STI – die aktuelle Lage in Deutschland

Täglich infizieren sich weltweit mehr als 1 Million Menschen neu mit sexuell übertragbaren Krankheiten – so die Schätzungen der WHO. In Deutschland steigt die Zahl von Syphilis-Erstdiagnosen, Gonokokken entwickeln zunehmend Antibiotika-Resistenzen und die HPV-Impfquote ist noch zu niedrig, meldet das RKI. Sexuell übertragbare Krankheiten (STI, sexually transmitted infections) wie HIV, Syphilis, Gonokokken, Chlamydien und HPV haben eine hohe Public Health-Relevanz, erklärte Dr. phil. Klaus Jansen vom Robert Koch-Institut (RKI) auf der 49. DDG-Tagung in Berlin. Er unterstrich ihre Bedeutung für die öffentliche Gesundheit und verwies auf die hohe Morbidität und Mortalität der unheilbaren HIV-Erkrankung, die mit hohen Therapie- und Folgekosten verbunden sei. Man habe hier vermehrt mit Resistenzentwicklungen zu kämpfen und es sei spannend zu sehen, was die Präexpositionsprophylaxe künftig leiste. Syphilis könne die HIV-Transmission befördern, zu schweren Organschäden führen und auch auf Kinder übertragen werden, während Chlamydien Unfruchtbarkeit bedingen könnten, beschrieb er die möglichen Auswirkungen der STI. Seit 2001 melden Labore in Deutschland HIV- und Syphilis-Diagnosen anonym an das RKI. HIV: Heterosexuelle Transmission steigt Jansen präsentierte Daten zur Lage in Deutschland: Im Jahr 2015 wurden 3.674 gesicherte HIV-Neudiagnosen gemeldet. Dies bedeutet eine Zunahme von 174 Neudiagnosen im Jahr 2015 zum Vorjahr (Anstieg um 5 Prozent). Die Zahl der Neudiagnosen von Männern lag bei 2.924, entsprechend einem Anstieg um 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei Frauen stieg die Zahl der HIV-Neudiagnosen um 14 Prozent zwischen 2014 und 2015 an. Die meisten HIV-Neudiagnosen im Jahr 2015/2016 wiesen die Stadtstaaten Hamburg (12,4/100.000 Einwohner), Berlin (10,9) und Bremen (8,2) auf. Im Jahr 2015 entfielen 1.851 Neudiagnosen auf die Transmissionsgruppe Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), dies entspricht einem leichten Abfall von 2 Prozent. Bei 954 Neudiagnosen wurde als Übertragungsweg ein heterosexuelles Transmissionsrisiko (HET) angegeben, ein Plus von 24 Prozent. Bei den Konsumenten intravenös verabreichter Drogen (IVD) stiegen die HIV-Neudiagnosen von 110 im Jahr 2014 auf 134 im Jahr 2015 (+ 22 Prozent). Syphilis häufig in Großstädten Syphilis sei mit 6.834 gemeldeten Fällen (2015) viel häufiger als HIV – es konnte ein Anstieg der Fälle um 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden. Die deutschlandweite Inzidenz liege bei 8,5 pro 100 000 Einwohnern. Die Erkrankung betreffe in Deutschland vorwiegend Männer: So wurden 94 Prozent der Neudiagnosen bei ihnen gestellt. Weltweit gebe es allerdings fast 1 Millionen schwangere Frauen mit Syphilis und in mehr als einem Drittel der Fälle komme es zu Geburtsschäden (inklusive Totgeburten). In Deutschland wurden 85 Prozent der Fälle – bei denen der wahrscheinliche Transmissionsweg angegeben war – bei MSM diagnostiziert. Der Anteil von MSM in der Altersgruppe ab 40 Jahre lag seit 2008 stetig über 49 Prozent. Allerdings wachse auch die Zahl der heterosexuellen Transmissionen, so Jansen. Es sei ein Anstieg der Fälle in nahezu allen Altersgruppen zu beobachten, wobei sich die Zahlen in Großstädten wie Berlin und Hamburg besonders häufen. „In Berlin ist die Syphilis-Rate 4- bis 5-fach so hoch, im Innenstadtbereich sogar 10-fach so hoch wie