Colistin: Flotter Resistenzgen-Transfer in Tier und Mensch

Ein neu entdeckter Resistenzmechanismus gegen das Reserveantibiotikum Colistin in Enterobakterien sorgt derzeit für Klärungsbedarf. Die aktuellen Erkenntnisse unterstreichen die immer wieder vorgetragene Forderung, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung auf das absolut notwendige Maß zu beschränken. Seit langem wird Colistin (Polymyxin E) vor allem in der Nutztierhaltung verwendet. Wegen seiner nephrotoxischen Nebenwirkungen wird das Peptid-Antibiotikum in der Humanmedizin eher selten eingesetzt. Als Reservepräparat gehört es bei schweren Infektionen mit multiresistenten und carbapenemresistenten gramnegativen Enterobakterien oder Acinetobacter baumannii aber durchaus zum parenteralen Therapiespektrum. Colistinresistenzen sind seit Jahren aus der Tiermedizin bekannt. Bisher ging man allerdings davon aus, dass das zuständige Resistenzgen fest im Genom der Bakterien verankert ist. Nun wurde ein Resistenzgen gefunden (mcr-1), das Aufsehen wegen seiner Lokalisation erregt. Denn es sitzt auf einem Plasmid, einem kleinen ringförmigen DNA-Molekül im Zytoplasma, das etwa im Darm von Mensch und Tier ziemlich mühelos zwischen verschiedenen Bakterien hin- und hergeschoben werden kann (horizontaler Gentransfer durch Konjugation), selbst wenn diese unterschiedlichen Spezies angehören. Zudem kann das mcr-1-Gen in das Bakterienchromosom integrieren und damit auch an alle Nachkommen weitergegeben werden. Mittlerweile wurde ein zweites übertragbares Colistin-Resistenzgen (mcr-2) entdeckt. Das deutsche Zoonose-Monitoring am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) der Jahre 2010–2015 hat gezeigt: 5–10% der Escherichia(E.)-coli-Isolate von Nutztieren sind gegen Colistin resistent, wobei Geflügel am stärksten betroffen ist. Und bei der Mehrzahl (80%) der colistinresistenten E. coli wurde das mcr-1-Resistenzgen nachgewiesen. mcr-1-positive Keime auch aus Harnwegen und Wunden isoliert In der Humanmedizin wurden bislang nur wenige mcr-1-positive Enterobakterien isoliert (Resistenzraten < 1%). Einzelfallberichte von mcr-1-positiven, multiresistenten, gramnegativen (MRGN) Isolaten von Krankenhauspatienten existieren aber auch aus Deutschland, etwa von Patienten mit Wund- oder Harnwegsinfektionen. Da Colistin-Resistenzen in vielen mikrobiologischen Routinelabors in Deutschland derzeit im Rahmen der Standardtests nicht miterfasst werden, stehen noch keine repräsentativen Daten hierzu zur Verfügung. Erste Resistenzstudien weisen aber auch hierzulande auf Colistin-Resistenzen hin (Resistenzraten je nach Keim zwischen 0,2 und 9,4%), weshalb das RKI dringend eine genauere Untersuchung fordert. Am Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Krankenhauserreger sowie am RKI werden eingesandte Isolate auf mcr-1 geprüft. Von den seit Jahresbeginn 41 colistinresistenten E.- coli- und Klebsiella-pneumoniae-Isolaten, die bei der automatisierten Routinetestung aufgefallen waren, fanden sich bei der PCR-Untersuchung im RKI elf mcr-1-positive E. coli, vorwiegend von Patienten mit Harnwegsinfektionen. Im NRZ waren im Jahr 2016 insgesamt 180 von 1374 getesteten Isolaten colistinresistent. Hier wurde allerdings bei keinem der Isolate das mcr-1-Gen nachgewiesen. In einem retrospektiven Screening aller carbapenemasepositiven Enterobakterien-Isolate des Jahres 2015 ergab sich für die NRZ-Proben eine Prävalenz des mcr-1-Gens von 0,3%. Einschränkung auf das absolut notwendige Maß Nach Einschätzung des RKI stellt die auf dem Plasmid lokalisierte Colistin-Resistenz in Enterobakterien „ein erhebliches Bedrohungspotenzial dar, auch wenn die Prävalenz den vorliegenden Daten zufolge in humanen Isolaten noch sehr gering ist“. Denn indem Colistin bei Nutztieren eingesetzt werde, sei ein Resistenzgen-Reservoir entstanden, das die Möglichkeit einer Übertragung auf den Menschen eröffne. Angaben des BfR zufolge wurden im Jahr 2015 rund 82 Tonnen Colistin an Tierärzte und tierärztliche Hausapotheken abgegeben. Grund genug für die European Medicine Agency (EMA) zusammen mit der European Food Safety Authority (EFSA) und der Europäischen Kommission dringend geeignete Maßnahmen zu fordern, um den Einsatz von Colistin in der Tiermedizin zu reduzieren. Dass auch der Mensch als Vektor zur Verbreitung nicht zu unterschätzen ist, zeigen Nachweise von mcr-1-E.-coli bei Reiserückkehrern aus Indien in die Schweiz. Um einen Überblick über die aktuelle Resistenzlage in Deutschland zu erhalten, fordert das RKI eine intensivierte Überwachung der Resistenzsituation im veterinär- und im humanmedizinischen Bereich. Deshalb sollen auch weiterhin alle colistinresistenten humanen Isolate zur kostenlosen Abklärung des Resistenzmechanismus an das NRZ oder das RKI gesendet werden.

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