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Erschienen in: Ethik in der Medizin 4/2021

Open Access 08.09.2021 | Originalarbeit

Das sinnvolle und das würdevolle Leben in der Medizinethik

verfasst von: Dr. Sebastian Muders

Erschienen in: Ethik in der Medizin | Ausgabe 4/2021

Zusammenfassung

In der Medizinethik haben sich moralische Gründe, die die Würde des Patienten betreffen, gerade auch in Fragen am Lebensende als wichtige Grundlage praktischen Überlegens neben solchen des Wohlergehens und der Autonomie fest etabliert. Dabei hat es sich eingebürgert, zwischen Gesichtspunkten zu unterscheiden, die die kontingente Würde einer Person in den Blick nehmen, und solchen, die sich auf eine nicht-kontingente Würde ihrer Träger beziehen. In diesem Aufsatz möchte ich auf eine weitere Grundlage aufmerksam machen, die von Überlegungen, die von der Menschenwürde der Betroffenen in beiderlei Art ihren Ausgangspunkt nehmen, verdeckt zu werden drohen: Moralische Gründe, die sich der Bewahrung oder Vermehrung des Sinns verschrieben haben, den Menschen in ihrem Leben sehen oder vermissen. Diese Sinn-Gründe, so mein Argument, weisen einige strukturelle Gemeinsamkeiten zu Würde-Überlegungen auf, die auf eine gemeinsame ontologische Grundlage und überlappende Gehalte beider zurückzuführen sind. Dessen unbeschadet haben beide Arten von Gründen eigenständige Funktionen beim Nachdenken über medizinethische Probleme; tatsächlich haben Gründe des Sinns im Falle moralischer Herausforderungen am Lebensende oftmals sogar den Primat in dem Sinne, dass sie konstitutiv in Würde-Gründe eingehen können und auch unabhängig davon auf moralisch relevante Gesichtspunkte verweisen.

Einleitung

Die New York Times berichtete in ihrer Ausgabe vom 10. Mai 20181 vom Fall eines in der Schweiz vorgenommenen assistierten Suizids, der auch von vielen anderen Zeitungen aus dem In- und Ausland aufgegriffen wurde:
On the eve of his death, David Goodall, 104, Australian scientist, father, grandfather and right-to-die advocate, was asked if he had any moments of hesitation, “even fleeting ones.”
“No, none whatever,” Mr. Goodall said in a strong voice. “I no longer want to continue life, and I’m happy to have a chance tomorrow to end it.” […]
On Thursday, Mr. Goodall died about 12:30 p.m. local time, according to Exit International, a right-to-die organization of which he had been a longtime member.
A botanist and ecologist of some renown, he was not terminally ill, but his health had deteriorated so badly that he had to stop most of his activities—like working at Edith Cowan University in Perth and performing in the theater—and he did not want to continue living. A fall in his home last month exacerbated his condition. […]
Mr. Goodall said, “I’ve had a good life.” He was not afraid of death but acknowledged that he previously tried to end his life in Australia.
Wie andere Fälle auch, bei denen ein assistierter Suizid nicht aufgrund eines todbringenden Leidens geplant wird, sondern primär aus Altersgründen bzw. damit verbundener nachlassender Befähigungen, stellt sich die Frage, ob diese Form von Begründung hinreichend dafür ist, dem möglichen Suizidenten moralische Rechte zu gewähren, bei seinem Vorhaben unterstützt (oder zumindest nicht daran gehindert) zu werden, oder Dritten entsprechende Pflichten aufzuerlegen. Diese Fragen werde ich im vorliegenden Aufsatz jedoch lediglich am Ende kurz streifen. Ich möchte David Goodalls Fall vielmehr zum Anlass nehmen, über die Art moralisch relevanter Gründe nachzudenken, mit denen sich die Medizinethik beschäftigen sollte, exemplarisch in Fällen von moralischen Fragen am Lebensende, aber auch darüber hinaus.
Betrachten wir die obige Beschreibung des Falls, haben wir verschiedene Möglichkeiten, Goodalls Wunsch, Hilfe bei seinem geplanten Suizid zu erhalten, gründetheoretisch einzuordnen: Vielleicht sieht er seine gegenwärtige Existenz mit der fehlenden Möglichkeit, sich an der Universität zu engagieren oder an Theaterveranstaltungen teilzunehmen, als zunehmend freudlos an, so dass er seinen Freitod als angemessene Alternative ansieht. Oder er sieht die durch seinen Sturz zunehmend gesteigerte Abhängigkeit von anderen im Zusammenspiel mit den eingeschränkten Handlungsalternativen als eine zu starke Einengung seiner Selbstbestimmung an, als dass er so weiter leben möchte. Oder er betrachtet seinen gegenwärtigen Zustand altersbedingter Einschränkungen als Verfall, und empfindet das im Verbund mit der fehlenden Perspektive, da aufgrund seiner nicht terminalen Gesundheit kein Ende dieses für ihn als elend erlebten Lebens in Aussicht gestellt ist, als entwürdigend.
Die gerade vorgestellten Möglichkeiten, ein moralisches Problem im Fall Goodall zu diagnostizieren, sind Ethikern wohl vertraut. Sicherlich sollte es uns moralisch kümmern, jemanden in der beschriebenen Situation als freudlos, abhängig und entwürdigt zu erleben. Ich möchte nun dafür argumentieren, dass Betrachtungen zum Sinn, den Betroffene in ihrem Leben sehen oder vermissen, ebenfalls einen wichtigen Ausgangspunkt für Überlegungen in der medizinischen Ethik darstellen, aber gerade von den in den vergangenen Jahren immer prominenter diskutierten Gründen der Würde verdeckt zu werden drohen. Letztere in ihrem Verhältnis zu Gründen des Sinns zu explizieren und die Eigenständigkeit beider herauszuarbeiten, ist das Ziel dieses Aufsatzes.
Dafür werde ich anhand des Eingangsbeispiels in einem ersten Abschnitt dafür argumentieren, dass Überlegungen, die sich auf das sinnvolle Leben der Betroffenen beziehen, nicht von Gesichtspunkten abgedeckt werden, die sich aus ihrem Wohlergehen oder ihrer Autonomie ergeben. In einem zweiten Abschnitt werde ich aufzeigen, dass Gründe der Würde („Würde-Gründe“) die wahrgenommene „Lücke“ in den Gesichtspunkten, die David Goodall vorbringt, um seinen Wunsch, sein Leben zu beenden, einsichtig zu machen, sehr gut abdecken können. Sodann werde ich in einem dritten Abschnitt dafür argumentieren, dass Gründe des Sinnvollen („Sinn-Gründe“) dieselbe Erklärungsleistung erbringen können. Daraus folgen zwei Fragen, denen ich mich in einem vierten und fünften Abschnitt widme: Weshalb kommt es zu dieser auffälligen zweifachen Abdeckung moralisch relevanter Gesichtspunkte? Und in welchem Verhältnis stehen beide Arten von Gründen zueinander? Meine Antworten auf beide Fragen sollen den Primat der Sinn-Gründe gegenüber den Würde-Gründen in Fällen wie demjenigen von David Goodall herausarbeiten. Da alle genannten Quellen für praktische Gründe bereits in ihrem Begriff philosophisch umstritten sind, werde ich im Verlauf meiner Argumentation nicht umhinkommen, mich innerhalb der engen Grenzen dieses Aufsatzes auf die in meinen Augen plausibelsten Konzeptionen davon zu beschränken, ohne sie im Einzelnen gegen alternative Varianten verteidigen zu können. An diesen Stellen verweise ich auf weitere Literatur, in der diese Auswahl ausführlicher begründet wird.

