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2020 | Buch

Arzneiverordnungs-Report 2020

herausgegeben von: Prof. Dr. Ulrich Schwabe, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Der Arzneiverordnungs-Report ist seit 1985 eine gemeinsame Publikation von Autoren aus Pharmakologie, Klinik, Praxis, Gesundheitsökonomie und Krankenversicherung. Basis sind die Verordnungsdaten von Arzneimitteln für ambulante Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Datenbasis des Jahres 2019 sind 820 Millionen Verordnungen von 179.805 Vertragsärzten und 63.360 Vertragszahnärzten für 73,195 Mio. GKV-Versicherte.
Die allgemeine Verordnungs- und Marktentwicklung wird in 5 Kapiteln dargestellt, in denen zusätzlich 31 neue Arzneimittel des Jahres 2019, Biologika und Biosimilars, 10 Jahre AMNOG und europäische Arzneimittelpreise für Biosimilars thematisiert werden. Die speziellen Verordnungsdaten der 3000 meistverordneten Arzneimittel werden in 39 Kapiteln für die führenden Indikationsgruppen evidenzbasiert analysiert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Allgemeine Verordnungs- und Marktentwicklung

Frontmatter
1. Arzneiverordnungen 2019 im Überblick
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Ausgabenprofil Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit Zuzahlungen der Versicherten (V) sind nach der vorjährigen Zunahme auch 2019 erneut um 5,4 % auf 43,363 Mrd. € (\(+\)2,210 Mrd. €, Konto 04399V) gegenüber dem Vorjahr angestiegen und liegen damit weiterhin bei 17,2 % der Leistungsausgaben der GKV (Bundesministerium für Gesundheit 2020, KV45). Die GKV-Gesamtausgaben stiegen auf 251,943 Mrd. € (\(+\)5,3 %). Den größten Block in den GKV-Ausgaben bilden weiterhin mit großem Abstand die Kosten für Krankenhausbehandlung mit 80,900 Mrd. € (\(+\)3,9 %, Konto 04699V). Danach folgen die bereits genannten Arzneimittelausgaben, die Ausgaben für die vertragsärztliche Versorgung mit 41,059 Mrd. € (\(+\)4,0 %, Konto 04099P) und die Ausgaben für zahnärztliche Behandlung mit 15,014 Mrd. € (\(+\)3,9 %, Konto 04299Z). Die erhöhten GKV-Ausgaben erklären sich zum Teil dadurch, dass sich die Gesamtzahl der GKV-Versicherten von Juli 2018 bis Juli 2019 auf 73,195 Mio. (Vorjahr 72,997 Mio. \(+\)2,7 %, Konto 09996) erhöht hat, sodass die Veränderungswerte je Versicherten entsprechend geringere Ausgabenanstiege ergeben. Dem Ausgabenanstieg stehen Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 250,428 Mrd. € gegenüber, woraus ein Defizit von 1,515 Mrd. € resultiert (Bundesministerium für Gesundheit 2020).
Ulrich Schwabe, Wolf-Dieter Ludwig
2. Neue Arzneimittel 2019
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Im Jahr 2019 wurden 31 neue Wirkstoffe in Deutschland auf den Markt gebracht und damit etwas weniger als im Vorjahr (37 Arzneimittel). Davon wurden 10 neue Wirkstoffe als Orphan-Arzneimittel zugelassen. Weitere Neueinführungen betrafen patentgeschützte Arzneimittel mit neuen Indikationen bereits bekannter Wirkstoffe (37 Präparate) sowie neue Kombinationen bekannter Wirkstoffe (8 Präparate).
Bewertung Auf Innovationen entfielen 2019 insgesamt 13 Wirkstoffe mit einem neuartigen Wirkmechanismus. Beachtenswert sind zwei weitere gentherapeutische Arzneimittel (Axicabtagen-Ciloleucel, Voretigen Neparvovec). Sechs Wirkstoffe wiesen verbesserte pharmakodynamische oder pharmakokinetische Eigenschaften bereits bekannter Wirkprinzipien auf. Die Gruppe der Analogpräparate war 2019 mit 13 Wirkstoffen vertreten. Die frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittel zeigte bei 13 der 31 neuen Wirkstoffe einen Zusatznutzen in mindestens einer bewerteten Teilindikation gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Bei 13 neuen Arzneimitteln ergab die frühe Nutzenbewertung keinen Zusatznutzen. Fünf weitere neue Wirkstoffe wurden nicht bewertet, weil es sich um patentfreie Wirkstoffe oder andere formale Ausschlussgründe handelte.
