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Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 4/2022

Open Access 21.09.2022 | Übersicht

Das spezifische Ansprechbarkeitsprinzip in der Behandlung delinquenter Personen

verfasst von: Elisabeth Stück, M. Sc. Psych., Dr. phil. Franziska Brunner, Dipl.-Psych.

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 4/2022

Zusammenfassung

Das Risk-Need-Responsivity(RNR)-Modell erweist sich in der Behandlung straffällig gewordener Menschen als effektives Modell zur Reduktion der Rückfälligkeit für erneute Straftaten. Um eine individuelle Behandlung mit größtmöglicher Effektivität zu planen, sollen neben den Risikofaktoren v. a. auch die spezifischen Ansprechbarkeitsfaktoren (SAF) sorgfältig erfasst werden. Das spezifische Ansprechbarkeitsprinzip fordert eine klient:innenorientierte Flexibilität bei der Umsetzung der Behandlung und dem Umgang mit individuellen Behandlungsbarrieren. Dabei steht das Prinzip häufig in der Kritik, nicht ausreichend erforscht zu sein und in der Praxis selten berücksichtigt zu werden. Dieses Review bietet einen aktuellen Überblick über klient:innenbezogene SAF und soll Kliniker:innen dabei unterstützen, die SAF ihrer Klient:innen zu identifizieren, um die Behandlung daran anzupassen oder sie gezielt zu adressieren. Dabei unterstreicht dieser Artikel einmal mehr die Bedeutung, aber auch die Komplexität der Operationalisierung von SAF und den Umgang mit ihnen in der Behandlung und Forschung.

Hintergrund

Seit über 30 Jahren ist das Risk-Need-Responsivity(RNR)-Modell (Bonta und Andrews 2017) ein etabliertes theoretisches Modell bei der Behandlungsplanung und -durchführung straffällig gewordener Menschen und erzielt über verschiedene Metaanalysen hinweg moderate kriminalpräventive Effekte (Wormith und Zidenberg 2018). Die drei Kernprinzipien des RNR-Modells definieren, wer, was und wie behandelt wird. Laut Risikoprinzip („risk“) soll sich die Intensität der Behandlung, also das zeitliche Ausmaß, der Umfang der Therapiemaßnahmen, evtl. zusätzliche medikamentöse Behandlungen oder Sicherheitsmaßnahmen, an der Höhe des Rückfallrisikos orientieren. Laut Bedürfnisprinzip („need“) soll die Behandlung an den individuellen kriminogenen Bedürfnissen der Klient:innen ansetzen, die mit kriminellem Verhalten in Verbindung gebracht werden (auch dynamische Risikofaktoren genannt). Das dritte Prinzip unterteilt sich in das allgemeine und das spezifische Ansprechbarkeitsprinzip („general und specific responsivity“). Laut allgemeinem Ansprechbarkeitsprinzip soll die Behandlung auf nachweislich wirksamen kognitiv-behavioralen Ansätzen und Strategien des sozialen Lernens basieren. Das spezifische Ansprechbarkeitsprinzip verlangt darüber hinaus eine individuelle Behandlungsplanung. Demnach soll die Behandlung so gestaltet werden, dass sie zu den individuellen Lernstilen und -fähigkeiten, den kognitiven Stilen und der Persönlichkeit der Klient:innen passt, und in einer Art und Weise angeboten werden, die das Ansprechen auf den Behandlungsprozess maximiert (Bonta und Andrews 2017).
Spezifische Ansprechbarkeitsfaktoren (folgend SAF) sind definiert als individuelle Merkmale, die nicht direkt als Risikofaktoren gelten, aber das Ansprechen der Klient:innen auf die Behandlung behindern können, wenn sie nicht ausreichend berücksichtigt werden (Bonta und Andrews 2017). Empirische Befunde und Metaanalysen untermauern diese theoretische Annahme dahingehend, dass sich eine steigende Anzahl von SAF negativ auf das Erreichen der Behandlungsziele wie die Reduktion des Rückfallrisikos sowie das planmäßige Beenden der Behandlung auswirkt (Hubbard and Pealer 2009; Stewart et al. 2015; O’Brien und Daffern 2016). Zudem konnte ein positiver Zusammenhang zwischen der Anzahl der SAF und dem Rückfallrisiko gezeigt werden (Cohen und Whetzel 2014). Folglich scheint die Berücksichtigung von SAF entscheidend für eine effektive Behandlung und eine essenzielle Voraussetzung dafür, dass die Klient:innen den maximalen therapeutischen Nutzen aus der Behandlung ziehen. Das spezifische Ansprechbarkeitsprinzip fokussiert, wie die Behandlung aufgrund der als SAF identifizierten individuellen Merkmale angepasst werden muss, damit die Behandlung effektiv ist (und beinhaltet demnach nicht, was bzw. welche Risikofaktoren behandelt werden sollen).
In Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass die stärksten Prädiktoren für Behandlungsabbrüche von straffällig gewordenen Menschen auf das Ansprechbarkeitsprinzip zurückzuführen sind (Olver et al. 2011), und dass sich die Wahrscheinlichkeit einer planmäßig beendeten und effektiven Behandlung (im Sinne einer Reduktion des Rückfallrisikos) erhöht, je mehr RNR-Prinzipien eingehalten werden (Hanson et al. 2009). Gleichwohl das Ansprechbarkeitsprinzip eindeutig als drittes Kernprinzip des RNR-Modells für die effektive Behandlung straffällig gewordener Menschen identifiziert wurde (Bonta und Andrews 2017), herrscht nach wie vor Uneinigkeit darüber, wie das Prinzip zu definieren ist, und welche Faktoren zugeordnet werden. Im Zuge dessen steht das Prinzip in der Kritik, in der Praxis nicht ausreichend berücksichtigt zu werden (Schmidt 2019). Die internationalen Übersichtsarbeiten, die das Ansprechbarkeitsprinzip berücksichtigen, sind mittlerweile veraltet (z. B. Harkins und Beech 2007; Hubbard und Pealer 2009; Looman et al. 2005). Aktuelle und umfangreiche deutsche Übersichten sind den Autorinnen nicht bekannt. Dieser Artikel hat daher zum Ziel, nicht nur die Relevanz, sondern auch die Vielfältigkeit des spezifischen Ansprechbarkeitsprinzips darzustellen und Kliniker:innen und Forscher:innen einen aktuellen Überblick über klient:innenbezogene SAF, die in nationaler und internationaler Literatur diskutiert werden, zu bieten.