Wohlergehen und Autonomie

Betrachten wir zunächst die beiden ersten eingangs genannten Vorschläge, wie der Fall David Goodalls gründetheoretisch einzuordnen ist, ein wenig im Detail. Philosophische Theorien von Wohlergehen, die nicht einfach Theorien darüber sein wollen, was alles wertvoll für den einzelnen sein kann – in diesem Fall würden sie auch wichtige Gehalte des sinnvollen, würdevollen und autonomen Lebens mit umfassen –, kommen nicht umhin, hedonischen Zuständen einen besonderen Platz zuzubilligen.2 Denn was soll es heißen, dass jemand zwar im Ganzen gesehen betrübt sein Dasein fristet, sein Wohlergehens-Saldo aber doch positiv ausfallen kann? Fassen wir unter „Wohlergehen“ einmal stipulativ diejenigen Dinge, die einzig gut für ihren Träger sein müssen, um gut für ihn zu sein – Güter, die also nicht zusätzlich auch gut für andere oder gut an sich sein müssen. Diese Beschreibung scheint beispielsweise auf Güter wie Gesundheit, ein leckeres Abendessen oder ein spannendes Buch zuzutreffen, insofern sie von ihrem Nutznießer genossen werden können oder ihn zumindest nicht betrüblich stimmen. Glänzen die so charakterisierten Güter in einem Leben vollständig durch Abwesenheit, scheint der so evozierte Verlust an Lebensgenuss nicht länger das Urteil zu rechtfertigen, dass es dem Betroffenen im Ganzen gesehen immer noch wohl ergeht; weswegen wir das Befinden des tieftraurigen Milliardärs aufgrund des Unvermögens, seine Reichtümer zu genießen, alles in allem als schlecht beurteilen, dasjenige des in sich ruhenden, dankbaren Bettelmönchs hingegen als gut. Damit soll keineswegs einem Hedonismus das Wort geredet werden – vielleicht kommt es weiterhin darauf an, dass die Dinge, an denen man sich vergnügt oder weswegen man tieftraurig ist, es wert sind, dass man derlei Einstellungen zu ihnen einnimmt; oder dass man sie in einem wie auch immer qualifizierten Sinne tatsächlich will. Wichtig ist hier allein, dass hedonischen Zuständen bei denjenigen Dingen, deren Wert einzig davon abhängt, dass sie gut für ihren Träger sein müssen, um gut für ihn zu sein, eine nicht ersetzbare Funktion bei der Bestimmung seines Gesamtwohlergehens zukommt.3
Nehmen wir in einer Erweiterung des oben wiedergegebenen Berichts von Goodalls Fall nun an, dass sein hedonisch beschreibbares Wohlergehen im Ganzen immer noch positiv ausfällt – er erfreut sich ausreichender Gesundheit, ergötzt sich an Restaurantbesuchen, genießt seine Spaziergänge und so weiter. Würden wir sagen, sein Wunsch, aus den oben genannten Gründen Suizid zu begehen, sei nicht länger einsichtig? Gewiss nicht; seine Freuden geben ihm Gründe, am Leben zu bleiben, aber das Problem, dass er damit hat, für ihn wichtige Dinge nicht länger tun zu können, bleibt damit bestehen. Es ist auch nicht so, dass allein der nun fehlende Genuss, den er ansonsten daraus ziehen würde, sich weiter an seiner Universität zu engagieren, hier das Problem sein dürfte; auch wenn diese Tätigkeit selbst zweifellos nicht nur für ihn gut sein muss, um wertvoll für ihn zu sein, gilt das für seinen Genuss daran schon. Aber sagen wir einfach, es sei ihm schlichtweg wichtig, seine Universität weiter zu unterstützen, obwohl es ihm mehr Mühe als Freude bereitet; auch dann würde sein Problem, dass er unter anderem damit hat, hier nicht mehr tätig sein zu können, nicht unverständlich.
Wohlergehen, verstanden als das Haben oder Nichthaben derjenigen Güter, die nur für ihren Träger gut sein müssen, um wertvoll für ihn zu sein, mag in David Goodalls Fall also eine Rolle spielen – sicherlich ist es für ihn relevant, keinen Genuss mehr aus Tätigkeiten ziehen zu können, die ihm wichtig sind, weil er nicht mehr imstande ist, ihnen nachzugehen –, trifft meines Erachtens aber nicht das moralische Problem, dass er uns zu lösen aufgibt. Wenden wir uns daher an den zweiten Kandidaten, die Autonomie oder Selbstbestimmung, die ich hier als personale Autonomie verstehen möchte, als Befähigung von Personen, ihr Leben gemäß ihrer eigenen Wertvorstellungen führen zu können.4
Altersbedingte, sich aus der verschlechternden Gesundheit ergebende Einschränkungen, so erfahren wir aus dem Times-Artikel, sorgen in der Tat dafür, dass David Goodall seinen Lieblingsbeschäftigungen nicht länger nachgehen kann. Insofern ist seine personale Selbstbestimmung im oben skizzierten Sinn zweifellos vermindert, wenn wir „Befähigung“ hier so verstehen, dass es ihm aufgrund seines Sturzes und seine sonstigen Gebrechen nicht länger möglich ist, aus sich selbst heraus und ohne fremde Hilfe bestimmte seiner Wünsche umzusetzen. Es wäre jedoch verfrüht, dies als einzigen Grund für seinen Wunsch, sich zu suizidieren, auszumachen. Was ihm das Leben verleidet, ist eben zumindest auch die Tatsache, dass er bestimmten Tätigkeiten nicht mehr nachgehen kann; die fehlende Befähigung dazu ist hier lediglich der Grund dafür. Denn nehmen wir an, ihm würden diese Tätigkeiten aus Gründen verunmöglicht, die nichts mit seiner Autonomie, verstanden als ihm zuschreibbare Befähigung, zu tun haben – ein Erdbeben zerstört Universität und Theater seiner Heimatstadt, so dass er zwar aus sich selbst heraus weiter unterrichten und Theater spielen könnte, er aber keine Gelegenheit mehr hätte, das zu tun, ähnlich wie selbst ein begabter Pianist bei kaputtem Flügel nicht Klavierspielen kann. In diesem Fall wäre er in wesentlichem Umfang mit denselben Problemen konfrontiert, die für ihn Anlass sind, Unterstützung für seinen geplanten Suizid zu suchen.
So gilt auch hier, dass der Verlust an persönlicher Autonomie sicherlich dafür sorgt, dass er sein Leben als weniger lebenswert ansieht als zu Zeiten, in denen er von seinen Fähigkeiten her alles umsetzen konnte, was er sich wünschte; aber wiederum lässt das wesentliche Gründe außen vor, die im vorliegenden Bericht für die Entscheidung von Goodall eine wichtige Rolle zu spielen scheinen.

Würde

Die vorangestellten Überlegungen haben in diesen und weiteren Fällen der Medizinethik spätestens seit der Jahrtausendwende einem weiteren Gründe-Kandidaten Auftrieb verschafft, der bis dahin vor allem in der Politischen Philosophie und hier in der Philosophie der Menschenrechte seine Heimat hatte: Gründe, die die Menschenwürde der Betroffenen zum Gegenstand haben. Auch im deutschsprachigen Bereich werden derlei Überlegungen zunehmend häufiger angeführt – aus gutem Grund, wie ich zeigen möchte. Ich werde dabei stellvertretend auf zwei einflussreiche Theorien zurückgreifen, die in Fällen wie demjenigen von David Goodall Aufklärung versprechen, zumal sie explizit auch für die Anwendung in der Medizinethik konzipiert wurden: Die Würdebegriffe von Ralf Stoecker und Eva Weber-Guskar.
Beide Theoretiker sind sich mit anderen Philosophen darin einig, dass eine erfolgreiche Anwendung des Menschenwürdebegriffs zunächst einen Blick zurück zu seinen Anfängen erforderlich macht, die beide Autoren in der Antike verorten (vgl. Stoecker 2011; Weber-Guskar 2016). Dabei setzen sie ihre eigene Würde-Konzeption in Bezug auf die in der Antike vorherrschenden Formen kontingenter Würde: Je nach Amt und Nobilität sind hier verschiedene Würden vorherrschend (etwa die Würde des Patriziers, des Ritters oder der Vestalin), die je eigene Anforderungen nicht allein an andere, sondern vor allem auch an den Träger dieser Rollen selbst stellen. Demgegenüber wird beginnend mit Cicero daneben eine weitere (nicht-kontingente) Form der Würde offenbar, die nicht mehr von besonderen, sozial zugeschriebenen Eigenschaften abhängig ist, sondern im Menschsein selbst verankert sein soll: die Menschenwürde.5
Beide Würdetheoretiker ziehen in ihren Konzeptionen nun Verbindungen zwischen kontingenter Würde und demjenigen, was wir gegenwärtig unter der Würde eines Menschen verstehen. Für Weber-Guskar entsteht Würde aus Einstellungen, die wir zu uns oder andere zu uns einnehmen, und lässt sich wesentlich als Haltung gegenüber uns selbst charakterisieren. Einen Pol dieser Haltung bildet dabei unser Selbstbild als ein Zusammenspiel zwischen demjenigen, als das wir uns wahrnehmen, und demjenigen, was wir erstreben (vgl. Weber-Guskar 2016). War dieses Selbstbild in früheren Zeiten größtenteils fremdbestimmt, erhalten wir heute bei dessen Ausgestaltung ein weit größeres Mitspracherecht (vgl. Weber-Guskar 2017). Unbeschadet davon ist das Maß an Würde, das man im Umgang damit erwerben kann, in seinen Grundmechanismen gleich geblieben: Wenn wir selbst eine Haltung zu uns einnehmen (können), die unserem Selbstbild entspricht, leben wir in Würde; sind die Diskrepanzen zwischen wahrgenommenem Selbst und Selbstbild jedoch zu stark – auch aufgrund des Verhaltens anderer uns gegenüber –, fühlen wir uns unwürdig. Die zentrale Stellung, die unser Selbstbild für unser gutes Leben einnimmt, rechtfertigt dabei moralische und rechtliche Normen zu seinem Schutz, die uns darin unterstützen, ein solches Selbstbild aufzubauen und zu bewahren, um in Würde leben zu können (vgl. Weber-Guskar 2013). Das kontingente, bei jedem Menschen trotz einiger anthropologischer und kultureller Gemeinsamkeiten doch sehr individuell ausgestaltete Selbstbild, das sich als fragil, wandelbar und in seiner Erreichbarkeit instabil erweist, macht auch unsere Würde, die sich aus ihm speist, zu einer kontingenten Sache.
Ralf Stoeckers Konzeption der Menschenwürde geht ebenfalls von einer besonders in der gegenwärtigen Zeit zunehmend dynamisierten Selbstkonzeption aus: Alte Rollenbilder, wie sich Studierende, Angestellte, Alte oder Arbeiter zu verhalten haben, haben zunehmend ausgedient; an ihre Stelle tritt nun eine Auswahlmöglichkeit, wie man sich als persona anderen gegenüber als auch gegenüber sich selbst präsentieren möchte (vgl. Stoecker 2003). Dabei sieht er anders als Weber-Guskar die nicht-kontingente Würde eines Menschen in der Fähigkeit begründet, sich überhaupt eine individuelle Zusammenstellung verschiedener Rollen für die eigene Person zusammenstellen zu können. Wird einer Person diese Möglichkeit verwehrt, sei es, dass man versucht, ihr diese Fähigkeit zu nehmen (etwa indem man sie demütigt), oder sei es, dass man eine Person mutwillig in einem Zustand belässt, in dem sie diese Fähigkeit nicht entwickeln kann oder nicht länger hat (etwa indem in absoluter Armut lebenden Menschen Hilfe verwehrt wird), verletzt man sie in ihrer nicht-kontingenten Würde, verstanden als Anspruch, eben diese Zusammenstellung vornehmen zu können (vgl. Stoecker 2010). Durch diese Verbindung zwischen beiden Würdearten möchte Stoecker einerseits anders als Weber-Guskar an der Idee einer nicht-kontingenten Würde festhalten, andererseits aber klassische Einwände, die gegen Theorien dieses Begriffs vorgebracht werden, umgehen – etwa was die ontologische Grundlage einer solchen, allen Menschen zukommenden Würde angeht (vgl. Stoecker 2013).
Eine detaillierte Bewertung der Vorzüge und Nachteile gegenüber anderen Konzeptionen von Menschenwürde muss hier unterbleiben.6 Ein näherer Blick zeigt jedoch, dass sie gut geeignet sind, diejenigen Gründe als relevant zu identifizieren, die Überlegungen zum Wohlergehen und zur Autonomie im Falle von David Goodall bislang vernachlässigt haben. Wie gesehen, ist ein wesentliches Problem, das der 104-jährige Goodall mit seiner derzeitigen Lebenssituation hat, die Verunmöglichung von Tätigkeiten, die ihm viel bedeuten. Seine Profession als Botaniker setzt er offenbar auch noch weit nach seiner Pensionierung in Gestalt seiner Tätigkeit an der Hochschule fort, und auch sein Theaterengagement dürfte ihm viel bedeuten. Gleich ob wir nun mit Weber-Guskar annehmen, dass alleine von unserer nicht-kontingenten Würde gesprochen werden kann, diese aber für unser gutes Leben von höchster Bedeutung ist; oder ob wir mit Stoecker zusätzlich sagen, dass das Unvermögen, sich die Rollen seines Selbst zusammenstellen zu können (und hierfür unter einer ausreichenden Anzahl an Rollen selbst wählen zu können), zu einer Verletzung der nicht-kontingenten Würde führt, wenn man dem Betroffenen die Befreiung aus diesem Zustand verwehrt: In beiden Fällen dürfte die Situation, in der sich David Goodall befindet, für solche Überlegungen einschlägig sein: Im ersten Fall, weil sein Selbstbild angesichts seines Alters und des Unvermögens, den von ihm favorisierten Beschäftigungen nachzugehen, entscheidend geschädigt ist; und im zweiten Fall, weil seine Gebrechen es ihm nicht länger ermöglichen, nach dem Zusammenbruch entscheidender Bestandteile seiner bisherigen persona neue Rollen zu finden, um sie neu auszugestalten, ein Zustand, dem er mit seinem Suizid ein Ende setzen möchte, für den er Hilfe benötigt. Tatsächlich ist der Verweis auf das eigene „unwürdige“ Dasein oder Sterben ein häufiger Topos nicht nur bei Suizidwilligen im Allgemeinen, sondern auch im Fall von David Goodall: So sprach er laut der BBC davon, sein Leben „in Würde“ („with dignity“) beenden zu wollen.

Sinn

Wie die vorangegangenen Überlegungen zeigen, können Würdeüberlegungen eine wichtige Ergänzung zu Überlegungen zum Wohlergehen oder der Autonomie der Betroffenen darstellen. Tatsächlich besteht gerade bei medizinethischen Fragen am Lebensende die begründete Vermutung, dass Menschenwürde hier nicht allein als philosophischer Kunstbegriff seine Arbeit in der moralischen Diskussion verrichten kann, sondern dass Würde bereits im vortheoretischen Verständnis Eingang findet in die Situationsbeschreibung Betroffener. Wie Chochinov et al. (2006) deutlich gemacht haben, spielt die Sorge vor dem Verlust oder der Verletzung der eigenen Würde eine wichtige Rolle für Personen, die terminal erkrankt sind. Somit gelingt Konzeptionen von Menschenwürde, wie sie Stoecker, Weber-Guskar und andere vorlegen,7 nicht nur eine erfolgreiche Einbindung von Würdegründen aus philosophischer Perspektive, sondern auch eine phänomengerechte Aufarbeitung derjenigen Gesichtspunkte, die Menschen am Ende ihres Lebens bewegen.
Dessen unbeschadet möchte ich im Folgenden dafür argumentieren, dass eine derartige Inanspruchnahme von Würde-Gründen, wie wir sie im Fall von David Goodall beobachten können, eine wichtige weitere Art von Gründen zu überlagern droht, was die Auseinandersetzung mit den moralischen Fragen erschwert, die sich für derartige und weitere Fälle der beanspruchten Hilfe zur Selbsttötung stellen. Wie schon die Begriffe von Wohlergehen, Autonomie und (Menschen‑)Würde wird auch der Begriff des Sinns, bezogen auf das menschliche Leben, in ganz unterschiedlichen Verwendungsweisen gebraucht. In der neueren Debatte um das sinnvolle Leben steht als eine der zentralen Themen das Bemühen im Vordergrund, Sinn als eine eigenständige Dimension des guten Lebens zu begreifen; „eigenständig“ in dem Sinn, dass diese Dimension wahlweise eigene Handlungsgründe liefert, die sich von denen der Moral und des Wohlergehens unterscheiden; oder dass die Werte, die im Verfolgen von Sinn verleihenden Tätigkeiten verwirklicht werden, weder mit der Perspektive des Wohlergehens noch dem Blickwinkel der Moral zusammenfallen. Autoren wie Susan Wolf (2010) und Thaddeus Metz (2013), deren Theorien ich mich hier anschließe, haben für eine solche Position argumentiert.
Sinn erweist sich demnach gründetheoretisch als unabhängig vom Wohlergehen, weil das Verfolgen entsprechender Gründe auch unabhängig von der hedonischen Dimension des Wohlergehens funktioniert, ja ihr sogar entgegengesetzt sein kann: Die Menschheitsgeschichte ist voll von Figuren, die einiges an Mühsal und Trübsal auf sich nehmen, um ihrem Leben Sinn zu verleihen: Oft aufgeführte Standardbeispiele in der Fachdebatte sind Mutter Teresa oder Vincent van Gogh. Wenn jedoch auch insgesamt betrübliche und insofern sicher nicht mit hohem Wohlergehen behaftete Leben nichtsdestotrotz einen unvergleichlich hohen Sinngehalt aufweisen können, spricht das entscheidend dafür, beide Dimensionen des guten Lebens voneinander getrennt zu halten.8
Das Verfolgen von Gründen des Sinns ist des Weiteren vom Befolgen moralischer Gründe verschieden, weil auch moralisch neutrale Tätigkeiten – solche, die als erlaubt gelten – Gegenstand von Sinn-Gründen sein können. Aber dann besteht der Grund, sie zu verfolgen, gerade nicht darin, dass sie schlicht erlaubt sind: Vielmehr nehmen wir an ihnen ein persönliches Interesse, und erst dieses Interesse macht sie für uns verfolgenswert (was nicht damit einhergehen muss, die Werte, auf die sie verweisen, als abhängig von unserem Interesse an ihnen zu betrachten). Gründe der Moral hingegen diktieren nach der Standardlehre unser Verhalten unabhängig davon, ob wir an ihnen ein Interesse nehmen.9
Auch werttheoretisch erweisen sich Gründe des Sinns als eigenständig gegenüber Gründen des Wohlergehens: Gilt für sie doch nach der oben im Fall des Wohlergehens vorgeschlagenen Terminologie gerade nicht, dass Handeln nach ihnen einzig gut für ihren Träger sein muss, um gut für ihn zu sein; tatsächlich müssen Sinn-Gründe auch in anderer Hinsicht gut sein, sei es für jemand oder etwas anderes oder gut an sich; erst diese Tatsache macht sie auch für uns erstrebenswert. Und anders als Gründe der Moral, deren Befolgen nicht gut für uns sein muss, damit sie für uns handlungsleitend werden können, sind Gründe des Lebenssinns zwingend an eine steigende Qualität unseres guten Lebens gebunden; tatsächlich scheint bereits das Verfolgen dieser Gründe mit einem Sinnzuwachs verbunden zu sein (vgl. Muders 2018b; vgl. Wolf 2010).
Lassen sich Sinn-Gründe, die gemäß diesen Leitlinien interpretiert werden, auch bei David Goodall ausmachen? Das scheint offenkundig der Fall zu sein. Betrachten wir noch einmal sein Unvermögen, sich an seiner Universität zu engagieren sowie am Theater teilzuhaben, was seinen Wunsch, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden, enorm Auftrieb gegeben zu haben scheint. Beides sind offenkundig Dinge, die ihm wertvoll erscheinen, weil sie nicht nur ihm allein etwas geben, sondern er Grund hat, sie als wertvoll für andere oder an sich anzusehen: Würde ihm seine Forschungs- oder Lehrtätigkeit an der Universität ebenso viel bedeuten, wenn er keine neuen Erkenntnisse mehr gewinnen oder sie anderen zugänglich machen könnte? Sicher nicht.
Gleichzeitig ist es nichts, wozu er sich moralisch verpflichtet sieht in dem Sinne, dass er denkt, jeder mit den entsprechenden Befähigungen hätte einen zwingenden Grund, sich so zu engagieren: Nehmen wir an, er hätte einen Zwillingsbruder, der eine ähnliche Karriere und ähnliche Interessen verfolgt hat, aber im 100. Lebensjahr beschlossen hätte, in Sachen Theater wie Universität kürzer zu treten und stattdessen seinen heimischen Garten zu pflegen und Krimi-Hörbüchern zu lauschen. Goodall hätte ihn kaum kritisieren oder sich empören können in einer Weise, wie dies bei moralischen Verfehlungen angemessen wäre.
Diese Überlegungen scheinen nahezulegen, dass es neben seiner verschlechterten Gesundheit und seiner eingeschränkten Selbstbestimmung auch im Feld der Sinn-Gehalte deutliche Einbußen für David Goodall gab, die ihn zu seinem Vorhaben geführt haben. Denn sicher gäbe es auch in seiner Situation noch Dinge, die ihm Genuss verschaffen könnten; und gewiss stehen – das müsste er nicht bestreiten – geistig nach wie vor rüstigen Personen wie ihm auch jenseits der 100 noch Tätigkeiten offen, denen er Wert zubilligen könnte, wie das sein Altersgenosse Sir Thomas Moore, der Öffentlichkeit bekannt unter dem Namen „Captain Tom“, eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Nein: Sein Problem ist, dass er sich für diese Dinge nicht mehr begeistern kann. Es fehlen ihm in der von Susan Wolf aufgegriffenen Terminologie Harry Frankfurts die „Gründe der Liebe“ für andere, alternative Formen des Tätigseins, die sie als kennzeichnend für Gründe ansieht, die dem Leben Sinn verleihen.10