Uwe Fricke, Lutz Hein, Ulrich Schwabe
3. Biologika und Biosimilars
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Biologika erweitern die existierenden Behandlungsoptionen und sind heute bei zahlreichen Erkrankungen unverzichtbar. Im Jahr 2019 waren fast die Hälfte der Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen Biologika. Nach Ablauf der Patent- und Schutzrechte biologischer Arzneimittel können Biosimilars (Zweitanbieter von biologischen Arzneimitteln) zugelassen werden. Biosimilars sind in der EU seit mehr als 14 Jahren verfügbar. Im Rahmen des zentralisierten Zulassungsverfahrens wird die Vergleichbarkeit von Biosimilars und als Referenzarzneimitteln dienenden Erstanbieterpräparaten bezüglich Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit geprüft. Die in der EU nach diesem streng kontrollierten Verfahren zugelassenen Biosimilars sind mit ihren Referenzarzneimitteln therapeutisch gleichwertig und können deshalb wie diese eingesetzt werden. Durch die Verordnung von Biosimilars können wirtschaftliche Effizienzreserven erschlossen und Einsparungen realisiert werden, um einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Patienten zu leisten, indem sie den Zugang zu biologischen Therapien erweitern. Ende 2019 waren in Deutschland bereits 44 Biosimilars zu 14 verschiedenen Wirkstoffen verfügbar. 2019 wurden alle Biosimilars deutlich häufiger verordnet als im Vorjahr, einige davon erreichten sehr schnell eine hohe Marktdurchdringung, sodass hohe Einsparungen erzielt wurden. Dies war allerdings noch nicht ausreichend, um das erhebliche Einsparpotenzial, das durch Biosimilars theoretisch erzielbar wäre, zu realisieren. Möglicherweise wird aber ein erheblicher Anteil dieses Einsparpotenzials bereits durch viele bestehende („Open-house“-)Rabattverträge der gesetzlichen Krankenkassen erwirtschaftet. Einige wenige Biosimilars wurden trotz detaillierter Informationen und vertraglich vereinbarter, regionaler Verordnungsziel- bzw. Mindestquoten auch nach Jahren auf dem Markt immer noch zu selten verordnet. Als wesentlicher Grund hierfür müssen Unsicherheit und Bedenken angenommen werden, die zu einem fehlenden Vertrauen in die Produktgruppe der Biosimilars führen. Der besondere Charakter und die speziellen Eigenschaften biologischer Arzneimittel bedingen, dass Ärzte – und vor allem Patienten – mehr Zeit benötigen, um sich mit diesen Arzneimitteln vertraut zu machen, ihren Einsatz zu verstehen und sich davon zu überzeugen, dass die Umstellung von Referenzarzneimitteln auf Biosimilars weder die Wirksamkeit noch die Sicherheit der Therapie negativ beeinflusst. Unabhängige, transparente Informationen sind daher essenziell, um den Einsatz von Biosimilars zu steigern. Dass Ärzte und Patienten sich gut mit Biosimilars auskennen, ist besonders wichtig in Hinblick auf die automatische Substitution, die ab Juli 2022 für biologische Arzneimittel gelten soll.
Stanislava Dicheva-Radev, Wolf-Dieter Ludwig
4. Zehn Jahre AMNOG – Rückblick und Ausblick aus Sicht der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Zusammenfassung
Angesichts der deutlich gestiegenen Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die seit dem Jahr 2001 über den Ausgaben für ärztliche Behandlung lagen, wurde am 11. November 2010 das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) verabschiedet, das laut einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) einen „Dreiklang aus strukturellen Veränderungen, dem Abbau von Überregulierung und kurzfristigen Einsparungen“ zum Ziel hatte (Der Arzneimittelbrief 2010; Bundesministerium für Gesundheit 2010a). Im Rahmen der Regelungen im AMNOG wurde ab dem Jahr 2011 die FNB zur leistungsgerechten Preisfindung von neuen patentgeschützten Arzneimitteln als wichtige Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) etabliert (Hecken 2017) mit dem Ziel, eine zweckmäßige, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Arzneimittelversorgung sicherzustellen (von Stackelberg et al. 2016). Die FNB verpflichtet den pharmazeutischen Unternehmer (pU) seit dem 1. Januar 2011, unmittelbar nach Markteintritt seines erstattungsfähigen Arzneimittels mit neuem Wirkstoff den Zusatznutzen gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie nachzuweisen (§ 35a SGB V 2020).
