Bei der Komfortsignatur lauern einige Gefahren

Mit der digitalen Signatur ändern sich viele Abläufe in der Arztpraxis. Die gute Nachricht: Es gibt Komfortfunktionen, die bequemes Arbeiten ermöglichen. Allerdings ist nicht immer legal, was bequem ist. Alles Schuld der gematik? Ärztinnen oder Ärzte, die wegen fehlender Nutzerfreundlichkeit beim E-Rezept, bei der eAU oder bei der elektronischen Patientenakte über die Digitalagentur schimpfen, treffen möglicherweise den Falschen. Denn bei der Ausgestaltung der Anwendungen haben die Praxissoftware-Hersteller viele Gestaltungsmöglichkeiten bekommen, sodass zum Beispiel eine eAU in einem Praxisverwaltungssystem (PVS) ganz anders aussehen kann als in einem anderen. Das gilt auch für die Ausgestaltung der digitalen Signatur, des Herzstücks für die Sicherheit der TI-Anwendungen, vor allem des E-Rezepts. Da ließen Meldungen vor einigen Wochen aufhorchen, als es hieß, dass in einem PVS auch MFA die Komfortsignatur auslösen und damit Rezepte oder eAU digital signieren könnten. Die Komfortsignatur vereinfacht, wie es der Name sagt, den Vorgang der digitalen Signatur, indem sie es erlaubt, mit einer PIN-Eingabe am Kartenterminal mit gestecktem E-Heilberufsausweis bis zu 250 Signaturvorgänge anzustoßen. Aber wenn MFA das auch für den Arzt oder die Ärztin auslösen können, wie sicher ist dann noch die digitale Signatur? Die Verantwortung der Anwender Der Vorfall ist ein gutes Beispiel für das Wechselspiel von Sicherheit und verantwortlichem Verhalten der Anwender – aber auch der Konkurrenz von Sicherheit und Schnelligkeit im Praxisalltag. Jedes IT-System ist nur so sicher, wie seine Anwender die Sicherheitsvorkehrungen ernst nehmen. Sicherheit darf aber auch nicht die Praxisabläufe blockieren. Ein Vorgang wie die AU-Bescheinigung oder das Erstellen eines E-Rezepts darf inklusive E-Signatur nicht länger dauern als derselbe Vorgang auf Papier. Daher sind die Stapel- und die Komfortsignatur erfunden worden, die es Anwendern erlauben, Dokumente zu signieren, ohne jedes Mal die Signatur-PIN am Kartenterminal eingeben zu müssen. Doch wie lässt sich sicherstellen, dass nur einer, der Arzt oder die Ärztin, ein Dokument signiert haben kann, wenn die PIN des eHBA nicht jedes Mal eingegeben werden muss? Diese Aufgabe hat jetzt die Praxisverwaltungssoftware übernommen. „Das PVS soll verlässlich ermöglichen, dass nur der Karteninhaber signieren kann“, erläutert der freie Berater und ausgewiesene TI-Kenner Mark Langguth auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“. Das habe die gematik ganz klar ins Aufgabenheft der PVS-Hersteller geschrieben. Dass MFA die Komfortsignatur auslösen können sollten, sei also auf keinen Fall so vorgesehen, so Langguth weiter. Einstiegshilfen, Stapelsignatur, Komfortsignatur Einstiegshilfen: Damit Praxisteams beziehungsweise die Karteninhaber alle Hürden zur rechtssicheren E-Signatur locker überspringen können, lassen sich Praxis-EDV-Hersteller einiges einfallen. Medatixx beispielsweise hat für jedes Praxisprogramm einen Videoclip für die Anwendungen im Web mit allen kleinen Schritten, die zu gehen sind, hinterlegt, auf das Anwender zugreifen können, wenn sie die Funktion gerade benötigen. Andere bieten Webinare an – die Hotlines der Hersteller sind zudem seit Monaten chronisch überlastet, weil die neuen Anwendungen so viel Erklärungsbedarf mit sich bringen. Stapelsignatur: Häufig nützlich, wenn im Verlauf der Sprechstunde ein Stapel zu signierender Dokumente aufläuft, zum Beispiel Folgerezepte bei chronisch Kranken, die dann mit einer PIN-Eingabe hintereinander weg von der Software signiert werden. Je nach Praxissoftware wird jedes Dokument kurz gezeigt, damit eine Prüfung möglich ist. Auch wenn die Komfortsignatur aktiviert ist, lässt sich eine Stapelsignatur anstoßen. Komfortsignatur: Mit der Eingabe einer PIN kann ein Arzt im Verlauf von bis zu 24 Stunden bis zu 250 Dokumente signieren, die digitalen Unterschriften müssen nur noch aufgerufen werden für das zu signierende Dokument. Beim E-Rezept wird für jedes verordnete Medikament eine Signatur verbraucht. In einer gut gehenden Hausarztpraxis kann es durchaus zweimal am Tag erforderlich sein, die Komfortsignatur neu zu aktivieren. Wichtig ist, dass der eHBA gesteckt bleibt, die ganze Zeit. Er sollte daher besser in den hinteren Slot eines Kartenterminals gesteckt werden, damit er nicht versehentlich herausgenommen wird. An der Software liegt es auch nicht, glaubt Langguth, und das bestätigen auch mehrere PVS-Hersteller, die die