im Bundesdurchschnitt“, sagte Jansen. Erfreulicherweise sei bisher noch kein paralleler Anstieg von HIV-Erstdiagnosen zu beobachten. Chlamydien sehr weit verbreitet Die oft symptomlos verlaufenden Infektionen mit Chlamydien sind sehr weit verbreitet und betreffen eher junge Frauen (< 25 Jahre). Häufigste Gründe für einen Test auf Chlamydien waren Schwangerschaft (40 Prozent), Screening für Frauen unter 25 Jahre (24 Prozent) oder diagnostische Testung (26 Prozent). Der Anteil positiver Chlamydien-Tests bei Schwangeren und diagnostischen Tests war höher bei 15-19-Jährigen (10,1 Prozent und 9,2 Prozent) und 20-24-Jährigen (5,7 Prozent und 8,0 Prozent) im Vergleich zu über 24-Jährigen. Gonokokken zunehmend resistent gegen Antibiotika Auch die Zahl der Gonokokken-Infektionen steigt kontinuierlich an. Zwar seien Gonokokken-Infektionen nur in Sachsen meldepflichtig, aber es gebe Daten zur Resistenz aus dem GORENET-Projekt. Man habe verstärkt bei der Behandlung gegen Resistenzen zu kämpfen. Die Rate resistenter Stämme von Neisseria gonorrhoeae sei vor allem gegen Penicillin und Ciprofloxazin sehr hoch (im Jahr 2015: 14,9 Prozent bzw. 58,0 Prozent). Es wurde auch ein signifikanter Anstieg der Resistenzrate gegenüber Azithromycin auf ca.12 Prozent beobachtet (2014/2015) HPV-Impfquote zu niedrig Beunruhigen könnte auch die HPV-Prävalenz in Deutschland: Sie beträgt bei nicht-geimpften Frauen (von 20 – 25 Jahren) bis zu 40 Prozent – „die meisten davon haben einen Hochrisiko-Typ. Das ist ein sehr relevantes Public Health-Problem“, so Jansen. Die Möglichkeit der Impfung sollte genutzt werden. Dabei sind die Impfquoten in den alten Bundesländern schlechter als in den neuen (2014: Impfquote der < 15-jährigen Mädchen: 28 Prozent vs. 45 Prozent). Die Impfrate sei noch unbefriedigend und reiche nicht aus, um eine Herdenimmunität zu gewährleisten. STI – die Lage in Deutschland auf einen Blick: Der Syphilis-Anstieg der vergangenen Jahre hat sich 2015 fortgesetzt und gegenüber dem Vorjahr deutlich verstärkt. Das Transmissionsgeschehen wird stark bestimmt durch MSM. Die Anzahl der HIV-Diagnosen ist ebenfalls gestiegen, jedoch nicht die geschätzte Anzahl der Neuinfektionen. Auch hier stellen MSM weiterhin die größte Anzahl der Infektionen. Bei Gonokokken zeigt sich ein Trend zu mehr Resistenzen. Chlamydien sind sehr verbreitet, insbesondere bei unter < 25-jährigen Frauen. Jansens Fazit: STI sind stark verbreitet. Eine möglichst frühe Diagnose und Behandlung sowie ein konsistenter Kondomgebrauch sind entscheidend, um STI zu reduzieren und damit auch das Risiko für HIV-Infektionen zu mindern. Insbesondere für MSM, aber auch für andere vulnerable Gruppen müssten innovative Wege zur Testung etabliert werden, um die Behandlungsraten zu steigern. basierend auf: "Track Infektiologie: Die neue Herausforderung STI 2017", 49. DDG(Deutsche Dermatologische Gesellschaft)-Tagung, 26.04. bis 29.04.2017, Berlin

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

STI – die aktuelle Lage in Deutschland

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Dermatologie

Neu im Fachgebiet Dermatologie

Auf diese Krankheiten bei Geflüchteten sollten Sie vorbereitet sein

Kein Abstrich bei chronischen Wunden ohne Entzündungszeichen!

„Nur wer sich gut aufgehoben fühlt, kann auch für Patientensicherheit sorgen“

Vitiligo: Prävalenz steigt und viele Erkrankte werden spät behandelt

Update Dermatologie