Wolf-Dieter Ludwig
5. Biosimilars in Deutschland und im europäischen Vergleich – Marktsteuerungsmechanismen und Einsparpotenziale
Zusammenfassung
Auf einen Blick
In Biosimilars werden hohe Erwartungen hinsichtlich ihres Einsparpotenzials gesetzt. Um den Einsatz von Biosimilars zu fördern, wenden europäische Länder verschiedene Marktsteuerungsmaßnahmen an. Ein Vergleich mit 15 europäischen Ländern zeigt hierbei meist ähnliche Zugänge bei den analysierten Ländern und auch im Vergleich zu Deutschland. Zwei zentrale Ausnahmen sind: Deutschland zählt gemeinsam mit Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden zu den Ländern, die keine Preis-Link-Politik anwenden, bei welcher die Preise von Biosimilars (wie auch Generika) als Abschlag des Referenzarzneimittels-Preises festgelegt werden. Des Weiteren nimmt Deutschland mit der geplanten Einführung der automatischen Substitution bei Biologika auf Apothekenebene eine Vorreiterposition in Europa ein. Durch konsequente Anwendung von Marktsteuerungsinterventionen, inklusive Einführung von in anderen Ländern angewandten Maßnahmen, könnten in Deutschland die Einsparpotenziale besser ausgeschöpft werden. Berechnungen für verschiedene Szenarien (Varianten von Preis-Link-Politik, Festbetragsbildung, Ausweitung der Verordnungsmindestquoten, Biosimilarsubstitution) zeigten für neun biologische Wirkstoffe (u. a. Adalimumab, Enoxaparin, Etanercept, Infliximab, Trastuzumab) Einsparpotenziale von 115,9 Mio. € (4,4 %) bis 306,4 Mio. € (11,7 %) für den GKV-Markt 2019 auf.
Sabine Vogler, Peter Schneider, Dimitra Panteli, Reinhard Busse

Indikationsgruppen

Frontmatter
6. Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) gehören zu den erfolgreichsten Arzneimitteln zur Behandlung von Hypertonie, Herz- und Nierenkrankheiten. ACE-Hemmer dominieren weiterhin die Substanzgruppe, steigern ihren Marktanteil jedoch nur gering im Vergleich zum Vorjahr (1,5 %), während Angiotensinrezeptorantagonisten große Gewinne verbuchen (10,8 %).
Trend Die Verordnungen der Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems waren zusammen so hoch, dass sie 59,3 % des Verordnungsvolumens der Antihypertensiva ausmachen. Die günstigsten Tagestherapiekosten für Monopräparate haben weiterhin die ACE-Hemmer (0,05 €), deutlich höher liegen Sartane (0,10 €).
Bewertung ACE-Hemmer und Sartane werden nach aktuellen Leitlinien als Mittel der Wahl zur antihypertensiven Therapie empfohlen. Eine Überlegenheit der Angiotensinrezeptorantagonisten im Vergleich zu ACE-Hemmern ist bei den unerwünschten Wirkungen (insbesondere Husten und Angioödem) belegt, für die Verhinderung koronarer Ereignisse deutet sich in kontrollierten Studien eine leichte Unterlegenheit, bei der Vermeidung zerebraler Ereignisse eine geringe Überlegenheit an. Eine Kombination von ACE-Hemmern und Angiotensinrezeptorantagonisten wird von der EMA wegen besonderer Gefahren nicht empfohlen.