Methode

Das Ansprechbarkeitsprinzip ist Teil des vielfach zitierten RNR-Modells, weshalb es bei der Suche danach in der verwendeten Datenbank PsycINFO und der Suchmaschine GoogleScholar eine Vielzahl unspezifischer Treffer gibt. Da in den meisten Artikeln lediglich das Risiko- und/oder Bedürfnisprinzip bzw. das RNR-Modell i. Allg. behandelt werden, werden in der vorliegenden Arbeit SAF in einem narrativen Review (Ferrari 2015) zusammengetragen und diskutiert. Dabei erfolgte die iterative Recherche in folgenden Schritten:
Unspezifische Recherche nach Studien, die sich gezielt auf SAF beziehen (und nicht auf das RNR-Modell i. Allg.) mit den Suchbegriffen delinquen* und offend* bzw. straftäter* und straffällig* in Kombination mit responsiv*, responsivity principle und responsivity factor* bzw. ansprechbarkeits*prinzip und *faktoren.
Spezifische Recherche nach aktuellen Studien zu den SAF, die bereits in früheren Übersichtsarbeiten genannt wurden (vorwiegend orientiert an Bonta und Andrews 2017; Hubbard und Pealer 2009; Looman et al. 2005) mit den jeweiligen SAF als Suchbegriff in Kombination mit den in Schritt 1 genannten Suchbegriffen.
Manuelles Screening der in den Schritten 1 und 2 gefundenen Studien nach weiteren SAF, die in den Studien selbst untersucht oder diskutiert werden, dann manuelle Recherche nach den dazu zitierten Quellen, anschließend Wiederholung von Schritt 2 mit diesen SAF.
Manuelles Screening der Studien, die die in den Schritten 1, 2 und 3 gefundenen Quellen zitiert haben (angezeigt bei Google Scholar). Gegebenenfalls anschließend erneut Schritt 2, wenn in diesen Studien weitere SAF untersucht oder diskutiert werden.
Eingeschlossen werden deutsch- und englischsprachige Fachartikel und Buchbeiträge, die zwischen 2005 (Erscheinungsjahr der Übersichtsarbeit von Looman et al. 2005) und 2022 publiziert wurden und die jeweiligen Faktoren explizit als SAF untersuchen bzw. diskutieren.

Zusammenfassung des Forschungsstandes

Die SAF werden im Folgenden vorgestellt und von den Autorinnen in 4 Kategorien unterteilt: (1) biografische Faktoren; (2) motivationale und intrapersonelle Faktoren; (3) interpersonelle Faktoren und soziale Kompetenzen beschreiben Faktoren des direkten Umgangs mit anderen; (4) psychische Belastungen und Einschränkungen als SAF umfassen den psychischen Gesundheitszustand und dessen Stabilität, inkl. akuter und vergangener psychopathologischer Belastungen (Abb. 1).