Würde und Sinn: Gemeinsamkeiten

Wir scheinen an diesem Punkt zwei miteinander konkurrierende Gründe-Arten auf dem Tisch liegen zu haben, die gleichermaßen beanspruchen, dasjenige, was Goodall bedrückt hat, zu erklären. Oder haben wir es hier einfach mit zwei verschiedenen, unterschiedlich eingefärbten Linsen zu tun, die gleichwohl auf dasselbe Phänomen blicken? – Im Folgenden möchte ich auf beide Arten von Erklärungsversuchen für den bisherigen Befund Bezug nehmen: Zunächst werde ich aufweisen, weshalb es keinesfalls ein Zufall ist, dass beide Arten von Gründen auf Goodalls Situation anwendbar sind, ehe ich in einem zweiten Schritt Gründe aufführen werde, weshalb uns die Sinn-Terminologie in Goodalls Fall und ähnlich gelagerten Situationen eine differenziertere moralische Debatte ermöglicht als das Einbringen von Würde-Gründen.
Warum können Würde-Gründe in moralischen Fragen am Lebensende ein ähnliches Anwendungsspektrum aufweisen wie die von mir vorgeschlagenen Sinn-Gründe, wenn es darum geht, für die Entscheidung der Betroffenen moralisch relevante Gesichtspunkte zu identifizieren? Wir können zur Beantwortung dieser Frage meines Erachtens einmal auf die ontologische Grundlage der Würdeträgerschaft wie auch der Sinn-Gründe verweisen und weiterhin auf strukturelle Ähnlichkeiten hinsichtlich derjenigen Sachverhalte, die die Gehalte eines würde- wie auch eines sinnvollen Lebens ausmachen.
Die nicht-kontingente menschliche Würde beschreibt einen Status, der einem Individuum, also einem Einzelwesen zukommt. Das sinnvolle Leben und die kontingente Würde konstituieren sich demgegenüber über Sachverhalte: Im ersten Fall sind das Tätigkeiten, die sinnstiftend sind, im zweiten Fall Rollenzusammenstellungen oder Haltungen zu Selbstbildern. Wir haben es mithin mit grundverschiedenen Trägern zu tun. Dessen unbeschadet weist die ontologische Grundlage sinnvoller Tätigkeiten wie auch würdevoller Leben und Würdewesen Überschneidungen auf: Gleich welcher Konzeption von (Menschen‑)Würde der Vorzug gegeben wird, ist diese doch gewöhnlich in der einen oder anderen Weise an die Personenhaftigkeit gebunden. Personenhaftigkeit wird wiederum als von zwei ineinander verschränkten Eigenschaften abhängig betrachtet, Selbstbestimmung und praktische Vernunft. Erstere wird typischerweise als personale Autonomie konzeptualisiert; Letztere lässt sich in allgemeiner Form als das Vermögen beschreiben, Gutes als Gutes zu erkennen, häufig in Gestalt normativer Gründe, an denen man sein Verhalten ausrichten kann. Wie immer beide Vermögen näher analysiert werden mögen: Offenkundig spielen sie bei der Gestaltung eines Selbstbildes und dessen Realisierung im Sinne Weber-Guskars ebenso eine wichtige Rolle wie bei der Auswahl von Rollen, aus denen sich eine individuelle „persona“ zusammensetzt, wie dies Ralf Stoecker vorschwebt.11
Eben diese Basis von Befähigungen, wie sie von den geläufigen Theorien der Menschenwürde in der einen oder anderen Weise in Anspruch genommen werden, spielen auch bei der Erzeugung von Sinnhaftigkeit in den Tätigkeiten von Handelnden eine wesentliche Rolle. Besonders deutlich wird das im Falle von Susan Wolfs „reasons of love“, deren Verfolgen sinnvolle Tätigkeiten generiert. Anders als die Bezeichnung suggerieren könnte, ist das Eingehen auf diese Gründe keinesfalls eine rein affektive Angelegenheit: Ihrer berühmten „Hybrid View“ zufolge kollabiert dasjenige, was Wert nicht nur für denjenigen haben darf, der sich dieser Gründe annimmt, um gut für ihn zu sein, keineswegs einfach in dasjenige, was diese Person als wertvoll empfindet; es muss nach Wolf Raum für Irrtum und Rechtfertigung dafür geben, damit dasjenige, was uns als gut erscheint, auch tatsächlich als gut identifiziert werden kann. Da des Weiteren die Dinge, für die wir uns engagieren, immer auch unsere Anteilnahme benötigen, wir uns für sie begeistern müssen in einer Art und Weise, die nicht von außen manipuliert oder von innen erzwungen ist, hat die Ausübung des Vermögens der eigenverantwortlichen Wahl ebenfalls einen festen Platz unter den Bedingungen für Tätigkeiten, die unser Leben sinnvoller machen.12
Neben dem sinnvollen Tätigkeiten wie auch Würdeträgern gemeinsamen Grundstock an Befähigungen sind weiterhin die Gehalte, die ein Leben für seinen Träger sinnvoll machen, nicht selten auch Gehalte, die die Wahrnehmung der eigenen Würde beeinflussen, wie das auch bereits die vorangegangenen beiden Abschnitte nahegelegt haben. Bei Weber-Guskars Begriff von Würde als kontingenter Haltung ist das am augenfälligsten: Wer Tätigkeiten, die das Leben im hier verfolgten Sinne sinnvoll machen, nicht länger ausüben kann, wird gewichtige Brüche im eigenen Selbstbild erfahren, so wie es bei David Goodall offenkundig der Fall ist. Aber auch die nicht-kontingente Würde, wie sie von Ralf Stoecker gedacht wird, kann in Fällen wie dem hier portraitierten betroffen sein: Lässt sich das Unvermögen, wichtige Gehalte des Sinnvollen zu realisieren, nicht mehr durch andere Rollen substituieren, da die mit dem Alter einhergehenden Gebrechen eine entsprechende Neurorientierung unmöglich machen, droht eine Verletzung des nicht-kontingenten Würde-Anspruchs. Wird also Goodall in seinem gegenwärtigen Zustand, in dem es ihm unmöglich ist, noch irgendeine für ihn befriedigende Zusammenstellung von Rollen für sich als Person vorzunehmen, mit der Hilfe zum Suizid der für ihn einzig gangbare Ausweg verwehrt, diesen für ihn sinnlosen Zustand zu beenden, könnte dies als Verletzung seines Würdeanspruchs gewertet werden.

