Sind es Affenpocken? So klären Sie Verdachtsfälle ab

Die Abklärung einer Infektion mit Affenpocken wird in dermatologischen Praxen derzeit verstärkt nachgefragt. Worauf es bei der Anamnese ankommt, welche Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen sind und wie man im Verdachtsfall konkret vorgeht, hat ein dermatologisches Team aus New York zusammengefasst. In Deutschland wie auch weltweit nehmen die bestätigten Fälle von Infektionen mit dem Monkeypox-Virus (Affenpocken) zu. Bis zum 5. Juli 2022 wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) insgesamt 1242 Fälle übermittelt, ein Ende ist derzeit noch nicht in Sicht. Das Besondere an dem aktuellen Ausbruch ist laut RKI, dass die Fälle nicht mit Reisen in Endemiegebiete (West- und Zentralafrika) in Zusammenhang stehen. Die meisten Infektionen haben sich offenbar im Rahmen von sexuellen Aktivitäten ereignet. Betroffen sind überwiegend Personen aus der Gruppe der MSM (Männer, die Sex mit Männern haben). Da es sich bei der Mehrzahl der Fälle um den harmloseren westafrikanischen Stamm (und nicht um den aggressiveren Stamm aus dem Kongobecken) handelt, verlaufen die Infektionen aktuell meist relativ mild. „Deutlicher Anstieg von Konsultationen“ Dermatologinnen aus New York raten ihren Fachkolleginnen und -kollegen, sich auf einen „deutlichen Anstieg von Konsultationen wegen Fieber mit Ausschlag, der durch Affenpocken bedingt sein könnte“, einzustellen und sich mit den Charakteristika des Monkeypox-Virus sowie den differenzialdiagnostisch relevanten vesikopustulären Exanthemen vertraut zu machen. Nach Dr. Urmi Khanna vom Albert Einstein College of Medicine in New York und ihrem Team beginnt die Erkrankung in der Regel nach einer Inkubationszeit zwischen 5 und 21 Tagen mit Prodromalsymptomen, auf die rasch ein Enanthem folgt. Das vesikulopustuläre Exanthem entwickelt sich dann ein bis drei Tage später. Betroffen sein können das Gesicht, aber auch Genitalien und Handflächen, je nachdem, wo der Kontakt stattgefunden hat. Bläschen eher schmerzhaft als juckend Die Läsionen sind monomorph, das heißt, sie durchlaufen die verschiedenen Stadien zeitgleich. Die eher schmerzhaften als juckenden Bläschen sind ca. 1 bis maximal 2,5 cm groß und tief und zeigen frühzeitig eine zentrale Einziehung mit prominentem weißem Rand, umgeben von einem rötlichen Hof. Nach Khanna und ihrem Team sollten sie so lange als infektiös betrachtet werden, bis die Krusten, die sich darüber gebildet haben, abgefallen sind und die Stelle komplett reepithelialisiert ist. Bei der Entnahme von Proben kommt es der Dermatologin zufolge darauf an, „kräftig über die Oberfläche mehrerer Läsionen zu wischen“, am besten mit einem Stäbchen aus Polyester oder Dacron. Eine Hautbiopsie sei in der Regel nicht indiziert, da der Befund nicht unbedingt von anderen Hauterkrankungen zu unterscheiden sei. Verwechslungsgefahr! Als wichtigste Differenzialdiagnose kommen infrage: Windpocken: im Unterschied zu Affenpocken Läsionen in verschiedenen Stadien gleichzeitig („Sternenhimmel“); disseminierte HSV-(Herpes-simplex-Virus)-Infektion: monomorph, runde, 2-4 mm große Bläschen auf erythematösem Grund; schmerzhaft; Molluscum contagiosum: monomorph, einzelne oder konfluierende solide Papeln an der Inokulationsstelle; Hand-Fuß-Mund-Krankheit: graue, elliptische, 2-4 mm große Bläschen, umgeben von einem erythematösen Hof; evtl. Bildung großer Blasen; häufig hämorrhagische Onychomadese. Ausgeschlossen werden können Affenpocken laut Khanna et al. bei Personen, die nicht innerhalb von fünf Tagen nach dem ersten Auftreten von Symptomen einen Ausschlag entwickeln. Meist spontane Abheilung Normalerweise heilen Affenpocken auch ohne Behandlung innerhalb von zwei bis vier Wochen ab. Die Betroffenen sollten sich drei Wochen lang isolieren, was bei unkompliziertem Verlauf im Prinzip auch zu Hause möglich ist. Dabei können bei Bedarf topische Zubereitungen zur Schmerzlinderung zum Einsatz kommen. Für die antivirale Therapie kommen theoretisch zwei orale Substanzen infrage, die allerdings nur sehr begrenzt verfügbar sind: das in der EU zugelassene Tecovirimat, welches täglich über zwei Wochen verabreicht wird, und Brincidofovir (ohne EU-Zulassung), das einmal wöchentlich gegeben werden soll (insgesamt zwei Dosen). Unter dieser Therapie wurden jedoch teilweise erhebliche Anstiege der Leberwerte beobachtet. Die Erfahrungen mit den beiden Medikamenten bei Affenpocken sind zumindest hierzulande gering. Dem New Yorker Team zufolge kann die antivirale Therapie unter Umständen bei folgenden Gruppen erwogen werden: immungeschwächte Menschen, Patienten mit kritischen Lokalisationen, Kinder unter acht Jahren, schwangere oder stillende Frauen. STIKO-Empfehlungen zur Impfung In Deutschland empfiehlt die STIKO derzeit die Impfung mit dem Pockenimpfstoff Imvanex®, der auch gegen Affenpocken wirksam ist, allerdings nur bei Erwachsenen über 18 Jahre für folgende Indikationen: als Postexpositionsprophylaxe (PEP) bei asymptomatischen Personen nach engem körperlichem Kontakt (sexueller Kontakt oder Haushaltskontakt) oder längerem ungeschütztem Face-to-Face-Kontakt mit einer an Affenpocken erkrankten Person, als Indikationsimpfung von Personen mit erhöhtem Expositions- und Infektionsrisiko (hierzu zählen z. B. Männer, die Sex mit häufig wechselnden männlichen Partnern haben), bei Laborpersonal nach akzidentell ungeschütztem Kontakt zu Proben, die nicht-inaktiviertes Affenpockenmaterial enthalten. Die Infektion mit Affenpocken ist in Deutschland meldepflichtig.

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