Biografische Ansprechbarkeitsfaktoren

Die Anzahl der SAF kann in Abhängigkeit vom Alter der Klient:innen variieren (Cohen und Whetzel 2014; von Franqué und Briken 2021). Das Alter wird dabei stellvertretend für Unterschiede in der entwicklungsbezogenen und kognitiven Reife verstanden (Bonta und Andrews 2017; Cohen und Whetzel 2014; Higley et al. 2019). Ein Mangel an kognitiver Reife kann mit der mangelnden Fähigkeit einhergehen, die Notwendigkeit zu sehen, antisoziales Verhalten zu ändern, um negative Auswirkungen auf die Zukunft abzuwenden. Behandlungsgruppen in Abhängigkeit von Alter bzw. kognitiver Reife der Klient:innen einzuteilen, wird kontrovers diskutiert: Einerseits könnten sich in gemischten Altersgruppen Klient:innen positiv beeinflussen (Modelllernen; von Stärken der anderen profitieren), andererseits können bei „unreiferen“ Klient:innen mehr Motivationsarbeit und das Aufzeigen der Notwendigkeit zur Veränderung im Vordergrund stehen, was die Motivation der „reiferen“ Klient:innen negativ beeinflussen kann (Looman et al. 2005).
Auch das Geschlecht (engl. „gender“) und geschlechterspezifische Themen sollten bei der Ausrichtung der Behandlung berücksichtigt werden: Zum einen weisen Frauen häufig mehr SAF auf als Männer (beispielsweise schwerwiegende Missbrauchserfahrungen, komplexe psychische Erkrankungen; Cohen und Whetzel 2014; Wright et al. 2012). Zum anderen scheinen die gleichen kognitiv-behavioralen Behandlungsangebote bei Frauen wirksamer zu sein als bei Männern (Hubbard 2007). Zudem wird kritisiert, dass straffällig gewordenen Frauen oftmals Behandlungsprogramme angeboten werden, die für Männer entwickelt und an Männern evaluiert wurden (Palmer et al. 2015; Wright et al. 2012). Für eine Behandlung, orientiert am Ansprechbarkeitsprinzip, könne eine geschlechtsspezifische Sensibilität der Behandler:innen durch Schulungen gezielt gefördert werden (Bonta und Andrews 2017; Wright et al. 2012). Bonta und Andrews (2017) empfehlen bei der Behandlung von Frauen, auf ihren Stärken aufzubauen und Sicherheit, gegenseitigen Respekt und das Gefühl der Verbundenheit zu fokussieren. Einen aktuellen Überblick über vielzählige geschlechterspezifische Behandlungsprogramme bietet Van Voorhis (2022).
Ein Mangel an Sprachkenntnissen (bzw. Dolmetschern) kann zudem zu Kommunikationsproblemen und Diskriminierungen innerhalb des Vollzugs führen, was die Möglichkeit beeinflussen kann, überhaupt an der Behandlung teilzunehmen und die Inhalte zu durchdringen (Bonta und Andrews 2017; Iversen et al. 2013; Olver und Stockdale 2021).
Kulturelle Werte- und Normensysteme können SAF darstellen, die sich u. a. in Lebensweisen, Einstellungen, Traditionen, Geboten oder Verboten innerhalb einer (Sub‑)Kultur oder (Religions‑)Gemeinschaft widerspiegeln (Bonta und Andrews 2017; Di Placido et al. 2006; Looman et al. 2005). Die Berücksichtigung der kulturellen Identität bietet den Behandler:innen in vielen Fällen einen Zugang zu tief verwurzelten Einstellungen, Werten und Normen der Klient:innen. Aufgrund der unterschiedlichen SAF zwischen verschiedenen ethnischen und kulturellen Gruppen (Cohen und Whetzel 2014), dem höheren Risiko für einen Behandlungsabbruch von Zugehörigen ethnischer Minderheiten (Olver et al. 2011; Olver und Stockdale 2021) trotz der aufgrund von Akkulturationsprozesse besonders ausgeprägten Belastungen und Bedarfe (Braig et al. 2020) wird eine gezielte Weiterbildung der Behandler:innen hinsichtlich kultureller Sensibilität und Diversität gefordert (Olver und Stockdale 2021; Turhan 2020; Schmidt und Ward 2021; von Franqué und Briken 2018). Gleiches gilt für Minoritätserfahrungen der Klient:innen, erlebte Diskriminierung und Stigmatisierung jeglicher Art, beispielsweise aufgrund von erlebtem Rassismus oder Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder körperlicher Besonderheiten (von Franqué und Briken 2018).
Da viele der in diesem Artikel genannten SAF in Abhängigkeit von der Deliktart gehäuft auftreten können, kann auch die Art des Delikts Hinweise auf spezifische Behandlungsbesonderheiten geben: beispielsweise hinsichtlich erlebter und gelebter Ausgrenzung und Gewalterfahrung in Haft (Hartenstein et al. 2017), der Ausprägung sozialer Ängstlichkeit und depressiver Symptome (Jung und Dowker 2016), der Intelligenz bzw. kognitiven Reife (Cantor et al. 2005; Guay et al. 2005) sowie des Alkohol- und Drogenkonsums (Jung und Dowker 2016; Sutherland et al. 2015).

