Wenn Vitamin-B₁₂-Mangel an die Nerven geht

Ein Mangel an Vitamin B12 kann zu neurologischen Störungen führen und die kognitive sowie psychische Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Die Symptome eines Vitamin-B12-Mangels entwickeln sich durch die allmähliche Verarmung der Speicher in Leber und Muskulatur schleichend. Unbehandelt ist zunehmend die Erythrozytenreifung im Knochenmark gestört, und es kann zu einer makrozytären Anämie kommen. Vielfältiger sind die Mangelerscheinungen im Nervensystem: Im ZNS können neurologische und kognitive Störungen entstehen, im peripheren Nervensystem kann sich eine überwiegend sensible Polyneuropathie entwickeln, berichtete Professor Karlheinz Reiners, Erkelenz. Vitamin B12 ist für die Aufrechterhaltung der Markscheiden und die Regeneration geschädigter Axone von Bedeutung. Ein Mangel des Vitamins begünstigt die Demyelinisierung. Im ZNS sind besonders die weiße Substanz, die Pyramidenbahn und die Hinterstränge des Rückenmarks von einem Vitamin-B12-Mangel betroffen. Das sensible Ausfallmuster zeigt sich z.B. im „Manschettengefühl“ (als Hinterstrangsymptom) und in neuropathischen Symptomen wie Taubheit oder Kribbeln. In Studien kam es bei Patienten mit mikroangiopathischem Schlaganfall und manifestem Vitamin-B12-Mangel zur schnelleren Progression der periventrikulären Leukenzephalopathie [1]. Bei Patienten mit lakunärem Schlaganfall und niedrigem Vitamin-B12-Spiegel wurde häufiger eine periventrikuläre Leukenzephalopathie beobachtet [2]. Fatigue und Depressionen traten doppelt so häufig auf [3]. Die psychiatrischen Manifestationen des Vitamin-B12-Mangels reichen von Gedächtnisstörungen, Verwirrtheitszuständen oder Halluzinationen bis hin zu psychotischen Symptomen und Persönlichkeitsveränderungen. Hinter Unruhezuständen, Panikstörungen, Konzentrationsstörungen, Antriebsarmut oder Schlafstörungen können erniedrigte Vitamin-B12-Spiegel stecken, erklärte Dr. Andreas Leischker, Klinik für Geriatrie, Krefeld. Bleibt der Vitamin-B12-Mangel unbehandelt, kann er eine Demenz verursachen. Bei geriatrischen Patienten mit Verdacht auf Demenz war Vitamin-B12-Mangel die zweithäufigste reversible Ursache [4]. Bei Patienten mit milder kognitiver Störung ist eine niedrige Vitamin-B12-Konzentration mit einer deutlich geringeren Gedächtnisleistung assoziiert [5]. Orale Hochdosis ist wirksam Das Defizit lässt sich effektiv durch hochdosierte orale Substitution von Vitamin B12 (z.B. B12 Ankermann® mit 1000 µg Cyanocobalamin pro Dragee) behandeln. Bei frühzeitiger Therapie sind auch schwere Manifestationen reversibel, betonte Reiners. In Zweifelsfällen sei eine probatorische Behandlung möglich. Bei hochdosierter oraler Gabe kann das Vitamin in relevanter Menge unabhängig vom Intrinsic Factor durch Diffusion passiv über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Orales Cyanocobalamin in Dosierungen von 1000 bis 2000 µg ist einer Metaanalyse zufolge ebenso effektiv wie die parenterale Gabe – selbst bei Resorptionsstörungen, betonte Reiners [6]. In einer Dosisfindungsstudie waren Dosierungen ab 600 µg/Tag wirksam, am wirksamsten war die Dosierung von 1000 µg/Tag [7]. Vitamin-B12-Mangel: Was sind die Risikogruppen? mehr Frauen als Männer Vegetarier/Veganer Schwangere/Stillende Höheres Lebensalter Fremdversorgung mit Essen Patienten mit Anorexie oder forcierter Kalorienreduktion USA: mehr Weiße als Farbige Raucher Patienten mit disponierenden Erkrankungen, vor allem Niereninsuffizienz