Franz Weber, Manfred Anlauf
7. Analgetika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die ärztliche Verordnung von Schmerzmitteln hat in den letzten 25 Jahren eine bemerkenswerte Trendwende vollzogen. Nichtopioide Analgetika wurden weniger verordnet, Opioidanalgetika dagegen dreimal so viel. Das hat dazu geführt, dass jetzt fast doppelt so viele Opioidanalgetika wie nichtopioide Analgetika verschrieben werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass nicht verschreibungspflichtige, nichtopioide Analgetika wie Acetylsalicylsäure und Paracetamol nur in Sonderfällen zu Lasten der GKV verschrieben werden können. Über die Hälfte der Opioidverordnungen entfällt auf die beiden schwachwirksamen Opioide Tramadol und Tilidin/Naloxon. Führende Mittel der starkwirksamen Opioide sind Fentanylpflaster und Oxycodon sowie Hydromorphon, während das als Goldstandard empfohlene Morphin seit Jahren rückläufig ist. Einige Opioide (Methadon, Levomethadon, Buprenorphin) werden in der Substitutionsbehandlung opioidabhängiger Personen eingesetzt.
Bei den nichtopioiden Analgetika ist ein auffälliger Wandel eingetreten. Die Verordnungen von Acetylsalicylsäure und Paracetamol sind in den letzten 10 Jahren um fast 70 % zurückgegangen, während das rezeptpflichtige Metamizol trotz des weiterhin bestehenden Agranulozytoserisikos doppelt so häufig verordnet wurde.
Rainer H. Böger, Gerhard Schmidt
8. Antiallergika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Größte Gruppe der Antiallergika sind die allergenspezifischen Immuntherapeutika bei allergisch bedingten Atemwegskrankheiten mit einem Verordnungsanteil von 55 % und Nettokosten von 358 Mio. €. Danach folgen H\({}_{1}\)-Antihistaminika, die vor allem zur Behandlung des Heuschnupfens, der allergischen Bindehautentzündung und der Urtikaria eingesetzt werden.
Trend Nach dem drastischen Rückgang im Jahr 2004 haben die Verordnungsvolumina der H\({}_{1}\)-Antihistaminika seit 2012 wieder kontinuierlich zugenommen. Die Verordnungskosten der wenig sedierenden H\({}_{1}\)-Antihistaminika betragen 47 Mio. € mit Einsparpotenzialen von 35 Mio. € durch preisgünstige Generika. Bei der allergenspezifischen Immuntherapie entfällt der größte Teil auf Präparate mit Allergenen aus Gräser- und Getreidepollen gefolgt von Hausstaubmilben- und Baumpollenpräparaten. Obwohl die Therapieallergene-Verordnung mit den Vorschriften über die Zulassung von Therapieallergenen bereits 2008 in Kraft getreten ist, sind 2019 immer noch die Hälfte der Präparate mit Nettokosten von 138 Mio. € ohne reguläre Zulassung unter den häufig verordneten Arzneimitteln.
Anette Zawinell, Ulrich Schwabe
9. Antianämika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Der größte Teil der Verordnungen von Antianämika entfällt weiterhin auf Eisenpräparate, mit einem erneut steigenden Anteil von parenteralen Präparaten. Danach folgen Folsäure und Epoetinpräparate mit jeweils deutlich geringeren Verordnungsvolumina. Seit 2013 nahmen die Verordnungszahlen aller drei Antianämikagruppen stetig zu, nachdem sie zuvor bei Eisenpräparaten stagnierten bzw. bei Epoetinpräparaten leicht zurückgegangen waren.
Jan Matthes
10. Antibiotika und Antiinfektiva
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Antibiotikaverordnungen zeigen 2019 gegenüber dem Vorjahr von der Gesamtmenge her erneut eine Abnahme. Vor allem sind die Verordnungen von Fluorchinolonen deutlich gesunken. Amoxicillin-Clavulansäure wurde deutlich häufiger verordnet, angestiegen sind wie bereits im Vorjahr auch die Verordnungen von Pivmecillinam. Ein leichter Rückgang ist wiederum bei Makroliden/Clindamycin, Tetracyclinen, nicht jedoch bei Sulfonamiden und Trimethoprim zu verzeichnen. Die Antimykotika wurden ähnlich häufig wie im Vorjahr verordnet, ebenso die Substanzen gegen Herpes simplex und Herpes zoster. Bei den antiretroviralen Mitteln kam es zu einer deutlichen Mehrverordnung eines neuen Kombinationspräparats mit Integrase-Inhibitor.