Motivationale und intrapersonelle Ansprechbarkeitsfaktoren

Mangelnde Behandlungs- und Veränderungsmotivation ist einer der am meisten untersuchten SAF und geht verstärkt mit Behandlungsverweigerung, -abbruch und eingeschränkter Wirksamkeit einher (Bijlsma et al. 2021; Bonta und Andrews 2017; Higley et al. 2019; Jung und Dowker 2016; Lester et al. 2020; O’Brien und Daffern 2017; Stewart et al. 2015). Dabei sollte der Fokus auf Motivationsarbeit insbesondere bei Hochrisiko‑/Hochbedürfnisklient:innen gelegt werden, da diese im Sinne des Risikoprinzips besonderer Behandlung bedürfen (Bonta und Andrews 2017) und gleichzeitig ein hohes Risiko für Behandlungsabbrüche aufweisen (z. B. Brunner et al. 2019).
Zusätzlich können sich verschiedene Faktoren, die das Erkennen ihrer Notwendigkeit und das Ausarbeiten gemeinsamer Therapieziele erschweren, wie beispielsweise ein eingeschränktes Verständnis der eigenen Risikofaktoren und ein Mangel an realistischen Zukunftsplänen, negativ auf die Behandlungsmotivation auswirken (Bonta und Andrews 2017; Looman et al. 2005; Stewart et al. 2015; von Franqué und Briken 2018, 2021). Gleiches gilt für eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung, also die mangelnde Überzeugung, Probleme aufgrund eigener Kompetenzen lösen zu können und somit selbst zur Veränderung beizutragen (Looman et al. 2005; Bonta und Andrews 2017; Stück et al. 2021). Auch ein geringes Selbstwertgefühl kann die Fähigkeit der Klient:innen beeinflussen, sich beispielsweise im Rahmen von Gruppentherapien zu öffnen (Bonta und Andrews 2017; von Franqué und Briken 2018, 2021). Die frühzeitige Berücksichtigung von Motivation und Selbstwirksamkeitserwartung (z. B. in vorbereitenden Programmen) kann zu kurz- und langfristigen Behandlungserfolgen führen und die Wirksamkeit der eigentlichen Behandlung maßgeblich erhöhen (z. B. Marshall et al. 2008; von Franqué und Briken 2021).
Auch ein prokriminelles soziales Netzwerk, das antisoziale Einstellungen fördert und aufrechterhält, kann sich negativ auf die Behandlungsmotivation auswirken (Bonta und Andrews 2017; Looman et al. 2005; Stewart et al. 2015; von Franqué und Briken 2018). Im Rahmen der Behandlung wird empfohlen, den Kontakt zu prokriminellen Kontakten zu minimieren und den aktiven Kontakt zu Menschen aufzubauen, die prosoziale Denk‑, Gefühls- und Handlungsstile vorleben und verstärken (Bonta und Andrews 2017) – u. a. im Rahmen von Vollzugslockerungen (Stück et al. 2022). Größere soziale Netzwerke können dabei das soziale Kapital der Klient:innen erhöhen, was mit sozialer Unterstützung, reziproken Beziehungen und dem Erreichen bestimmter Ziele, die ohne das soziale Netzwerk nicht erreicht werden könnten, einhergeht (Koetzle und Matthews 2020).
Eine weitere Barriere können Einstellung und Verantwortungsübernahme hinsichtlich der Delikte sein: Während beispielsweise Scham und Schuld hinsichtlich der Straftaten mit einem erhöhten Behandlungserfolg zusammenhängen, gehen Leugnen, Minimieren oder Rechtfertigen der eigenen Delinquenz und kriminellen Vorgeschichte mit vermindertem Behandlungserfolg einher (Bijlsma et al. 2021; Beyko und Wong 2005; Harkins et al. 2015; Looman et al. 2005; O’Brien und Daffern 2017; Watson et al. 2016). Sowohl leugnende als auch einsichtige Klient:innen können von Gruppenbehandlungen profitieren, wobei sich ein zu hoher Anteil an leugnenden Klient:innen negativ auf die Wirksamkeit auswirken kann (Harkins et al. 2015; Watson et al. 2016; Zara et al. 2020). Bei begrenzten Behandlungsressourcen wurde deshalb vorgeschlagen, den leugnenden Klient:innen bei der Behandlungsplanung vorerst eine niedrigere Behandlungspriorität zuzuschreiben (Harkins et al. 2015; Zara et al. 2020). Aufgrund der genannten Befunde, dass durchaus auch leugnende Klient:innen von Behandlungsangeboten profitieren können, sollte dies jedoch im Einzelfall gut abgewogen werden.
Als Faktoren, die die Lernfähigkeit beeinträchtigen können, werden geringes Durchhaltevermögen und mangelnde Fähigkeiten zur Selbstkontrolle diskutiert, die sich in verschiedenen Bereichen äußern können (z. B. Aufmerksamkeit, Frustrationstoleranz, Impulskontrolle, Affektregulierung; Looman et al. 2005; von Franqué und Briken 2018). Bei Einschränkungen in diesen Bereichen wird empfohlen, mehr Behandlungszeit einzuplanen, um die therapeutischen Inhalte in einem angemessenen Tempo zu vermitteln und eine Gruppenhomogenität hinsichtlich der Ausprägungen anzustreben (Lampalzer et al. 2021; von Franqué und Briken 2018).

