnen reaktiv entstandener Bindegewebsveränderungen (intra- und intermuskulär),
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Dehnung/Detonisierung des Hartspannstrangs,
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Verbesserung der intra- und intermuskulären Beweglichkeit und
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Senkung der Nozizeptoraktivität.
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Manuelle Techniken
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Reflektorische Beeinflussung von mTrP: Techniken wie „spray and stretch“ (Kälteapplikationen auf die Haut im Bereich der mTrP und anschließendes Stretching der Muskulatur) oder Muskel-Release-Techniken, z. B. postisometrische Relaxation nach Lewit, Muskel-Energie-Techniken, Myofascial Release usw., sind weit verbreitet und zeigen oft gute Wirkung. Durch die reflektorische Detonisierung der Muskulatur wird der mTrP bis zu einem gewissen Maß entlastet und das Schmerzsyndrom günstig beeinflusst. Ein komplexes Triggerpunktproblem lässt sich unserer Erfahrung nach auf diese Weise jedoch oft nicht nachhaltig beseitigen. Bei chronifizierten myofaszialen Schmerzen ist der Effekt reflektorischer Maßnahmen begrenzt, da die Bindegewebsveränderungen reflektorisch nicht adäquat behandelbar sind.
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Manuelle Triggerpunkt-Therapie IMTT® 1 : Diese spezifische Form der Behandlung myofaszialer Störungen nutzt – zusätzlich zu den reflektorischen Wirkungen – die Möglichkeit, die Rigorkomplexe und das Bindegewebe direkt manuell zu beeinflussen (s. unten).
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Invasive Techniken
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Dry Needling, d. h. die Behandlung von mTrP mit Akupunkturnadeln, Infiltrationen mit einem Lokalanästhetikum wie Procain bzw. Lidocain oder Injektionen mit Botulinumtoxin A werden zur Deaktivierung des Störpotenzials von mTrP eingesetzt.
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Apparative Techniken
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Myofasziale TrP können mittels extrakorporaler Stoßwellentherapie deaktiviert werden. Physikalische bzw. elektrotherapeutische Applikationen finden gelegentlich flankierend zur Schmerzlinderung (Eisanwendungen, Elektrotherapie), Stoffwechselanregung (Ultraschall) oder zur Tonussenkung der Muskulatur (heiße Rolle, Fango, Thermalbad) Einsatz.
Manuelle Triggerpunkt-Therapie IMTT®
Maßnahme | Lokalgewebespezifische therapeutische Effekte | |
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Technik I |
Manuelle Kompression des Triggerpunkts
| Auspressen der „entzündlichen Suppe“ und des lokalen Ödems Auf Ischämie folgende reaktive Hyperämie → Stoffwechselsteigerung Reflektorische Detonisierung des zum Triggerpunkt gehörenden Hartspannstrangs |
Technik II |
Manuelle Dehnung der Triggerpunktregion
| Auspressen der „entzündlichen Suppe“ und des lokalen Ödems Auf Ischämie folgende reaktive Hyperämie → Stoffwechselsteigerung Reflektorische Detonisierung des zum Triggerpunkt gehörenden Hartspannstrangs Zerstörung des lokalen Rigorkomplexes Aufdehnen reaktiv entstandener bindegewebiger Adhäsionen (pathologische Crosslinks) und Verkürzungen → Verbesserung der intramuskulären Versorgung und Geschmeidigkeit |
Technik III |
Fasziendehnung (manuelle Dehnung der oberflächlichen und intramuskulären Faszien) | Lösen reaktiv entstandener bindegewebiger Adhäsionen (pathologische Crosslinks) und Verkürzungen → Verbesserung der intramuskulären Beweglichkeit und Versorgung → Muskel besser dehnbar Stimulierung faszialer Mechanorezeptoren → reflektorische Detonisierung des zum Triggerpunkt gehörenden Hartspannstrangs – Senkung der Sympathikusaktivität, Senkung des globalen Grundtonus |
Technik IV |
Faszientrennung (manuelles Lösen von intermuskulären Faszienverklebungen) | Lösen von Verklebungen zwischen Faszien benachbarter Muskeln → Verbesserung der intermuskulären Beweglichkeit |
Technik V |
Dehnung/Detonisierung
| Detonisierung/Verbesserung der Dehnbarkeit des Muskels |
Technik VI |
Funktionelles Training/Ergonomie
| Physiologische Belastung und Bewegung unterstützen den Regenerationsprozess bzw. machen die Muskulatur belastbarer Ergonomie reduziert Fehlbelastungen der Muskulatur |
Triggerpunkt-Therapie als Behandlungskonzept
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Die Triggerpunkt-Therapie IMTT ermöglicht, gezielt sowohl die Kontrakturknoten (mTrP) als auch die Bindegewebsveränderungen (Verkürzungen, intra- und intermuskuläre Adhäsionen) zu behandeln.
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Die Triggerpunkt-Therapie IMTT zur Behandlung myofaszialer Störungen umfasst ein systematisches 6-Schritte-Programm: Vier manuelle Behandlungstechniken (Technik I–IV) werden ergänzt durch Maßnahmen zur Detonisierung/Dehnung (Technik V) und zur funktionellen Kräftigung der Muskulatur (Technik VI).
Dry Needling
Oberflächliches Dry Needling
Tiefes Dry Needling
Ergänzende Maßnahmen
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Funktionelle Bewegungstherapie/Krafttraining
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Gelenk- und nervenspezifische Manualtherapie
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Kinesiotaping
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Körperfühlarbeit/somatopsychisches Lernen (Feldenkrais, Alexander-Technik, Eutonie nach Gerda Alexander, Psychotonik nach Glaser, TaKeTiNa-Rhythmusarbeit, Middendorf-Atemtherapie, Heileurhythmie, Tai-Chi, Qigong, Yoga u. a.)
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Muskeltonussenkende und schmerzlindernde Maßnahmen
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Ernährung/systemische Faktoren (Vitamin-B12, Folsäure, Eisen usw.; ausführliche Erörterung in [37]).
Fazit
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Myofasziale Störungen zeigen sich in Form von Schmerzen und/oder Funktionsstörungen.
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Das pathophysiologische Korrelat einer myofaszialen Störung sind mTrP (Kontrakturknoten) und reaktive Bindegewebsveränderungen.
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Bei der Therapie chronischer myofaszialer Störungen ist darauf zu achten, dass (je nach Erfordernis)
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sowohl die kontraktilen Teile des Muskels (Kontrakturknoten) als auch die nichtkontraktilen Anteile (reaktive Bindegewebsveränderungen) behandelt werden,
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nicht nur reflektorisch, sondern auch direkt strukturspezifisch therapiert wird sowie
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prädisponierende und aufrechterhaltende Faktoren erkannt und in die Therapie miteinbezogen werden.
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Zu unterscheiden sind primäre bzw. sekundäre myofasziale Probleme. Im Prozess des „clinical reasoning“ zeigt sich, wie das Problem einzuordnen ist bzw. ob ein Reizsummationsproblem vorliegt.
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Störungen des myofaszialen Organs können wesentlich zum Reizsummationseffekt beitragen. Eine Therapie, die bei der Behandlung der myofaszialen Strukturen einsetzt, vermag somit viele Reizsummationsprobleme günstig zu beeinflussen.