Schwangere mit Blinddarmentzündung: Keine Angst vor der Op.!

Auch schwangeren Patientinnen mit akuter Appendizitis sollte man bei entsprechender Indikation eine operative Therapie nicht vorenthalten. Welche Risiken mit welcher Technik verbunden sind, wurde auf dem Deutschen Chirurgenkongress (DCK) diskutiert. Eine akute Appendizitis in der Schwangerschaft kann und soll operativ therapiert werden, sofern die Indikation gesichert ist. Genau darin liegt jedoch oft das Problem. Der Leipziger Viszeralchirurg Dr. Matthias Mehdorn sieht die diagnostische Schwierigkeit vor allem darin, dass das Zökum und damit auch der Wurmfortsatz mit voranschreitender Schwangerschaft immer mehr nach kranial verdrängt werden. Ultraschall mit abnehmender Sensitivität Eine CT-Untersuchung ist wegen der hohen Strahlenbelastung für das ungeborene Kind grundsätzlich kontraindiziert. Kein Risiko stellt dagegen der Ultraschall dar, mit dem sich charakteristische Veränderungen wie Kokarde, perifokale Flüssigkeit und Wandverdickung eigentlich gut darstellen lassen. Allerdings nimmt die Sensitivität des Ultraschalls in der Schwangerschaft deutlich ab, berichtete Mehdorn, von 69% im ersten auf 51% im letzten Trimenon: „Da kommt es einem Münzwurf gleich, ob man etwas sieht oder nicht.“ Und auch einschlägige Scores wie der Alvarado-Score verlieren bei Schwangeren deutlich an diagnostischer Schärfe. Der Grund ist die oft untypische Klinik, aber auch die Tatsache, dass Entzündungswerte bei Schwangeren auch ohne besonderen Grund leicht erhöht sein können. Nach Mehdorn führt bei unklaren Befunden am ehesten die MRT weiter. Mit einer Sensitivität und Spezifität von jeweils über 95% sei dies das Verfahren mit der höchsten diagnostischen Wertigkeit in der Schwangerschaft. Damit lasse sich auch am ehesten klären, wo der Zugang zu legen ist. Laparoskopisch oder offen? Zum Vergleich laparoskopische versus offene Appendektomie bei Schwangeren sind 2021 zwei Metaanalysen erschienen. In beiden verkürzte sich bei minimal invasivem gegenüber offenem Vorgehen der Klinikaufenthalt, die Patientinnen ließen sich schneller wieder mobilisieren und es traten weniger Wundinfektionen und Abszesse auf. Widersprüchlich waren dagegen die Ergebnisse zu obstetrischen Risiken: Während die Laparoskopie in einer Analyse mit einem doppelt so hohen Abortrisiko verbunden war wie die offene Op., zeigte sich kein signifikanter Unterschied, wenn man sich auf Eingriffe beschränkte, die nach 2010 durchgeführt wurden. Auch in puncto Frühgeburtlichkeit waren beide Verfahren vergleichbar. Sehr klar positioniert hat sich vor diesem Hintergrund die World Society of Emergency Surgery (WSES) in ihren kürzlich überarbeiteten Jerusalem Guidelines: Demnach soll die laparoskopische Appendektomie bei Schwangeren der offenen Op. vorgezogen werden. Im Gegensatz dazu äußert sich die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) in ihrer S1-Leitlinie eher zurückhaltend. Eine Appendektomie könne „in jedem Trimenon sowohl offen als auch laparoskopisch“ durchgeführt werden, wobei „eine Laparoskopie Schwangeren den Vorteil der schnelleren Rekonvaleszenz bei vergleichbarer Komplikationsrate bietet“. Antibiotikatherapie (noch) nicht empfohlen Ein rein konservatives Management der unkomplizierten Appendizitis mit Antibiotika wird von der WSES bei Schwangeren derzeit nicht empfohlen, der Grund sei das Fehlen von „High-level Evidence“. Die deutsche Fachgesellschaft bleibt auch hierzu eine klare Antwort schuldig. Der Anästhesist Dr. Lutz Kaufner von der Berliner Charité riet, den Weg zu wählen, den man bei Nichtschwangeren auch wählen würde. „Wenn Sie bei einer Appendizitis eine Op.-Indikation haben, dann operieren Sie. Wenn Sie meinen, Sie können das antibiotisch machen, machen Sie es antibiotisch.“ Grundsätzlich seien Operationen nur dann zu indizieren, wenn sie dringend notwendig sind. Dann sei es „eigentlich egal, ob sich die Schwangere im ersten, zweiten oder dritten Trimenon befindet“. Basierend auf: Vorträge von M. Mehdorn, L. Kaufner, 139. Deutscher Chirurgenkongress (DCK), 6.–8. April 2022 DCK 2022 13.04.2022 | DCK 2022 | Nachrichten Schwangere mit Blinddarmentzündung: Keine Angst vor der Op.! 21.04.2022 | DCK 2022 | Kongressbericht | Nachrichten Vorbereitet auf den Katastrophenfall: Berliner Notfallsiebe 12.04.2022 | DCK 2022 | Nachrichten Wie Operateure sich vor Röntgenstrahlen schützen können 18.04.2022 | DCK 2022 | Kongressbericht | Nachrichten Auch Kaffeetanten dürfen ans Endoskop 19.04.2022 | DCK 2022 | Kongressbericht | Nachrichten ERAS-Implementierung: Noch Luft nach oben! 22.04.2022 | DCK 2022 | Kongressbericht | Nachrichten Karotisstenose: Warnzeichen Visusminderung 15.04.2022 | DCK 2022 | Kongressbericht | Nachrichten Adipositas-Chirurgie: Nach dem Speck müssen auch die Falten weg 20.04.2022 | DCK 2022 | Kongressbericht | Nachrichten Deutlich weniger Notfallprozeduren während der Covid-19-Pandemie

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