Interpersonelle Faktoren und soziale Kompetenzen

Eine mangelnde Bindungs- und Beziehungsfähigkeit kann sich in Form von zwischenmenschlichen Ängsten, Vermeidungsstrategien, Misstrauen, Resistenz sowie ablehnendem Verhalten anderen gegenüber äußern und so die therapeutische Allianz behindern, den Zugang zu Behandlungsinhalten erschweren und das Risiko für Behandlungsabbrüche erhöhen (Bonta und Andrews 2017; Di Placido et al. 2006; Marshall et al. 2018; Stück et al. 2021; Tetley et al. 2012; Van Voorhis et al. 2013). Bei ängstlich-vermeidenden Klient:innen können Behandlungsansätze mit wenig Konfrontation geeignet und ggf. Einzelsettings zu bevorzugen sein (Bonta und Andrews 2017; Looman et al. 2005; Van Voorhis et al. 2013; von Franqué und Briken 2018). Gleiches gilt, wenn das Verhalten der Klient:innen zu Unruhe in der Gruppe führt oder gar bedrohlich für die anderen werden kann. Demgegenüber können Gruppensettings die Nachreifung der sozialen Kompetenzen durch interpersonelles Lernen fördern (Lampalzer et al. 2021; von Franqué und Briken 2018).
Somit spielt auch die Impulsivität der Klient:innen eine Rolle, da diese das Risiko für zwischenmenschliche Konflikte und aggressives oder bedrohliches Verhalten anderen gegenüber erhöhen kann (Lampalzer et al. 2021). Impulsive Klient:innen bedürfen möglicherweise am ehesten einer Behandlung (O’Brien und Daffern 2017), haben jedoch zeitgleich ein erhöhtes Risiko für Behandlungsabbrüche (Olver et al. 2011; Palmer und Humphries 2016). Anstatt ihnen die Behandlung per se zu verwehren, sollten lieber gut strukturierte Angebote mit einem höheren Kontroll- und Aufsichtsangebot (Bonta und Andrews 2017; O’Brien und Daffern 2017) oder einer geeigneten Auswahl von Einzel- und Gruppenbehandlungen in Betracht gezogen werden (Lampalzer et al. 2021; Schröter et al. 2021). In Gruppensettings können die Klient:innen beispielsweise mithilfe von verlässlichen und begrenzten Beziehungsangeboten sowie klaren Regeln und Absprachen unterstützt werden, aggressives Verhalten zu reduzieren und sozial angemessenes Verhalten aufzubauen, wobei individuelle Einzelthemen in Einzelgesprächen adressiert und vertieft werden können (Schröter et al. 2021).
Ebenfalls hinderlich kann mangelnde Empathie gegenüber Mitmenschen bzw. Geschädigten sein (Bonta und Andrews 2017; Morrow 2020; O’Brien und Daffern 2017). Empathie kann zentrale Behandlungselemente in Einzel- und Gruppenbehandlungen beeinflussen, wie die Fähigkeit, mit anderen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen über Gefühle zu sprechen oder Perspektivwechsel vorzunehmen (Lampalzer et al. 2021; Morrow 2020; O’Brien und Daffern 2017; Olver und Riemer 2021).