Würde und Sinn: Unterschiede

Soweit der Aufweis von Überschneidungen zwischen Würde- und Sinn-Gründen, die erklären helfen, weshalb beide Arten von Gründen für bestimmte Gesichtspunkte in Fällen wie demjenigen von David Goodall einschlägig sind. Nun zur Frage, wie mit diesem Ergebnis umgegangen werden soll: Ist das Vorbringen von Sinn-Gründen überflüssig und führt im schlimmsten Fall zur Verdopplung von Gründen, wenn dieselben Gesichtspunkte in derselben Weise in unser ethisches Überlegen eingespeist werden? Oder haben wir es hier mit ganz verschiedenen Gründen zu tun, die dieselbe Berechtigung haben? Und welche Rolle spielen sie im Fall von David Goodall?
Beginnen wir mit der nicht-kontingenten Würde, wie sie von Ralf Stoecker verteidigt wird. Ihr zufolge besteht ein Anspruch, nicht in einen Zustand gebracht oder darin belassen zu werden, in dem es uns unmöglich wird, eine selbstgewählte Zusammenstellung von Rollen zu einer eigenen persona zusammenzufügen. Goodall könnte nun genau einen solchen Anspruch im Blick haben, wenn er ein Sterben in Würde einfordert angesichts des Umstandes, dass ein Leben in Würde seines Erachtens nicht länger für ihn möglich ist. Dabei fällt zum einen auf, dass diesen Gründen im Unterschied zu Sinn-Gründen eine zwingende moralische Relevanz zukommt, die noch dazu in kaum überbietbarer Weise zum Handeln anleitet, indem sie annähernd „absolute“ Pflichten generiert: Wenn etwas jemandes Menschenwürde zu kompromittieren droht, dürfte es keine bis wenige Möglichkeiten geben, sich zur Verfügung stehenden Maßnahmen, die ihrem Schutz dienen, zu entziehen.13 Gleiches lässt sich für Sinn-Gründe nicht sagen. Sicherlich sollte es uns kümmern, wenn jemand in seinem Leben empfindliche Sinn-Einbußen zu verkraften hat; aber inwieweit uns das nicht allein moralische Gründe an die Hand gibt, sondern uns moralisch verpflichtet, und auch für was genau es uns verpflichtet oder zumindest zum Handeln auffordert, ist dabei nicht ausgemacht. Bei einer Verletzung der nicht-kontingenten Würde ist zumindest ein grundlegender Teil des moralischen Status ihres Trägers in Frage gestellt, und die moralische Relevanz damit zu einem guten Teil vorgegeben, was die weitere Debatte in einer Art und Weise abschließt, wie das bei Sinn-Gründen nicht der Fall sein kann. Natürlich kann auch beim Vorbringen von Würde-Gründen in Frage gestellt werden, ob eine Würde-Verletzung vorliegt; aber die Entscheidung darüber verlangt die Diskussion von Gesichtspunkten, die auf andere Arten von Gründen abstellen – etwa Sinn-Gründe –, um zu fragen, ob diese im gesetzten Fall eine Würdeverletzung (mit-)konstituieren. So wäre im vorliegenden Fall zu fragen, ob neben den Wohlergehens- und Autonomie-Einschränkungen, die Goodall zu verkraften hat, der Sinnverlust, der sich aus seinem Unvermögen ergibt, sich nach Wegfall seiner bisherigen Lebensanker noch für irgendetwas begeistern zu können, einen Beitrag dafür leistet, eine auf den Menschenwürde-Anspruch gestützte Forderung nach Hilfe zum Sterben zu begründen.
Diese Überlegung leitet über zu einem weiteren, damit verbundenen Punkt. Ich sagte gerade, dass Sinn-Gründe in Goodalls Fall plausiblerweise zusammen mit anderen Gründen, die Bereiche des guten Lebens betreffen (etwa Gründe des Wohlergehens), für die Entscheidung moralischer Fragen relevant sind. Wenn diese anderen Gründe aber prinzipiell ebenfalls in Fragen der Würde-Verletzung eingehen können, dann ist die Reichweite für Würde-Gründe größer als diejenige von Sinn-Gründen. Denn es erscheint plausibel, dass auch gesundheitliche Gebrechen, die Goodalls Tätigkeiten an Theater und Universität nicht einschränken würden, Einfluss auf seinen Würdestatus nehmen können. Nehmen wir an, er entwickle eine tödliche Krebserkrankung, die gegenwärtig keiner seiner Aktivitäten ein Ende setzen würde, sein Wohlergehen aus Angst vor späteren Schmerzen aber schon heute empfindlich herabsetzt. Vielleicht wäre für ihn dieses angstvolle Leben mit seinem Selbstbild unvereinbar und würde ihm die Möglichkeit rauben, seinen Beschäftigungen länger ruhigen Mutes nachzugehen. Damit würde hier eine Würdeverletzung durch Einbußen des Wohlergehens konstituiert, ohne dass es Goodalls Leben an Sinn mangeln würde: Sein Engagement für die von ihm geschätzten Tätigkeiten mag nach wie vor groß sein, es wird aber überlagert durch die Furcht vor dem weiteren Verlauf seiner Erkrankung.
Allerdings gilt auch umgekehrt: Nicht jeder Sinn-Grund ist ein Würde-Grund im Spiegel der hier vorgestellten Theorien. Nehmen wir dafür eine neuerliche Variation von Goodalls Fall: Ohne jedes Gebrechen und ohne jede Erkrankung verliert er plötzlich einfach jegliches Interesse an seinen bisherigen Aktivitäten; er ist der Auffassung, jetzt genug geleistet und erlebt zu haben und will nicht mehr weitermachen. Sein Satz „I have had a good life“ meint dann „Es ist genug.“ Diesen Zustand der Lebenssattheit, die ihm das Leben nicht länger als sinnvoll erscheinen lässt, ist nun aber evidenterweise nicht mit einem Zusammenbruch seiner persona verknüpft; im Gegenteil ist damit unter Umständen sogar die Erfüllung dessen markiert, was er im Leben erreichen wollte.
Zwischenfazit: Sinn-Gründe unterscheiden sich von Würde-Gründen darin, dass sie nicht denselben moralischen Absolutheitsanspruch mit sich führen, was moralisch differenziertere Ergebnisse ermöglicht in Fällen, in denen Einbußen in der Sinndimension des guten Lebens für Personen moralisch relevant werden. Zudem stehen Sinn-Gründe zu Würde-Gründen in einer fakultativen konstitutiven Beziehung: Sinn-Gründe können Bestandteil von Würde-Gründen sein, aber auch moralisch für sich selbst sprechen und in entsprechenden Situationen eingebracht werden.
Kommen wir nun zu der kontingenten Form von menschlicher Würde, wie sie Weber-Guskar vertritt. Eine Würde, die als Haltung zu sich selbst charakterisiert wird und das gute Leben ihrer Inhaber befördert, bringt anders als ihr nicht-kontingentes Gegenstück keinen moralischen Absolutheitsanspruch mit sich: Tatsächlich differenziert Weber-Guskar explizit zwischen leichten und schweren Würdeverletzungen (vgl. Weber-Guskar 2017), so dass sich hier ebenso wie bei Sinn-Gründen die volle Bandbreite moralischer Gründe finden lässt. Anders als bei der nicht-kontingenten Würde sind auch Würdeverletzungen denkbar, die keine moralische Relevanz aufweisen – ganz wie das auch bei Verlust von Sinn möglich ist. In dieser Hinsicht weist Weber-Guskars (wie auch Ralf Stoeckers) kontingente Würdekonzeption keinen Unterscheid zu Sinn-Gründen in dem hier charakterisierten Sinne auf.
Wenn geringe Verletzungen aber auch keine moralische Relevanz aufweisen – ein Beispiel Weber-Guskars ist der Wissenschaftler, der es für unter seiner Würde hält, in einer TV-Talkshow mit Esoterikern zu diskutieren –, sind sie doch immer noch mehr oder minder bedeutsam für das Individuum: Eben das ist der Grund dafür, dass Weber-Guskar das würdevolle Leben als zentral für das gute Leben auffasst, um ihre eigene Konzeption auch in dieser Hinsicht von anderen Würde-Ansätzen abzugrenzen, die Würde als moralischen Status und nicht als Dimension des guten Lebens ihrer Träger begreifen. Aber welchen Bestandteil meines guten Lebens beschreibt das würdevolle Leben, und wie verhält sich dieser zu dessen Sinndimension?
Offenkundig scheint gemäß der drei vorherigen Abschnitte zu sein, dass Gehalte des sinnvollen Lebens in mein Selbstbild eingehen können; Weber-Guskar zieht allerdings dort eine Grenze, wo derartige Gehalte aufhören, „zentral“ für das Selbstbild zu sein. Und plausiblerweise ist es nach der hier verfolgen Sinnkonzeption zwar gut möglich, dass viele meiner Tätigkeiten mehr oder minder zentral in diesem Sinne sind; aber es dürfte auch genügend Handlungen geben, bei der man mit Liebe Dinge tut, die nicht nur für einen selbst gut sind, ohne dass sie einen stark berühren würden, wenn man etwa im Frühjahr routinemäßig seinen Garten bestellt.14
Sinngehalte überlappen sich also mit Gehalten des würdevollen Lebens nur zu einem Teil; tatsächlich scheint es auch umgekehrt plausibel, dass nicht alle Gehalte, die zentral für ein würdevolles Leben bei einem Individuum sind, auch gleichzeitig als Bestandteile des sinnvollen Lebens gelten können. Nehmen wir zwei Bestandteile von Selbstbildern, wie sie für viele Menschen zentral sein dürften: Das Bestreben, ausreichend Genuss im eigenen Leben zu finden, sowie das Ziel, sich bis ins hohe Alter gesund zu erhalten. Beides sind Dinge, die einzig für den Träger von Gesundheit und Genuss gut sein müssen, um gut für ihn zu sein; damit scheinen sie Selbstbild-Bestandteile zu sein, die uns gemäß des normativen Gehalts, den diese Ziele als Selbstbild-Bestandteile aufweisen, Gründe an die Hand geben, ausreichend Genuss zu suchen und sich gesund zu erhalten. Allerdings wären das keine Sinn-Gründe nach der hier gewählten Terminologie, sondern Wohlergehens-Gründe.
Dieser Befund – Sinn-Gründe und Würde-Gründe fallen auseinander, da nicht alle Sinn-Gründe Würde-Gründe sind und umgekehrt – hat Konsequenzen für Fälle wie demjenigen von David Goodall: Denn wie zu Beginn bemerkt, liegt die moralische Problematik in solchen Situationen nicht zuletzt darin, dass wichtige Wohlergehensgüter wie die Gesundheit des Betreffenden in offenbar nicht-kritischer Weise in Mitleidenschaft gezogen sind, während auf dem Feld der Sinn-Gründe das wahre Problem zu liegen scheint. Und in den angesprochenen Fällen von Lebenssattheit verschiebt sich diese Gewichtung weiter: Hier spielen Wohlergehens-Gründe ex hypothesi keine große Rolle, Sinn-Gründe dagegen schon.
Aus der Perspektive von Würde-Gründen, wie sie Weber-Guskars Theorie kontingenter Würde erläutert, muss allein das Infragestellen von Sinn-Gründen gegenüber Wohlergehens-Gründen merkwürdig erscheinen: Wenn es grundsätzlich einfach darauf ankommt, ob und wie zentral ein als moralisch relevant bestimmter Gegenstand eines Selbstbildes für dessen Träger ist, kann zwischen dem Sterbewunsch aufgrund einer unheilbaren, bald den sicheren Tod herbeiführenden Krankheit und wichtigen Tätigkeiten, die mein Leben mit Sinn erfüllen, qualitativ nicht unterschieden werden.15 Und vielleicht ist eine solche Unterscheidung nach der richtigen Theorie kontingenter Würde auch hinfällig; so oder so aber sollte man erklären können, weshalb wir geneigt sind, Sterbewünsche, die nicht mit (oder in Erwartung von) zentralen Wohlergehenseinbußen begründet werden, eine andere Gewichtung beizumessen, als solchen, die auf Sinn-Gründen basieren.
Tatsächlich ist es je nach Theorie der Sinn-Gründe ja auch keineswegs ausgeschlossen, dass sie die gleiche oder sogar eine höhere Gewichtung erfahren sollten: Einige der oben angesprochenen Standard-Beispiele für Leben mit herausragendem Sinngehalt – Vincent van Gogh oder Mutter Teresa – stellen sich wie angemerkt gerade als Biographien dar, deren Protagonisten offenkundig demjenigen, was ihr Leben mit Sinn erfüllte, eine viel höhere Wertigkeit zuwiesen als ihrem Wohl. Dennoch wird man kaum sagen können, dass dieser Fokus ihr Leben im Ganzen auch für sie schlecht gemacht hätte; das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Dann aber lässt sich natürlich umgekehrt auch die Frage stellen, weshalb ein Leben nicht in der Gesamtschau als nicht länger lebenswert ausfallen kann, wenn dessen Sinngehalt bei positiv bewerteten Wohlergehen zu stark abfällt.

