Langzeitprognose: Die Aussichten bei Typ-1-Diabetes werden immer besser

Galt bis in die 1950er Jahre das Überleben von Menschen mit Diabetes als Therapieerfolg, ist das Ziel heute eine funktionelle Heilung – also ein „gesundes“ Leben mit normaler Lebenserwartung. Professor Andreas Neu aus Tübingen stellte in Berlin zunächst die rasante technische Entwicklung der Diabetestherapie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor, die u.a. Insulinpens und Geräte zur Blutzucker-Selbstmessung hervorbrachte und den Siegeszug der Pumpentherapie einläutete. Heute haben sich bei der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) Real-Time-Systeme etabliert und die sensorunterstützte Pumpentherapie ist möglich. Doch die therapeutische Realität sieht Neu zufolge anders aus: Üblich sind bei Kindern 5 Blutzuckermessungen pro Tag und nur 5% der Kinder nutzen ein CGM-System. Auch die metabolische Realität bleibt hinter der therapeutischen Zielen zurück: So liegt der HbA1c-Wert bei Kindern und Jugendlichen durchschnittlich bei 8,1% und bei 20,8% der Patienten liegt bei Manifestation eine diabetische Ketoazidose vor [1]. Zu den möglichen Optionen um eine Annäherung an den HbA1c-Zielbereich zu realisieren, gehören Neu zufolge u.a. neue Insuline und langfristig die Entwicklung von Closed-Loop-Systemen. Essstörungen erhöhen Retinopathie-Risiko Auf die mikrovaskulären Komplikationen des Diabetes ging Professor Reinhard Holl, Ulm, ein und betonte, dass bis zu 25% der Menschen mit Typ-1-Diabetes von einer Diabetische Retinopathie betroffen sind [2]. Da den Auswertungen der DPV (Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation) zufolge nur für etwa 60% der Kinder über elf Jahre und einer Diabetesdauer von mehr als fünf Jahren ein dokumentierter Augenbefund vorliegt, forderte Holl eine bessere Zusammenarbeit zwischen Ophtalmologen und Diabetologen. Daten von Hammes et al. (Diabetologia 2011) zeigen, dass sich bei Patienten mit Typ-1-Diabetes, die vor dem 20. Lebensjahr erkrankt sind, durch eine gute Blutzuckereinstellung (HbA1c < 7,5%) das Auftreten einer Retinopathie um etwa 8 Jahre verzögern (p<0,0001) lässt. Weniger häufig von einer diabetischen Retinopathie betroffen sind auch Patienten, deren Erkrankung sich im Alter unter 5 Jahren manifestierte. Eigenständige Risikofaktoren sind dagegen Hypertonie und Dyslipidämie sowie Schwankungen des HbA1c. Auch Rauchen hat einen negativen Impact auf das Retinopathie-Risiko. Interessant sind auch aktuelle Ergebnisse von Scheuning et al. [3], die zeigen, dass das Risiko mikrovaskulärer Komplikationen durch Essstörungen in unterschiedlichem Ausmaß erhöht wird: So wiesen Patienten mit einer Bulimie oder sonstigen Essstörungen (EDNOS) ein 2,5- bzw. 1,4-fach höheres Risiko für eine Retinopathie auf, während bei Patienten mit einer Anorexie kein Zusammenhang zwischen Essstörungen und diabetischer Retinopathie nachgewiesen werden konnte. Insgesamt ist jedoch das Risiko für mikrovaskuläre Folgeerkrankungen bei Typ-1-Diabetes heute viel geringer als früher und wird wahrscheinlich in der nahen Zukunft weiter zurückgehen, so Holl abschließend. Makrovaskuläre Komplikationen Professor Karl-Otfried Schwab, Freiburg, ging auf die Bedeutung von Rauchen, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen und Übergewicht als Risikofaktoren für makrovaskuläre Erkrankungen bei Diabetikern ein. So konnte er bei rauchenden Diabetikern bereits im Jugendalter eine erhöhte Intima-Media-Dicke messen. Der Vergleich rauchender und nichtrauchender Menschen mit Diabetes zeigt, dass aktive Raucher zusätzlich zu ihrem Diabetes oft weitere Risikofaktoren wie eine schlechtere Blutzuckereinstellung aufweisen und damit insgesamt ein deutlich erhöhtes Risiko für makrovaskuläre Komplikationen haben. Auch eine Hypertonie sowie ein ungünstiges Lipidprofil triggern Schwab zufolge eine frühe Atherosklerose. Einfluss auf die Lipoproteine haben dabei neben Geschlecht und Alter des Patienten auch HbA1c und Body-Mass-Index. Schwab et al. entwickelten einen Score, der bei Kindern die Abschätzung erleichtert, ob bei einer Dyslipidämie eine medikamentöse Therapie nötig ist, oder ob eine verbesserte Einstellung des Diabetes reicht, um das Atherosklerose-Risiko niedrig zu halten. Das höchste Risiko für spätere makrovaskuläre Komplikationen haben diesem Score zufolge Diabetikerinnen im Alter über zehn und unter 18 Jahren mit Übergewicht und schlechter Blutzuckereinstellung. Werden durch eine Verbesserung der glykämischen Einstellung die Lipidzielwerte Gesunder nicht erreicht, sollten zunächst Lifestyle-Änderungen initiiert werden, bei Erfolglosigkeit ist dann der Einsatz von entsprechenden Medikamenten indiziert, so Schwab. Mehr vom Kongress Weitere Beiträge finden Sie im Dossier DDG-Jahrestagung 2014 Literatur: [1] Rosenbauer J. Diab Care 2012 und Karges B. Klin Päd 2011 [2] Heller T. et al. Dt Med Wochenschrift 2014;139:786-791 [3] Scheuning N. et al. Diabetes Care. 2014 Jun;37(6):1581-9. doi: 10.2337/dc13-2156. Epub 2014 Mar 12 Mehr zum Thema Weitere Beiträge finden Sie in den Dossiers Diabetes: Prävention und Diabetes: Folge- und Begleiterkrankungen sowie im Themenschwerpunkt Diabetologie

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Langzeitprognose: Die Aussichten bei Typ-1-Diabetes werden immer besser

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft