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30.05.2022 | Mpox | Nachrichten

Medizinische Fachgesellschaften

Ruf nach konsequenten Maßnahmen gegen Affenpocken

verfasst von: Wolfgang Geissel

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Sechs medizinische Fachgesellschaften fordern rasche Aufklärung in Risikogruppen, Beschaffung von Impfstoffen und Medikamenten und Pläne für Prävention und Therapie.

Sechs deutsche medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften fordern rasches und konsequentes Handeln gegen den Ausbruch von Infektionen mit Affenpockenviren. Besonders wichtig seien jetzt zielgruppenspezifische Aufklärung („awareness“), Isolation infizierter Patienten, Quarantäne für Kontaktpersonen und Verdachtsfälle sowie Risikominimierung bei zwischenmenschlichen Kontakten. Es müsse zudem rasch evaluiert werden, ob und wie eine Impfung dazu beitragen könne, den Ausbruch zu begrenzen. Für Patienten mit hohem Risiko für schwere Verläufe müssten zudem Therapeutika verfügbar gemacht werden.

Nach einem ersten Infektionsfall mit Affenpocken am 19. Mai sind in Deutschland bis zum 30. Mai 21 Fälle gemeldet worden, berichtet das Robert Koch-Institut (RKI). Weitere Fälle seien zu erwarten. Zwar schätzt das RKI eine Gesundheitsgefahr für breite Bevölkerungskreise in Deutschland als gering ein. Das Institut rät Ärzten aber, Affenpocken bei unklaren pockenähnlichen Hauteffloreszenzen oder Läsionen in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen.

Urteil zum Ausmaß der Erkrankungen schwierig

Von dem Ausbruch waren bisher schwerpunktmäßig jüngere Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), betroffen. Allerdings gab es auch bereits innerfamiliäre Übertragungen, so die Gesellschaften in ihrem Papier. Passend zu dem aus Westafrika stammenden Poxvirus sei der klinische Krankheitsverlauf bisher relativ mild. Die Erreger werden über direkten Haut- oder Schleimhaut-Kontakt oder via Tröpfcheninfektion weitergegeben. Die Fallzahlen steigen. Aktuell ist es schwierig, das Ausmaß des Ausbruchs zu beurteilen und die Kontaktketten nachzuverfolgen, was unter anderem an der langen Inkubationszeit von ein bis drei Wochen liegt.

In ihrem gemeinsamen Papier warnen die Medizinischen Fachgesellschaften zudem: Um den globalen Ausbruch wirksam einzudämmen, Infektionsketten zu unterbrechen und einen Eintrag der Erreger in das Tierreich außerhalb der Endemiegebiete zu verhindern „ist ein entschlossenes, schnelles und abgestimmtes Handeln erforderlich“. Die Gesellschaften schlagen dazu vor:

  • eine zielgruppenspezifische und Lebenswelt-akzeptierende Aufklärung („awareness“) für potenziell Betroffene und medizinisches Personal. Wichtig dabei: Nicht Pocken-geimpfte Personen (keine Impfbescheinigung oder Impfnarben) sollen wechselnde Sexualkontakte oder das Teilen von Betten und Kleidung meiden.
  • Gesichert Infizierte sollen 21 Tagen in wirksamer Isolation verbleiben. Stationäre Behandlung nur aus Isolationsgründen ist nicht erforderlich. Betroffene sollten nur aus medizinischen Gründen bei schweren klinischen Verläufen oder drohenden Komplikationen stationär behandelt werden.
  • Kontaktpersonen mit relevantem Infektionsrisiko und Verdachtsfälle sollen sich während der Inkubationszeit oder bis zum sicheren Ausschluss der Infektion in Quarantäne begeben.
  • Medizinisches Personal soll bei Versorgung der genannten Gruppen geeignete Schutzkleidung (Maske, Handschuhe, Kittel) tragen.

In der EU ist ein Totimpfstoff (MVA-BN) zum Schutz vor Pocken-Infektionen (variola major, Orthopoxvirus) für Erwachsene zugelassen. Dieser ist in den USA und Kanada auch für die Prävention von Affenpocken zugelassen. Allerdings: Die klinische Wirksamkeit bei Menschen konnte aufgrund bisher nur sporadischer Infektionsfälle nicht in ausreichender Qualität hoben werden.

Verfügbarkeiten von Impfstoff und Virustatika prüfen!

Weitere Forderungen: In nicht-pockengeimpften Geburtsjahrgängen (etwa ab den frühen 1970er Jahren) den Schutz vor Infektion und Erkrankung deutlich verbessern. Insbesondere im Umfeld bekannter Infektionscluster könnte eine Impfung Infektionen vermeiden oder Krankheitsverläufe abmildern und das Ausbruchsgeschehen erheblich begrenzen.

EMA (EU-Zulassung) und STIKO (Impfempfehlung) sollten diese Option zeitnah prüfen. Parallel sollte geprüft werden, ob der Impfstoff in ausreichenden Mengen beschafft werden kann. Auch sollten Impfempfehlungen und Impfungen vorbereitet werden. Geimpft werden sollte in infektiologischen Schwerpunktzentren und beim öffentlichen Gesundheitsdienst.

Für vulnerable Patientengruppen (etwa Immundefizienz) sollten therapeutische Optionen bereitstehen. In der EU ist mit Tecovirimat ein antivirales Medikament gegen Affenpockeninfektionen zugelassen, eine Alternative ist das nicht dafür zugelassene Virostatikum Brincidofovir. Die Verfügbarkeit der Arzneien muss sichergestellt werden. Behandelt werden sollte ebenfalls in etablierten infektiologischen Schwerpunktzentren.

An der gemeinsamen Stellungnahme sind beteiligt:

  • Deutsche AIDS Gesellschaft (DAIG)
  • Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI)
  • Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI)
  • Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)
  • Gesellschaft für Virologie (GfV)
  • Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä)
  • Ständige Impfkommission (STIKO).

Quelle: Ärzte Zeitung

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