Winfried V. Kern
11. Antidementiva
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Größte Gruppe der Antidementiva sind die Cholinesterasehemmer gefolgt von Memantin, das aber nur etwa halb so viel verordnet wird. In beiden Gruppen sind nur noch Generika vertreten. Traditionelle Antidementiva (Piracetam, Ginkgoextrakt, Nicergolin) ohne gesicherten Nutzen haben ihren rückläufigen Trend fortgesetzt.
Bewertung Der symptomatische Nutzen der Cholinesterasehemmer bei Patienten mit leichter bis mäßiger Alzheimerdemenz ist begrenzt. Trotz positiver Studienbelege gibt es eine fortgesetzte Debatte über den klinischen Nutzen der Cholinesterasehemmer, da die Behandlungseffekte klein sind und in der Praxis nicht immer in Erscheinung treten. In der NICE-Leitlinie wird Memantin nur bei Intoleranz oder Kontraindikationen gegen Cholinesterasehemmer sowie bei schwerer Alzheimerdemenz empfohlen. Eine Kombination von Memantin mit Donepezil hatte keinen Zusatznutzen.
Ulrich Schwabe
12. Antidiabetika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Arzneitherapie des Diabetes mellitus hat in den letzten zehn Jahren weiter zugenommen. Insulinverordnungen stagnieren seit 2014 trotz des ungebrochenen Anstiegs der Insulinanaloga auf Grund des kontinuierlichen Rückgangs der Humaninsuline. Die Verordnungen von Metformin stagnierten zwar seit 2010 lange Zeit, sind aber in den letzten beiden Jahre wieder um fast 10 % angestiegen. Die Sulfonylharnstoffverordnungen haben seit 2010 um fast 65 % abgenommen und liegen mittlerweile deutlich niedriger als die Verordnungen der DPP-4-Hemmer, die trotz einschränkender Therapiehinweise 2019 erneut etwas gestiegen sind. Glinide sind nach der Verordnungseinschränkung stark rückläufig und nur noch mit einem Präparat vertreten. SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Agonisten werden in aktuellen Leitlinien aufgrund von positiven kardiovaskulären Endpunktstudien als primäre Zweitlinientherapie von Typ-2-Diabetespatienten mit kardiovaskulären Risiken empfohlen, bei Patienten mit hohen oder sehr hohen kardiovaskulären Risiken sogar als Erstlinientherapie. Die positiven Studiendaten haben vermutlich dazu beigetragen, dass SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Agonisten 2019 erneut um ca. 30 % mehr verordnet wurden.
Kosten Die Antidiabetika stehen 2019 nach einem erneuten Anstieg der Nettokosten auf 2.605 Mio. € (\(+\)5,2 %) auf Rang 4 der umsatzstärksten Arzneimittelgruppen. Insuline haben mit 1.292 Mio. € den höchsten Kostenanteil. Preisgünstige langwirkende Analoginsuline ermöglichen hohe Einsparpotentiale.
Marc Freichel, Klaus Mengel
13. Antiemetika und Antivertiginosa
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Antiemetika und Antivertiginosa werden zur Behandlung von Erbrechen und Schwindel eingesetzt. Der weitaus größte Teil der Verordnungen entfällt auf Betahistin für Patienten mit Morbus Menière. Schwerpunkt der H\({}_{1}\)-Antihistaminika sind Prophylaxe und symptomatische Therapie von Übelkeit und Erbrechen. Während die Verordnungen von Betahistin geringfügig zugenommen haben, waren die von H\({}_{1}\)-Antihistaminika, Scopolamin, 5-HT\({}_{3}\)-Antagonisten und Neurokinin-1-Antagonisten rückläufig. Kaum verändert haben sich die Verordnungen der Dopaminrezeptorantagonisten.
Bewertung Aufgrund neuer Datenlage wird die Verschreibung von Betahistin für Patienten mit Morbus Menière nicht mehr empfohlen. Hochwirksame Antiemetika zur Behandlung des zytostatikainduzierten Erbrechens sind 5-HT\({}_{3}\)-Antagonisten und Neurokinin-1-Antagonisten.
