Ist das eine nekrotisierende Fasziitis?

Jede Weichteilinfektion mit extrem starkem, nicht zum klinischen Bild passenden Schmerz sollte bis zum Beweis des Gegenteils wie eine nekrotisierende Faszitis und damit mit höchster Dringlichkeit chirurgisch behandelt werden. Erysipel, diabetischer Fuß oder Fasziitis – die Unterscheidung dieser Weichteilinfektionen erscheint trivial. Das ist sie in der klinischen Praxis aber manchmal nicht, sagte Thomas Karl, Direktor des Zentrums für Gefäß- und Endovascularchirurgie der SLK-Kliniken Heilbronn beim Chirurgen-Kongress. Die Klinik von Haut- und Weichteilinfektionen ist letztlich immer gleich – es gibt die klassischen Entzündungszeichen und die tatsächliche Ausdehnung korreliert häufig nicht mit dem klinisch sichtbaren Befund. Nekrotisierende Fasziitis erkennen Die nekrotisierende Fasziitis ist ein schweres septisches Krankheitsbild mit einem foudroyanten Verlauf und typischerweise heftigen Schmerzen („Out of proportion“) bei fast allen Patienten. Neben Blasen finden sich bei bis zu 85% der Betroffenen bereits initial Nekrosen. Bei der operativen Revision zeigt sich ein graues Exsudat, aber kein klassischer Eiter. Von anderen Weichteilinfektionen unterscheidet sich die nekrotisierende Fasziitis auch durch das Auftreten von hölzern-harten Ödemen. Risikofaktoren sind Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, periphere arterielle Verschlusskrankheit und Immunsuppression. Der modifizierte LRINEC-Score mit Serumparamatern, Schmerzstärke und Sepsiszeichen wie Fieber, Tachykardie und akutes Nierenversagen kann die Diagnose einer nekrotisierenden Fasziitis unterstützen [1]. Mikrobiologisch kann eine Mischflora vorliegen (häufig, Typ 1) oder es herrschen Streptokokken der Gruppe A oder seltener Staphylokokken vor (Typ 2). Daneben gibt es auch selten den echten „Gasbrand“ (Typ 3) mit Vibrio spp. oder gramnegativen Bakterien wie Clostridien sowie Pilzinfektionen, die meist bei immunsupprimierten Patienten auftreten (Typ 4). Frühe Chirurgie wichtig Die Mortalität bei nekrotisierender Fasziitis ist mit etwa 20% nach wie vor hoch. Bei Verdacht auf eine nekrotisierende Fasziitis sollte immer eine chirurgische Exploration erfolgen. Die Therapie ist immer chirurgisch. Entscheidend für die Prognose ist die Schnelligkeit, mit der die chirurgische Therapie eingeleitet wird, betonte Karl. Bei einer OP innerhalb von sechs Stunden nach Vorstellung lag die Mortalität nach einer systematischen Übersichtsarbeit bei 19%, bei längerer Dauer bis zur OP bei 32% [2]. Hinweise auf Bullae, Fluktuieren, Krepitus und eine systemische Ausbreitung der Infektion erfordern die sofortige chirurgische Exploration und Abtragung, betonte Karl. Das muss so weit erfolgen, bis sich das subkutane Gewebe und die Haut nicht mehr von der Faszie ablösen lassen. „Das führt mitunter zu sehr ausgedehnten Nekrosektomien“, erklärte Karl. Aber dies ist notwendig – der häufigste Fehler ist die unzureichende chirurgische Sanierung. Umso schwerer der Allgemeinzustand beeinträchtigt ist, umso radikaler muss das Debridement erfolgen, wenn nötig auch mit Majoramputation im Sinne von „Life before Limb“, sagte er. Nach der chirurgischen Therapie sollte innerhalb von zwölf bis 24 Stunden eine Re-Exploration erfolgen. Die Patienten benötigen eine supportive frühzeitige und aggressive Intensivmedizin. Zum Monitoring kann Procalcitonin (PCT) gemessen werden. Wenn die PCT-Ratio größer wird, also ein PCT-Abfall eintritt, ist das ein Zeichen einer primär erfolgreichen Therapie. Die Antibiose sollte bei nekrotisierender Fasziitis vom Typ 1 oder Typ 3 mit Piperacillin/Tazobactam plus Linezolid oder Vancomycin erfolgen [3]. Bei Typ 2 und Typ 3 werden Penicillin G plus Clindamycin, Linezolid oder Daptomycin empfohlen. Empfehlung der Redaktion DCK 2023 Deutscher Chirurgiekongress 2023 18.–20. April 2023 | München Wie sollte eine Divertikulitis therapiert werden? Welche Mindestmengen sorgen bei onkologischen Resektionen für eine niedrige Krankenhaussterblichkeit? Und wie lassen sich durch intraoperative Maßnahmen starke Schmerzen nach einer Appendektomie verhindern? Diese und andere Berichte vom 140. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) lesen Sie in unserem Kongress-Dossier. basierend auf: Symposium: „Komplizierte Weichteilinfektionen: rechtzeitig erkennen und richtig behandeln“ am 26. April 2023. 140. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), München (Hybrid), 18.-20.04.2023 (digital) und 26.-28.04.2023

Springer Medizin

Ist das eine nekrotisierende Fasziitis?

Weiterführende Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Nekrotisierende Fasziitis der oberen und unteren Extremität

Passend zum Thema

Masern – Der Kanarienvogel unter den Infektionskrankheiten

Aktueller Impfstatus bei Kindern: Impfquoten ausbaufähig

Impfstoffe – Krankheiten vorbeugen, bevor sie entstehen