Sicherungen in die Programme einprogrammiert haben. „Bei uns kann ein Arzt nicht gleichzeitig an zwei Rechnern eingeloggt sein, so Jan Meincke vom Softwarehaus Medisoftware in Kiel. Ohne persönliche Anmeldung erhielten ein Arzt oder eine Ärztin aber keinen Zugriff auf den Arztausweis und die Komfortsignatur, erklärt Meincke den Sicherungsmechanismus. Der PVS-Hersteller InterData hat einen etwas anderen Weg gewählt: „Das Programm schützt die Komfortsignatur mit einer eigenen Komfortsignatur-PIN aus der Praxissoftware heraus“, erläutert Dirk Fellenberg von InterData. Das könne ein mehr oder weniger komplexes Passwort oder eine Zahlenkombination sein, die dann auf der Tastatur des PC und nicht auf dem Kartenterminal eingegeben wird. „Die Eingabe am PC ist schneller, und man kann sich damit nicht den eHBA bei Falscheingabe ‚zerschießen‘“, beschreibt Fellenberg die Vorteile. Die Sicherheitslücke ist also nicht in der Software zu finden, wenn man den Herstellern glaubt, sondern im Umgang damit: Probleme mit der Komfortsignatur gebe es eigentlich nur dann, wenn entweder die PIN für den eHBA oder die PIN zum Schutz der Komfortsignatur im PVS innerhalb des Praxisteams weitergegeben wird. „Das ist allerdings nicht nur am Rande der Legalität, sondern vollkommen illegal“, betont Langguth. Eine hält den Kopf hin Das sei ähnlich wie bei Blankorezepten, die bereits unterschrieben, aber ansonsten blanko in der Schublade am Empfang einer Praxis liegen. Kommt ein Patient, um sich ein Wiederholungsrezept abzuholen, schiebt die MFA das Blankorezept in den Drucker, und ohne weitere Prüfung durch Arzt oder Ärztin nimmt der Patient das Rezept unterschrieben mit nach Hause. Was Vertrauenssache zwischen MFA und Arzt oder Ärztin ist, kann zu Missbrauch führen – verantwortlich ist am Ende immer derjenige, der die Rezepte signiert hat – oder die PIN weitergegeben hat. Doch wenn der Aufwand für die Anwender zu hoch wird, ist der Anreiz, die Regeln zu umgehen groß. „Sich jedesmal beim Arbeitsplatzwechsel aus- und mit Passworteingabe wieder einzuloggen – das macht kein Arzt“, äußert Langguth etwas Verständnis. Um diesen Aufwand zu reduzieren, haben IT-Spezialisten längst Lösungen entwickelt: Mit einem „Dongel“ oder „Token“ mit einem speziellen Chip, der kurz an ein Lesegerät gehalten wird, erfolgt die Anmeldung automatisch. Dasselbe funktioniert auch mit Anwendungen etwa über Windows Hello – beispielsweise mit Gesichtserkennung oder Fingerabdruck-Scan. Im Endeffekt wandert die Komfortsignatur ständig mit dem Arzt oder der Ärztin durch die Behandlungsräume, während der E-Arztausweis im Lesegerät stecken bleibt. Das funktioniert übrigens auch, wenn mehrere Ärzte sich die Behandlungsräume während der Sprechstunde teilen. Sicherheit und Komfort lassen sich eben doch bis zu einem gewissen Grad miteinander vereinbaren. In der Offizin kommt Freude auf Apotheken sind verpflichtet, beim E-Rezept die Identität des Inhabers des eHBA mit dem Praxisstempel zu überprüfen. Stimmt der Name beispielsweise nicht zu 100 Prozent überein, zum Beispiel, weil der Praxisinhaber auf dem Stempel seinen Zweitnamen nicht erwähnt haben sollte, dann kann es sein, dass die Apothekensoftware die Annahme des Rezepts verweigert. Dementsprechend schimpft beispielsweise Jan Meincke von Medisoftware über die „Bürokraten in Berlin“, dass derartige Detailprobleme nicht gelöst werden könnten. Seit Januar führten die PVS-Hersteller diese Diskussion – vergebens bisher. Dürfen sich mehrere Ärztinnen und Ärzte einen eHBA teilen? Nein. Derjenige, der signiert, muss derjenige sein, der das Rezept verantwortet. Die Verantwortung für unterschriebene Dokumente ist nicht teilbar. Allerdings dürfen MFA oder Kollegen (Folge)Rezepte vorbereiten. Und ganz neu ist es auch nicht, dass zuzuordnen sein muss, welcher Arzt welche Leistung erbracht hat. Bei der Abrechnung einer Behandlung ist schon bisher immer die lebenslange Arztnummer zu dokumentieren. Muss ein Praxisvertreter einen eHBA haben? Grundsätzlich ja. Wenn die Praxis bereits mit digitalen Dokumenten arbeitet, die signiert werden müssen, dann auf jeden Fall. Das gilt bereits für die eAU, auch wenn hier noch die technische Möglichkeit bestünde, mit der SMC-B zu signieren. Aber auch bei einem Arztbrief beispielsweise sollte schon der Autor unterschreiben, nicht irgendein Arzt, der sonst noch in der Praxis arbeitet. Bei einem E-Rezept darf ohnehin nur der signieren, der die Verordnung verantwortet. Quelle: Ärzte Zeitung

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