Psychische Belastungen und Einschränkungen

Unbehandelte psychische Störungen können sich negativ auf das Einlassen auf die Behandlung auswirken. Daher ist es wichtig, die jeweilige Diagnose als SAF und nicht (nur) als Risikofaktor zu betrachten und zu hinterfragen, ob durch die Störung die eigentliche Behandlung behindert wird (McCormick et al. 2017; Olver und Stockdale 2021; Vincent et al. 2021). Liegen psychopathologische Belastungen vor, deren Schwere die Behandlung (anderer) kriminogener Faktoren behindern, können zunächst therapeutische und/oder medikamentöse Vorbehandlungen notwendig sein. Zudem sollten weitere Behandlungsmöglichkeiten (z. B. Krankenhausaufenthalte) und eine angemessene Nachsorge vorbereitet werden (Bonta und Andrews 2017). Es gibt eine Vielzahl etablierter, innovativer Behandlungsprogramme und -empfehlungen, die gezielt auf die Behandlungsbesonderheiten durch psychische Störungen als SAF abzielen. So gibt es u. a. Behandlungsprogramme für Klient:innen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (Melvin et al. 2020), mit Persönlichkeitsstörungen und aggressiv-gewalttätigem Verhalten (Schröter et al. 2021), Psychopathy und Schizophrenie (Wong und Olver 2015).
Bei der Wahl der Behandlungsinhalte und deren Kommunikation sollten zudem die (verbale) Intelligenz und Lernbesonderheiten der Klient:innen berücksichtigt werden. Eine verminderte Intelligenz und sprachliche Einschränkungen können die Fähigkeit beeinflussen, überhaupt an der Behandlung teilzunehmen und die Inhalte zu durchdringen (Bonta und Andrews 2017; Looman et al. 2005; Stewart et al. 2015; Van Voorhis et al. 2013). Es wird empfohlen, mehr Zeit für die Behandlung einzuplanen, Themen der Gruppenbehandlung in Einzelsitzungen zu vertiefen und ggf. Themen in die Behandlung aufzunehmen, die in regulären Programmen evtl. nicht vorgesehen sind, wie z. B. sexuelle Bildung (Lampalzer et al. 2021; von Franqué und Briken 2018; Wormald und Melia 2021).
Personen mit Psychopathy nach Hare (2003) brechen häufiger die Behandlung ab, weisen weniger Behandlungsmotivation auf, profitieren weniger von der Behandlung und stören häufiger den Ablauf ebendieser (Carl et al. 2020; Hobson et al. 2000; O’Brien and Daffern 2016, 2017; Olver and Riemer 2021; Olver and Wong 2011). Dabei sollte Psychopathie1 nicht per se zu einem Ausschluss aus der Behandlung führen. Vielmehr sollte die Behandlung zum einen an der Psychopathie im Sinne des Bedürfnisprinzips ansetzen und zum anderen im Sinne des Ansprechbarkeitsprinzips an die psychopathiebedingten Herausforderungen angepasst bzw. eine geeignete Auswahl von Behandlungsangeboten für Menschen mit Psychopathie angeboten werden. Die schwer veränderbare psychopathische Charakterstruktur, die sich in zwischenmenschlichen und affektiven Defiziten äußert (Faktor 1 der Psychopathy Checklist Revised [PCL-R]; Mokros et al. 2017), wird demnach nicht nur als Risikofaktor, sondern vermehrt auch als SAF diskutiert. Letzteres geht mit der Empfehlung einher, Psychopathie im Rahmen geeigneter Behandlungsprogramme zu begrenzen und zu kontrollieren, anstatt sie verändern zu wollen (z. B. Olver 2022; Olver und Riemer 2021). Aufgrund des negativen Einflusses auf die Behandlungsmotivation und therapeutische Allianz wird Faktor 1 der PCL‑R auch von Praktiker:innen als größte Behandlungsbarriere psychopathischer Klient:innen beschrieben (Klein Haneveld et al. 2021). Demgegenüber gelten der impulsive Lebensstil und antisoziale Verhaltensweisen (Faktor 2 der PCL-R) als Risikofaktoren, die in der Behandlung adressiert werden sollten, um prosoziale Verhaltensweisen zu erarbeiten. Während manche Behandlungsprogramme kontraindiziert für Menschen mit deutlicher Psychopathie sind (Schröter et al. 2021), gibt es andere, die gezielt erarbeitet wurden, um die verschiedenen Faktoren der Psychopathie sowohl als Risikofaktor (Faktor 2), als auch als SAF (Faktor 1) adressieren (Sewall und Olver 2019; Wong und Olver 2015).
Klient:innen mit eigenen Missbrauchs- und Traumatisierungserfahrungen im Kindes- und Erwachsenenalter weisen häufiger psychopathologische Belastungen auf, und eine Behandlung kann emotionalen Stress hinsichtlich des Umgangs mit den eigenen Viktimisierungserfahrungen auslösen (Grady et al. 2021; Holloway et al. 2018; Hubbard und Pealer 2009; Looman et al. 2005; Olver und Stockdale 2021; Willis und Levenson 2021). Teilweise sind betroffene Klient:innen aufgrund des emotionalen Stresses, maladaptiver Coping-Strategien, eingeschränkter Selbstregulierungsfähigkeit, Bindungsschwierigkeiten sowie Beeinträchtigungen im Sozialverhalten nur bedingt fähig, an einer Behandlung teilzunehmen, diese planmäßig zu beenden und von ihr zu profitieren (Bonta und Andrews 2017; Brunner et al. 2019; Grady et al. 2021; Hubbard und Pealer 2009; Looman et al. 2005; von Franqué und Briken 2018; Willis und Levenson 2021). Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Prävalenz und Auswirkungen von Traumatisierungen sowie die Bedürfnisse, die betroffene Personen im Rahmen einer Behandlung haben, seien in jede Behandlung integrierbar, wobei sich die Ansprechbarkeit auf den therapeutischen Prozess erhöhe, wenn die Behandler:innen die Erfahrungen der Klient:innen anerkennen und das maladaptive Verhalten (u. a.) im Kontext früherer Viktimisierungserfahrungen betrachten (Grady et al. 2021; Willis und Levenson 2021).
Barrieren können auch mangelnde Coping-Strategien sein, also inadäquate Bewältigungsstrategien bei akuten psychischen Belastungen oder schwierigen Lebensereignissen. Dazu zählen z. B. Drogenkonsum, Suizidalität, sozialer Rückzug oder aggressives Verhalten zum Stressabbau (Bonta und Andrews 2017; Looman et al. 2005; von Franqué und Briken 2018). Die geeigneten Maßnahmen zur Förderung angemessener Coping-Strategien sind vielseitig und reichen von Schulungen des Personals über geeignete Erklärungsmodelle zu maladaptiven Verhalten (z. B. im Kontext von Traumaerfahrungen: Willis und Levenson 2021) bis hin zu gezielten Interventionen im Einzel- und Gruppenformat zur Stabilisierung und zur Aneignung geeigneter Coping-Strategien (z. B. hinsichtlich Suizidalität und selbstverletzendem Verhalten: Bonta und Andrews 2017; Favril et al. 2020; von Franqué und Briken 2018).