Chronische (atrophe) Gastritis Erhöhter Alkoholkonsum Medikation mit Säureblockern Chronische Darmerkrankungen Autoimmunerkrankungen Diabetiker (insbesondere bei Metformin-Medikation) Risikogruppen im Blick behalten! Bei frühzeitiger Diagnose des Vitamin-B12-Mangels können schwerwiegende Folgen durch Substitution verhindert werden. Als Ursachen für den Vitamin-B12-Mangel dominieren bei Säuglingen, Kindern, Schwangeren und Stillenden ein erhöhter Bedarf sowie eine unzureichende Zufuhr des Vitamins über die Nahrung. Zu den Risikogruppen zählen auch Veganer und Vegetarier, da Vitamin B12 vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch, Milch oder Eiern enthalten ist. Bei älteren Menschen kann nicht nur die mangelnde Zufuhr mit der Nahrung zum Vitamin-Defizit führen, oft ist eine mangelnde Resorption des Vitamins die Ursache für Mangelerscheinungen. Das ist der Fall bei beispielsweise Erkrankungen wie der atrophischen Gastritis oder der perniziösen Anämie oder bei der Einnahme von Medikamenten wie Protonenpumpenhemmern oder dem Antidiabetikum Metformin (s. Kasten). Literatur van Overbeek EC et al., PloSOne 2013, 8:e78100 Pieters B et al., Stroke 2009, 40: 1623-1626 Huijts M et al., PloSOne 2012, 7:e30519 Diukic M et al., Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2015, 265, 5: 429-438 Köbe T et al., Am J Clin Nutr 2016, 103: 1045-1054 Vidal-Alaball JV et al., The Cochrane Database Syst Rev 2005, Jul 20 (3): CD004655 Eussen SJPM et al., Arch Intern Med 2005, 165: 1167-1172 Impressum 7. Vitamin-B12-Symposium: Mangelware Vitamin B12 – Lebenslang lebenswichtig Frankfurt am Main, 8. September 2018 Berichterstattung: Dagmar Jäger-Becker, Rodgau Artikel gedruckt in ÄrzteZeitung Nr. 121-219D Mittwoch, 14.11.2018 Mit freundlicher der Unterstützung der Wörwag Pharma GmbH & Co. KG, Böblingen Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Inge Kunzenbacher Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Wenn Vitamin-B12-Mangel an die Nerven geht An möglichen Vitamin-B12-Mangel denken! Vitamin-B12-Mangel kann sich in allen Lebensphasen bemerkbar machen: Vom Säugling bis zum Senior führt ein Defizit an Vitamin B12 (Cobalamin) zu Störungen der Blutbildung oder des Nervensystems. Leichter Vitamin-B12-Mangel äußert sich zunächst unspezifisch mit Müdigkeit und Erschöpfung und wird selten frühzeitig erkannt. Ein langfristig bestehender Mangel kann zu hyperchromer makrozytärer Anämie, irreversiblen neurologischen Störungen, neuropsychiatrischen Symptomen oder zu Hautveränderungen führen. Die neurologischen Symptome können den hämatologischen Anomalien deutlich vorausgehen, mitunter bleiben die Blutbildveränderungen ganz aus, erläuterte Dr. Andreas H. Leischker von der Klinik für Geriatrie in Krefeld. Risikogruppen für einen Vitamin-B12-Mangel sind Säuglinge und Kinder, Schwangere und Stillende, Vegetarier und ältere Menschen. Auch Menschen mit chronischen Erkrankungen, Raucher und Alkoholkranke sind gefährdet. Resorptionsstörung bei Älteren Bei bis zu 30 Prozent der Senioren sind Vitamin-B12-abhängige Stoffwechselprozesse gestört. In Industrieländern ist mangelnde Resorption eine häufige Ursache eines Vitamin-B12-Defizits, denn bei Vorliegen einer atrophischen Gastritis oder perniziösen Anämie wird das an Nahrungsprotein gebundene Vitamin B12 unzureichend abgespalten und aufgrund des im Darm oft fehlenden Intrinsic Factors nicht ausreichend resorbiert. Eine häufige Ursache für eine schlechte Resorption ist auch die