Fazit

Wie ich gezeigt habe, weisen Würde-Gründe einige interessante Gemeinsamkeiten zu Sinn-Gründen auf. So ist es nicht verwunderlich, dass sich zunächst zwischen beiden deutliche Überlappungen bei der Identifizierung moralisch relevanter Gesichtspunkte in medizinethischen Fragen ergeben, wie sie sich etwa am Ende des Lebens stellen. Dessen ungeachtet sind ihre Anwendungsbereiche doch verschieden: Gründe der nicht-kontingenten Würde betreffen den moralischen Status eines Wesens, Gründe des Sinns decken einen Teil des guten Lebens ab, das der Betroffene führt oder geführt hat. Als Bestandteil des moralischen Status erfolgt dessen Verletzung wenigstens typischerweise über Schädigungen, die das Individuum in den verschiedenen Dimensionen seines guten Lebens erfährt, sei es auf dem Gebiet der Wohlergehens-Gründe, der Autonomie-Gründe, oder eben auch der Sinn-Gründe. Umgekehrt wird nicht jede Schädigung im Bereich des sinnvollen Lebens, selbst wenn diese moralisch relevant ausfällt, auch mit moralischen Normen verknüpft sein, die wie im Fall einer Verletzung der Menschenwürde kaum durch andere moralische Normen überwogen werden können.
Demgegenüber lässt sich die kontingente Form menschlicher Würde, wie sie von Weber-Guskar konzeptualisiert wird, zunächst ebenfalls auf der Ebene des guten Lebens verorten. Da sie jedoch einzig zentrale Bestandteile des eigenen Selbstbilds enthält, fällt die Reichweite der so abgesteckten Würde-Gründe gleichzeitig weiter und enger aus als das Spektrum der Sinn-Gründe: Auch Wohlergehensschädigungen können mein Selbstbild empfindlich treffen und mir Gründe geben, mich in meiner Würde verletzt zu fühlen; gleiches gilt jedoch nicht für Sinnverluste, die mein Selbstbild in weniger gravierenden Weisen einschränken, aber natürlich dennoch zum Dagegensteuern einladen können. Auch hier konnte aufgezeigt werden, weshalb Sinn-Gründe gegenüber den Würde-Gründen in Fällen wie demjenigen von David Goodall den Primat erhalten sollten: Denn was einen im moralischen Sinne „zentralen“ Einschnitt in das eigene Selbstbild ausmacht, lässt sich nicht unabhängig davon klären, in welcher Weise das Selbstbild verletzt oder geschädigt worden ist, und spätestens an dieser Stelle wird der Rekurs auf die weitergehenden Sinn-(oder Wohlergehens-, oder Autonomie‑)Gründe unvermeidlich.
Eine genauere Erörterung der moralischen Relevanz solcher Sinn-Gründe für die kontingente wie nicht-kontingente Form menschlicher Würde wird freilich ohne eine genauere Spezifizierung der zugrunde liegenden Sinntheorie nicht zu leisten sein; hiermit ist eine erste weiterführende Forschungsfrage formuliert, um nach dem geklärten Verhältnis der hier betrachteten Würde-Gründe zu Sinn-Gründen auch das zweite Relatum durch konkrete Theorien weiter zu spezifizieren. Eine zweite offene Frage betrifft den Anwendungsbereich des hier beschriebenen Zusammenspiels zwischen Würde-Gründen und Sinn-Gründen: Der Fasslichkeit halber bin ich hier von einem konkreten Fall aus der Debatte um den assistierten Suizid ausgegangen, doch gibt es weitere offenkundige Problemfelder der Medizinethik, bei denen eine Prüfung des Verhältnisses beider Gründe-Arten aufgrund ähnlicher Ausgangslagen geboten erscheint.
Ein Bereich betrifft die Frage nach der moralischen Problematik biomedizinischen Enhancements, ein weiterer die moralische Bewertung von aus nicht-medizinischen Gründen vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüchen. In beiden Debatten stützen sich vor allem Befürworter dieser Praktiken auf Argumente, die nicht exklusiv Wohlergehens-Gründe zum Gegenstand haben; gleichzeitig lassen sich hier unschwer Gesichtspunkte ausmachen, die auf ein kontingentes wie auch nicht-kontingentes Würdeverständnis abstellen: wenn etwa ein Prüfling für sein medizinisches Abschlussexamen konzentrationsfördernde und angstsenkende Medikamente benötigt, der Arztberuf dabei bedeutsam für sein Selbstbild ist und ein Ziel, was ihn seit Jahren auch aufgrund seines Familienhintergrundes zentral geleitet hat; oder wenn eine junge Frau ein Kind erwartet, sich aber selbst nie als Mutter gesehen hat, sondern zunächst eigentlich ihre berufliche Karriere verfolgen wollte. Hier liegt die Verbindung zwischen Würde und sinngebenden Tätigkeiten offen zu Tage, und ähnlich wie in der Diskussion um den assistierten Suizid stellt sich die Frage, wie sich solche Sinn-Gründe normativ gegenüber Gründen des Wohlergehens verhalten, auf die in medizinischen Kontexten vergleichsweise unproblematisch zugegriffen werden kann.