Fazit und Ausblick

Wird das spezifische Ansprechbarkeitsprinzip des RNR-Modells (Bonta und Andrews 2017) nicht eingehalten, indem wesentliche Behandlungsbarrieren nicht berücksichtigt oder reduziert werden, können selbst gut konzipierte und evidenzbasierte Programme unwirksam sein. Dieser Artikel bietet einen aktuellen Überblick über klient:innenbezogene SAF, die in nationaler und internationaler Literatur herausgearbeitet wurden. Dabei wird deutlich: Es bleibt kompliziert. Denn obwohl das Ansprechbarkeitsprinzip eindeutig als drittes Kernprinzip des RNR-Modells für die effektive Behandlung straffällig gewordener Menschen identifiziert wurde, herrscht nach wie vor Uneinigkeit darüber, wie spezifische Ansprechbarkeit zu definieren ist, welche Faktoren dazuzuzählen sind, und wie es in der Praxis in Gänze ökonomisch und valide erfasst und berücksichtigt werden kann (Schmidt 2019; Viglione 2019; Miller and Maloney 2020; Travers et al. 2021). Vielmehr gleicht das Prinzip mittlerweile einer langen Liste an Faktoren (Abb. 1), die in der Behandlung ggf. berücksichtigt werden müssen. An dieser Stelle sollte zukünftige Forschung anknüpfen, um mehr Klarheit bezüglich der Operationalisierung, Umsetzbarkeit und Wirksamkeit des Ansprechbarkeitsprinzips in der Praxis zu schaffen und eine ökonomische Erfassung der SAF in der Praxis zu ermöglichen. Dabei sollte es stets einen dynamischen Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis und klinischen Erfahrungen in die Wissenschaft geben.
Eine weitere Herausforderung stellt die Verquickung von Bedürfnis- und Ansprechbarkeitsprinzip bei einigen Faktoren dar (Bourgon und Bonta 2014), wie dies in Bezug auf die Psychopathie bereits beleuchtet wurde. Um zu entscheiden, ob die jeweiligen Faktoren Risiko- und/oder Ansprechbarkeitsfaktoren sind, sollte stets hinterfragt werden, ob die Faktoren kriminogener Natur sind und die Behandlung der Faktoren zur Verringerung des Rückfallrisikos beitragen (Risikofaktor), und/oder ob sie als Behandlungsbarrieren zu verstehen sind und beeinflussen, ob jemand überhaupt an der Behandlung teilnehmen bzw. von ihr profitieren kann (Ansprechbarkeitsfaktor; z. B. Bourgon und Bonta 2014; Covell und Wheeler 2011). Bourgon und Bonta (2014) postulieren, dass die Berücksichtigung des spezifischen Ansprechbarkeitsprinzips v. a. in einer Zunahme des Engagements der Klient:innen zur Teilnahme an der Behandlung resultiere und empirisch an proximalen Erfolgskriterien festzumachen sei, wie z. B. geringeren Abbruchquoten, vermehrter Teilnahme an der Behandlung und deren Inhalten (z. B. Diskussionen, Übungen, Rollenspiele, Erledigung von Hausaufgaben) sowie Anerkennung des persönlichen Nutzens der Behandlung. Demgegenüber lasse sich die Wirksamkeit des Bedürfnisprinzips eher an distalen Erfolgskriterien messen, wie der Veränderung problematischer Verhaltensweisen und der Reduktion des Rückfallrisikos der Klient:innen.
Anstatt eine Behandlung beim Auftreten von Barrieren von vornherein auszuschließen, sollte den diversen SAF vielmehr mit angemessenen Behandlungsmethoden begegnet werden (Beyko und Wong 2005). Die Autorinnen dieses Reviews haben versucht, zu jedem SAF Möglichkeiten der Praxisimplikation aufzuzeigen. Auch wenn Einzelbehandlungen mehr Ressourcen bedürfen als die oft ökonomischeren Gruppenbehandlungen, sollte stets die individuell richtige Balance gefunden werden: Denn, solange SAF in der Behandlung nicht berücksichtigt werden, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klient:innen erfolgversprechend auf die Behandlung ansprechen (Bonta und Andrews 2017). Behandlungsgruppen sind dabei eine Form von Interventionsmöglichkeit, in der heterogene Ansichten und Einstellungen der Klient:innen aufgearbeitet, die Interaktionen innerhalb der Gruppe maximiert, Perspektivwechsel gefördert und unerwünschten Auseinandersetzungen zwischen Klient:innen entgegengewirkt werden kann (Harkins und Beech 2007; Hartenstein et al. 2017). Häufig werden zur Gruppenbehandlung flankierende Einzelgespräche zur Vertiefung bzw. zur Adressierung individueller Themen außerhalb der Gruppe angeboten. Es kann jedoch auch notwendig sein, (vorerst) ausschließlich Einzelbehandlungen anzubieten, wenn Klient:innen aus verschiedenen Gründen nicht für Gruppensettings geeignet erscheinen (Lampalzer et al. 2021).