Karl-Friedrich Hamann
14. Antiepileptika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Auffällig ist das weiter steigende Verordnungsvolumen der neueren Antiepileptika, das sich seit 2010 ungefähr verdoppelt hat. Sie werden inzwischen dreimal so häufig wie traditionelle Antiepileptika (z. B. Valproinsäure, Carbamazepin, Phenytoin) verordnet. Die Verordnungen von Valproinsäure sind seit einigen Jahren weitgehend konstant, während das früher führende Carbamazepin in den letzten 10 Jahren um 40 % abgenommen hat. Mit Abstand führende Vertreter der neueren Antiepileptika sind Pregabalin und Levetiracetam.
Bewertung Die Belege für die Überlegenheit neuer Antiepileptika gegenüber älteren Vertretern sind relativ spärlich, so dass ihre Anwendung in der Leitlinie des britischen National Institute of Health and Care Excellence (NICE) nur bei Versagen oder Unverträglichkeit älterer Mittel sowie für Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter empfohlen wird. Pregabalin wird ganz überwiegend für die Behandlung neuropathischer Schmerzen angewendet, ohne dass eine ausreichende Evidenz für einen Zusatznutzen gegenüber Amitriptylin oder Gabapentin verfügbar ist.
Ulrich Schwabe
15. Antihypertonika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil In diesem Kapitel zu speziellen Antihypertonika werden neben den Empfehlungen zur antihypertensiven Therapie Alpharezeptorenblocker und zentral wirkende Antisympathotonika sowie Kombinationspräparate von Betarezeptorenblockern und Calciumantagonisten dargestellt.
Trend Auf diese meist älteren Präparate entfällt im Vergleich zu den fünf wichtigen Gruppen der Antihypertonika (Diuretika, Betarezeptorenblocker, ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorantagonisten, Calciumantagonisten) nur ein kleiner Anteil der Verordnungen. Monopräparate eingeschlossen zeigt sich bei den Antihypertonika eine Zunahme der Verordnungen von 3,8 % im Vergleich zum Vorjahr. Sie ist fast ausschließlich eine Folge der Verordnungszunahme von Sartanen um 10,8 %. Von den hier auch besprochenen Vasodilatatoren gegen pulmonale Hypertonie sind in dieser Liste wieder zwei Präparate statt einem im Vorjahr vertreten.
Manfred Anlauf, Franz Weber
16. Antithrombotika und Antihämorrhagika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Gesamtverordnungen der Thrombozytenaggregationshemmer sind 2019 gegenüber dem Vorjahr weitgehend gleichgeblieben, die der oralen Antikoagulantien dagegen erneut deutlich angestiegen. Die Verordnungen der Vitamin-K-Antagonisten nahmen 2019 weiter ab, während die Verordnungen der Thrombin- und Faktor Xa-Antagonisten erneut massiv zugenommen haben und jetzt mehr als doppelt so hoch wie die der Vitamin-K-Antagonisten liegen. Die Kosten der Antithrombotika sind 2019 auf 2.638 Mio. € gestiegen, was allein durch die neuen direkten oralen Antikoagulantien bedingt ist. Bei den Antihämorrhagika sind die Faktor-VIII-Präparate die umsatzstärkste Gruppe. Modifizierte rekombinante Gerinnungsfaktoren sowie ein monoklonaler Antikörper (Emicizumab) erweitern die Therapieoptionen bei Patienten mit angeborener Hämophilie A oder B.
Bewertung Acetylsalicylsäure ist der wichtigste Thrombozytenaggregationshemmer. ADP-Rezeptorantagonisten haben in Kombination mit Acetylsalicylsäure lediglich bei kardiologischen Spezialindikationen einen nachgewiesenen Zusatznutzen. Ticagrelor zeigt bei einzelnen Patientengruppen mit akutem Koronarsyndrom Vorteile gegenüber Clopidogrel.
Lutz Hein, Hans Wille
17. Antirheumatika und Antiphlogistika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Bei den Verordnungen der Antirheumatika und Antiphlogistika dominieren auch 2019 mit klarem Abstand die nichtsteroidalen Antiphlogistika. Unter diesen steht Ibuprofen weiterhin, inzwischen mit sehr großem Vorsprung, an erster Stelle vor Diclofenac in der Verordnungshäufigkeit. Die Verordnungen der zwei auf dem Markt verbliebenen selektiven Cyclooxygenase-2-Hemmer haben deutlich zugenommen, sie machen jedoch nur 15 % der Gesamtverordnungen bei den nichtsteroidalen Antiphlogistika aus.