dauerhafte Einnahme von Medikamenten wie Protonenpumpenhemmern oder Metformin: Unter Magensäuremangel ist die Vitamin-B12-Resorption um rund 70 Prozent reduziert, von den mit Metformin behandelten Typ-2-Diabetikern haben 14 Prozent einen Vitamin-B12-Mangel, so Leischker. Nach Leischkers Empfehlung sollte der Arzt auch bei leichten kognitiven Beeinträchtigungen, Alzheimer-Demenz oder Depressionen an ein Vitamin-B12-Defizit denken. Als psychiatrische Symptome des Cobalaminmangels können Gedächtnisstörungen, Verwirrtheitszustände, Halluzinationen sowie psychotische Symptome bis hin zur Katatonie auftreten. Auch bei Persönlichkeitsveränderungen mit Unruhe, Antriebsarmut oder Schlafstörungen lohnt es sich, als mögliche Ursache den Vitamin-B12-Status zu überprüfen. Mehr als 30 Prozent aller Patienten mit Depressionen weisen erniedrigte Vitamin-B12-Serumspiegel auf, depressive Patienten mit hohen Cobalaminspiegeln sprechen besser auf eine antidepressive Therapie an. Wie Leischker betonte, kann der Mangel durch eine ausreichend hoch dosierte orale Therapie mit >1000 µg Cyanocobalamin täglich ausgeglichen werden. Zweistufige Diagnosestrategie Für eine sichere und frühzeitige Diagnostik des Vitamin-B12-Mangels eignet sich eine Zwei-Phasen-Diagnosestrategie mit der kombinierten Bestimmung der Biomarker Holotranscobalamin, der aktiven Form des Vitamin B12 (HoloTC), und Methylmalonsäure (MMA), sagte Professor Rima Obeid von der Universitätsklinik des Saarlandes. Vitamin-B12-Mangel: klinische Endpunkte Schwangerschaft: Komplikationen Geburtsdefekte Fehlgeburten Kindsentwicklung bis 6 Jahre: Wachstum Kognition Blutzellen: Megaloblastäre Zellen Anämie Leber: alkoholbedingte und nicht alkoholbedingte Fettleber (Diabetes, Übergewicht) Neurologische Manifestationen: Depression Polyneuropathie Demenz Hochdosiertes Vitamin B12 oral effektiv Um schwerwiegende, teils irreversible Folgen eines Vitamin-B12-Mangels zu verhindern, sollte der Nährstoffmangel früh durch Supplementierung ausgeglichen werden. Dafür ist nicht mehr eine parenterale Therapie mit Injektionen nötig: Eine Metaanalyse randomisierter, kontrollierter Studien durch die Cochrane-Gruppe zeigte, dass oral verabreichtes Cyanocobalamin in Dosierungen von 1000 µg bis 2000 µg selbst bei Resorptionsstörungen ebenso wirksam wie eine parenterale Therapie ist [1]. Die meisten Patienten bevorzugen aber die orale Therapie [2]. Für die hochdosierte orale Therapie des Vitamin-B12-Mangels eignet sich z.B. das Präparat B12 Ankermann®, das mit 1000 µg Cyanocobalamin pro Dragee das höchstdosierte orale Vitamin-B12-Arzneimittel auf dem deutschen Markt ist. Das nicht verschreibungspflichtige Präparat ist exklusiv in Apotheken erhältlich. Vergiftungen oder Überdosierungserscheinungen sind nicht bekannt. Literatur Vidal-Alaball JV et al., The Cochrane Database Syst Rev 2005, Jul 20 (3): CD004655 Metaxas C et al., Swiss Med Wkly 147, w14421 2017, doi: 10.4414/smw.2017.14421 Impressum 7. Vitamin-B12-Symposium: Mangelware Vitamin B12 – Lebenslang lebenswichtig Frankfurt am Main, 8. September 2018 Berichterstattung: Dagmar Jäger-Becker, Rodgau Artikel gedruckt in ÄrzteZeitung Nr. 113-207D Freitag, 26. Oktober 2018 Mit freundlicher der Unterstützung der Wörwag Pharma GmbH & Co. KG, Böblingen Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Inge Kunzenbacher Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: An möglichen Vitamin-B12-Mangel denken!

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