Ein Großteil der SAF ist dynamisch, also durch gezielte Interventionen veränderbar, und sollte somit bestenfalls in der Behandlung gezielt adressiert werden. Dies wird von Studien untermauert, die zeigen, dass Behandlungsziele, wie das reguläre Beenden der Behandlung (vs. Behandlungsabbruch) und geringere Rückfallwahrscheinlichkeit, eher erreicht werden, wenn Behandlungsbarrieren abgebaut werden (z. B. Steigerung der Behandlungsmotivation; Sowden und Olver 2017), bzw. wenn die Behandlung an die individuellen Stärken der Klient:innen angepasst werden, die bereits zu Beginn vorhanden sind (z. B. Behandlungsmotivation, Sozialkompetenz, Coping-Strategien, Selbstkontrolle, Durchhaltevermögen; Finseth et al. 2021). Sind die SAF hingegen kaum oder gar nicht zu verändern (z. B. mangelnde Intelligenz; sprachliche Barrieren; zwischenmenschliche und affektive Defizite), sollten geeignete Behandlungsmethoden gewählt werden, mit denen diese Behandlungsbarrieren kontrolliert und begrenzt werden können.
Das Ansprechbarkeitsprinzip verdeutlicht, wie wichtig es ist, einen Behandlungsrahmen zu schaffen, in dem flexibel auf individuelle Behandlungsbarrieren eingegangen werden kann, damit die Klient:innen bestmöglich von evidenzbasierten Behandlungsangeboten profitieren können. Dass das lange Zeit vernachlässigte spezifische Ansprechbarkeitsprinzip (z. B. Cohen und Whetzel 2014; Taxman 2014; Wormith und Zidenberg 2018) zunehmend in den wissenschaftlichen Fokus rückt, verdeutlicht die vorliegende Arbeit, in der über die Hälfte der einbezogenen Quellen in den letzten 5 Jahren publiziert wurden. Dabei beschränkt sich dieser Artikel auf SAF, welche in der Person der Klient:innen liegen. An dieser Stelle muss jedoch betont werden, dass das Ansprechbarkeitsprinzip des RNR-Modells auch Faktoren der Behandler:innen, Institutionen und Behandlungssettings sowie der Behandlungsprogramme umfasst (Bonta und Andrews 2017; Bourgon und Bonta 2014; Herzog-Evans 2017; Looman et al. 2005; Taxman 2014). Vielzählige Arbeiten fokussieren diese, auch als externale, extrinsische, systembedingte oder Behandler:innen-bezogene bezeichnete Ansprechbarkeitsfaktoren. Sie umfassen beispielsweise das Anbieten vielfältiger evidenzbasierter Behandlungen, das Schaffen einer Lernumgebung, in der Veränderungen unterstützt und initiiert werden, eine wertschätzende, beziehungsorientierte und motivierende Gesprächsführung der Behandler:innen sowie RNR-bezogene Weiterbildungen des Personals (Bourgon und Bonta 2014; Herzog-Evans 2017; Looman et al. 2005; Ricciardelli und Perry 2016; Taxman 2014; von Franqué und Briken 2018; Wormith und Zidenberg 2018).
Abgeleitet aus dem vorliegenden Artikel sowie vorherigen Beiträgen zur Implementierung des Ansprechbarkeitsprinzips in die Praxis (u. a. Bourgon und Bonta 2014; Covell und Wheeler 2011; Jung 2022; Long et al. 2019; Wormith und Zidenberg 2018) wird empfohlen, sich der Bedeutung des Ansprechbarkeitsprinzips und der SAF bewusst zu werden und die Vielfältigkeit und Komplexität von SAF anzuerkennen. Zusätzlich zur Erfassung von Risikofaktoren sollte auch das regelmäßige Herausarbeiten der individuellen SAF der Klient:innen standardmäßig in die Praxis implementiert werden, wobei Informationen aus verschiedenen Quellen herangezogen werden sollten (z. B. Gespräche und Beobachtungen, Akteninformationen, Testdiagnostik und Therapieberichte). Denn nur durch die Berücksichtigung der individuellen SAF (und deren wissenschaftliche Evaluation) kann die Behandlung straffällig gewordener Personen optimiert werden.

Förderung

E.S. ist Promotionsstipendiatin des Cusanuswerks.

Interessenkonflikt

E. Stück und F. Brunner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Fußnoten
1
Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden der deutsche Begriff Psychopathie verwendet, der sich auf das Psychopathy-Konstrukt von Hare (2003) bezieht.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Das spezifische Ansprechbarkeitsprinzip in der Behandlung delinquenter Personen
verfasst von
Elisabeth Stück, M. Sc. Psych.
Dr. phil. Franziska Brunner, Dipl.-Psych.
Publikationsdatum
21.09.2022
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 4/2022
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-022-00731-x

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