Bei geringer Urinausscheidung droht akutes Nierenversagen

Für Patienten, die einen endoprothetischen Ersatz von Hüft- oder Kniegelenk benötigen, ist das Risiko für einen akuten Nierenschaden erhöht. Wer hier nur auf das Serum-Kreatinin achtet, läuft Gefahr, viele Fälle zu übersehen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Häufigkeit perioperativer akuter Nierenschädigung (AKI) liegt je nach Eingriff und Risikofaktoren der Patienten zwischen 0,5% und 40%. Zu den Diagnosekriterien zählt laut KIDGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) neben dem Kreatininwert im Serum auch die Menge des ausgeschiedenen Urins. Letzteres ist in Studien zur AKI nach Gelenkersatz jedoch mangels Daten häufig nicht berücksichtigt worden. Finnische Anästhesisten, angeführt von Okke Nikkinen (Universität Oulu), haben das jetzt nachgeholt. Ihre Ergebnisse zeigen, wie wichtig eine Oligurie von durchschnittlich weniger als 0,5 ml/kg/h über einen Zeitraum von 48 Stunden nach der Op. für die Diagnose einer akuten Nierenschädigung ist; dies modifiziert das KIDGO-Kriterium zur Oligurie, das auf eine Oligurie von sechs Stunden bezogen ist. Besonders ins Gewicht fällt dabei die Ausscheidung während des ersten Tages nach dem Eingriff. Nikkinen und Kollegen haben die Registerdaten von 731 Patienten mit elektivem Hüft- oder Kniegelenkersatz retrospektiv analysiert. Hinzu kamen die Angaben zu 170 notfallmäßig mit Hüftgelenkersatz versorgten Patienten. 2,5% der elektiv und 14,1% der notfallmäßig operierten Patienten glitten in den ersten sieben Tagen nach dem Eingriff in eine AKI. Die Ein-Jahres-Mortalität der elektiv versorgten Patienten mit Nierenversagen betrug 11,1% (ohne AKI: 1,5%); bei den notfallmäßig Operierten lag sie bei 37,5% (16,4%). War die AKI nur mit Blick auf das Serumkreatinin in den ersten sieben Tagen nach der Operation gemäß den KIDGO-Kriterien diagnostiziert worden, erreichte der Anteil der nach einem Jahr verstorbenen Patienten mit (elektivem oder notfallmäßigem) Gelenkersatz 31,3%. Von den Patienten, bei denen allein die Oligurie das ausschlaggebende AKI-Kriterium gewesen war – 40,5% der AKI-Patienten –, lebten 23,5% nicht mehr. Waren beide Kriterien erfüllt, betrug die Mortalität nach einem Jahr 22,2%. Statistisch signifikant war die Assoziation zwischen Oligurie und AKI am ersten postoperativen Tag. Besonders markant erhöht war das Risiko für AKI nach notfallmäßiger Hüftarthroplastik. Da eine akute Nierenschädigung sowohl nach elektiver als auch nach Notoperation die Sterblichkeit erhöhe, sollte erwogen werden, die perioperative Oligurie als diagnostisches Kriterium heranzuziehen, schreiben Nikkinen et al. „Der alleinige Fokus auf dem Serum-Kreatinin führt womöglich dazu, viele Fälle von AKI zu übersehen.“ Das Wichtigste in Kürze Frage: Welche Bedeutung hat die Oligurie als diagnostisches Kriterium für ein akutes postoperatives Nierenversagen nach einer Hüft- oder Kniearthroplastik? Antwort: Eine Oligurie – mit oder ohne erfüllte KIDGO-Kriterien für das Serum-Kreatinin – kann auf einen akuten Nierenschaden hinweisen. Bedeutung: Oligurie sollte neben den KIDGO-Kreatinin-Kriterien als Zeichen für einen postoperativen Nierenschaden nach Gelenkersatz herangezogen werden. Patienten mit Oligurie haben selbst dann eine deutliche erhöhte Mortalität, wenn sie keine Veränderungen des Serum-Kreatinins aufweisen. Einschränkung: Es handelt sich um eine retrospektive Studie, die nur Assoziationen darstellen kann. Zudem musste das KIDGO-Kriterium zur Oligurie für die AKI-Diagnose modifiziert werden.

Springer Medizin

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