Die beste Tageszeit für Checkpoint-Hemmer-Infusionen

Ob die maximale Wirkung einer Immuntherapie erreicht wird, scheint auch davon abzuhängen, zu welcher Tageszeit sie gegeben wird. Denn auch die Zellen des Immunsystems folgen einer zirkadianen Rhythmik. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die „innere Uhr“, mit der physiologische Vorgänge an einen 24-Stunden-Rhythmus angepasst werden, beeinflusst auch die Funktion des Immunsystems. Zum Beispiel ist die Zahl der CD4- und CD8-positiven T-Zellen im Blut einer zirkadianen Rhythmik unterworfen, mit einem Nadir um 16 Uhr. Abendliche Impfungen z. B. gegen Influenza und Hepatitis A rufen durchgängig eine schwächere spezifische Immunantwort hervor als Impfungen am Tag. Onkologen aus den USA haben nun Indizien dafür, dass auch die Behandlung mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) weniger wirksam ist, wenn sie erst spätnachmittags oder abends erfolgt. David Qian und sein Team haben die zirkadianen Effekte der ICI-Therapie in einer Längsschnittstudie mit Melanompatienten ihrer Klinik untersucht. Zwischen 2012 und 2020 sind an der Emory University in Atlanta 299 erwachsene Patienten mit Stadium-4-Melanomen mit Ipilimumab, Nivolumab oder Pembrolizumab behandelt worden. Die im Mittel 61 Jahre alten Patienten wurden median 27 Monate lang nachbeobachtet. Ein Viertel von ihnen hatte mindestens 20% der Infusionen nach 16.30 Uhr („abends“) erhalten. Diese Patienten hatten deutlich schlechtere Überlebenschancen als Patienten mit einem geringeren Anteil von abendlichen Infusionen. Schlechtere Überlebenschancen Um auszuschließen, dass die kürzeren Überlebenszeiten auf den Einfluss anderer prognoserelevanter Faktoren zurückgingen, wurden jeweils 73 Patienten mit weniger als 20% bzw. mit mindestens 20% Abendinfusionen ausgewählt, die bezüglich Tumoreigenschaften und Radiotherapie vergleichbar waren (Propensity-Score Matching). Auch in dieser Analyse erwies sich der höhere Anteil abendlicher Infusionen als Nachteil: Das mediane Gesamtüberleben betrug 4,8 Jahre, während es in der Vergleichsgruppe noch nicht erreicht war. Das Risiko, im Beobachtungszeitraum zu sterben, war damit bei einem mindestens 20%igen Anteil von Infusionen nach 16:30 Uhr doppelt so hoch wie bei einem geringeren Anteil. Zu einem fast identischen Ergebnis – einer 1,8mal so hohen Gesamtmortalität – kam eine multivariable Analyse der Gesamtgruppe. Empfehlung der Redaktion Monoklonale Antikörper in der Krebstherapie – Themenseite Eine bahnbrechende Erfindung in der onkologischen Therapie stellen Antikörper dar. Auf unserer Themenseite finden sie Berichte zu neuen Wirksamkeitsstudien, zu Nebenwirkungsanalysen sowie lehrreiche Übersichtsarbeiten zu den verschiedenen therapeutischen Antikörpern in der Onkologie. Von den Patienten, die mindestens 20% der ICI-Infusionen abends erhielten, war außerdem nach einem Jahr ein geringerer Anteil noch ohne Progression am Leben. Sie hatten zudem seltener eine Komplettremission erreicht. Keine Auswirkungen hatte die Applikationszeit dagegen auf die Nebenwirkungen der Immuntherapie. "Infusionen vor dem Nachmittag einplanen" „Unsere Beobachtungen legen nahe, dass die Vermeidung abendlicher ICI-Infusionen durch eine bessere Integration in die zirkadiane Rhythmik des Immunsystems das Gesamtüberleben verlängern kann“, lautet das Fazit von Qian et al. Angesichts einer Halbwertszeit der untersuchten ICI von 2–3,5 Wochen sei ein solcher Effekt vielleicht nicht unbedingt zu erwarten. Die komplexe Verteilungskinetik der ICI könne dafür jedoch eine Erklärung bieten. So habe man z. B. in präklinischen Studien festgestellt, dass schon 30 Minuten nach der Injektion von Pembrolizumab in den lymphatischen Organen eine maximale Konzentration erreicht wird und der Spiegel bereits nach zwölf Stunden wieder stark zurückgegangen ist. Die Forscher wollen den Zusammenhang jetzt in einer randomisierten kontrollierten Studie überprüfen. Bis Ergebnisse vorliegen, raten sie, bei Patienten mit fortgeschrittenen Melanomen ICI-Infusionen vor dem Nachmittag einzuplanen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wirkt sich die Tageszeit, zu der Melanompatienten mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) behandelt werden, auf das Gesamtüberleben aus? Antwort: Ja. Patienten, die mindestens 20% der ICI-Infusionen nach 16:30 Uhr erhielten, hatten eine doppelt so hohe Gesamtmortalität wie Patienten mit weniger Abendinfusionen. Bedeutung: Zur Maximierung der Wirksamkeit von ICI bei Melanompatienten könnte es sinnvoll sein, Infusionen vor dem späten Nachmittag anzulegen. Einschränkung: Retrospektive Studie an einem einzelnen Zentrum.

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Die beste Tageszeit für Checkpoint-Hemmer-Infusionen

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Onkologie

Prostatakarzinom: EU initiiert neues Screeningkonzept

Blasenkarzinom – Biomarker statt Zytologie?

Stereotaktische Radiatio schlägt konventionelle Bestrahlung

Adjuvante Brustkrebstherapie: Doppelt hält besser

Update Onkologie