Danksagung

Für wertvolle Anregungen zu diesem Beitrag danke ich den beiden anonymen Gutachtern dieses Artikels sowie Wolfram Gobsch, Roland Kipke, Philipp Schwind und den Teilnehmenden einer Kolloquiumssitzung an der Universität Zürich im April 2021.

Förderung

Vorarbeiten an diesem Artikel wurden durch Gelder ermöglicht, die mir über meine Anstellung vom Schweizer Nationalfond (SNF) gewährt worden sind (Fördernummer: 100015_163111).

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

S. Muders gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Ethische Standards

Für diesen Beitrag wurden vom Autor keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Fußnoten
1
Vgl. Joseph und Magra (2018).
 
2
Vgl. zur Begründung dieses Primats und seiner näheren Ausgestaltung Halbig (2020).
 
3
Zur näheren Ausdifferenzierung von Wohlergehen als lediglich einer Dimension des guten Lebens vgl. Muders und Rüther (2016a).
 
4
Vgl. für diese Form von Autonomie und weitere, die davon abgegrenzt werden können, Darwall (2006).
 
5
Vgl. für eine neuere Übersicht über die Geschichte des Menschenwürdebegriffs Schaber (2012, Kap. 1).
 
6
Vgl. für einige kritische Rückfragen an beide Autoren Muders (2018a) und Muders (2019a).
 
7
Vgl. die Aufsätze in Muders (2017).
 
8
Für eine ausführlichere Erörterung von Wohlergehen und Sinn als Weisen, ein gutes Leben zu führen, vgl. Muders und Rüther (2016b).
 
9
Ausnahmen davon sind Moraltheorien, die moralische Gründe mit Gründen des Eigeninteresses verknüpfen, wie das einige Kontraktualisten wie Peter Stemmer tun, vgl. Stemmer (2000). Allerdings unterscheiden auch diese Theoretiker zwischen dem unmittelbaren und dem aufgeklärten Eigeninteresse; auch sie haben damit die Mittel, Gründe der Moral jedenfalls von einer bestimmten Gruppe eigeninteressierter Gründe zu unterscheiden.
 
10
Zu Frankfurts „Gründen der Liebe“ vgl. Frankfurt (2004) und vgl. etwa Wolf (2010) für ihre Bezugnahme darauf.
 
11
Auch wenn Stoecker in 2019 (2019, S. 287) die „Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft“ als Kriterium für Menschenwürde nennt – freilich ohne deutlich zu machen, wie sich das genau operationalisieren lässt, vgl. zur Kritik an solchen Ansätzen Muders (2019b) –, vertritt er in Stoecker (2004) doch eine Würdegrundlage im hier genannten Sinn, indem er Selbstachtung als die der Würde zugrunde liegende Eigenschaft identifiziert – eine Form von Wertschätzung, die eben die gerade genannten Befähigungen voraussetzt.
 
12
Auch Metz (2013) baut die genannten Befähigungen als konstitutive Bedingungen in das zentral von ihm verfochtene Prinzip zur Steigerung von Sinn ein: „[O]ne’s life is more meaningful, the more one contours one’s rational self […] toward fundamental objects, i.e., conditions of human life that are largely responsible for many of its other conditions“ (Metz 2013, S. 13). Dabei hält er dafür, dass Vernunft oder Rationalität „is [particularly] manifested in autonomous decision-making“ (Metz 2013, S. 227).
 
13
Vgl. zu Überlegungen, in welcher Weise Menschenwürde mit „absoluten“ Normen verknüpft ist, Muders (2020).
 
14
Auch bei Stoecker sollte man den von ihm aufgenommenen Begriff der Rolle nicht so lesen, dass alles, was man freiwillig und willentlich tut, immer schon eine Rollenzusprechung beinhaltet, will man den Begriff nicht überstrapazieren. Um an das obige Beispiel anzuknüpfen, hat der begeisterte Hobbygärtner für sich vielleicht ebendiese Rolle mit seiner persona verknüpft, während der Sinn, den man bei einem eigentlich nicht geplanten Sonntags-Museumsbesuch beim Betrachten der ausgestellten Gemälde erhält, sicher nicht mit einer „Rolle“ verknüpft ist.
 
15
Vgl. hierzu die Argumentation in Weber-Guskar (2020); tatsächlich würde ich dafür halten, dass das von ihr vorgeschlagene Würde-Kriterium hilfreich ist im Zusammenspiel mit dem normativen Gewicht, den Sinn-Gründe etwa gegenüber Wohlergehens-Gründen aufweisen sollten. Ob es reicht, in diesen Fällen die Erlaubtheit eines assistierten Suizids zu begründen, wie das Weber-Guskar annimmt, wage ich zu bezweifeln. Vgl. für eine in eine ähnliche Richtung abzielende Meinung Stoecker (2017).
 
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Metadaten
Titel
Das sinnvolle und das würdevolle Leben in der Medizinethik
verfasst von
Dr. Sebastian Muders
Publikationsdatum
08.09.2021
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Ethik in der Medizin / Ausgabe 4/2021
Print ISSN: 0935-7335
Elektronische ISSN: 1437-1618
DOI
https://doi.org/10.1007/s00481-021-00649-8

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