Krankheitsmodifizierende Antirheumatika haben in der Verordnung erneut weiter zugenommen. Größte Gruppe sind die synthetischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika mit dem bevorzugt eingesetzten Methotrexat. Inzwischen sind zwei Januskinaseinhibitoren mit einem kräftigen Verordnungszuwachs vertreten. Bei den biologischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika dominieren seit vielen Jahren die TNF\({\upalpha}\)-Inhibitoren, allerdings erstmalig mit weitgehend unveränderten Verordnungszahlen. Nur Adalimumab zeigt noch einen deutlichen Verordnungszuwachs durch einen sprunghaften Anstieg der Biosimilars. Auf niedrigerem Niveau zeigten der Interleukin-6-Rezeptorantagonist Tocilizumab und Kostimulationsinhibitor Abatacept wieder geringe Zunahmen. Die Bedeutung der umstrittenen Externa („Rheumasalben“) ist weiter rückläufig.
Rainer H. Böger, Gerhard Schmidt
18. Antitussiva und Expektorantien
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Seit 1995 sind die Verordnungen der Antitussiva und der Expektorantien stark zurückgegangen. Hauptgrund des rückläufigen Trends ist die zweifelhafte Wirksamkeit dieser Substanzen. Auch der Ausschluss rezeptfreier Arzneimittel aus der Erstattung hat die Abnahme des Verordnungsvolumens seit 2004 weiter beschleunigt. Im Jahre 2019 ist erneut eine Abnahme der Verordnungen festzustellen.
Kosten Die Verordnungskosten sind seit 1995 von 590 Mio. € um über 80 % auf 108 Mio. € im Jahre 2019 zurückgegangen.
Björn Lemmer
19. Betarezeptorenblocker
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Betarezeptorenblocker spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung kardiovaskulärer Krankheiten. Hauptindikationen sind arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit, tachykarde Herzrhythmusstörungen und chronische Herzinsuffizienz. Wichtigste Gruppe sind die \({\upbeta}\)\({}_{1}\)-selektiven Betarezeptorenblocker, die seit 30 Jahren kontinuierlich zugenommen haben. Nichtselektive Wirkstoffe sind dagegen seit mehreren Jahren rückläufig und liegen unter 10 % der Verordnungen. Der Generikaanteil hat inzwischen bei den meisten Wirkstoffen über 90 % erreicht. Frühere Preisunterschiede zwischen den Präparaten sind weitgehend verschwunden.
Betarezeptorenblocker hemmen die Funktion des sympathischen Nervensystems in allen Organen, die mit adrenergen Betarezeptoren (\({\upbeta}\)\({}_{1}\)-/\({\upbeta}\)\({}_{2}\)-) ausgestattet sind. Dazu gehören insbesondere das Herz, die Nieren und die glatte Muskulatur von Bronchien und Muskelgefäßen. Therapeutisch bedeutsam sind die Senkung der Herzfrequenz, des kardialen Sauerstoffverbrauchs, der Reninausschüttung aus der Niere und die Erniedrigung des Augeninnendrucks (Kap. 35). Nachteilig kann sich die Betarezeptorenblockade auf die Herzkraft, die kardiale Erregungsleitung, die Bronchialfunktion (Gefahr des Bronchospasmus) und die Gefäßmuskulatur (Durchblutungsstörungen) auswirken.
Björn Lemmer
20. Bronchospasmolytika und Antiasthmatika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die inhalativen Glucocorticoide haben sich seit einigen Jahren zur größten Arzneimittelgruppe in der Asthmatherapie entwickelt. Eine weitere wichtige Arzneimittelgruppe sind die Betasympathomimetika, die weit überwiegend in Kombination mit inhalativen Glucocorticoiden verordnet werden. Bei chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) werden bevorzugt inhalative Muscarinrezeptorantagonisten eingesetzt.
Trend Die Verordnungen der inhalativen Glucocorticoide nahmen in den letzten 10 Jahren weiter zu und haben inzwischen die Betasympathomimetika überflügelt. Dieser Trend ist begleitet von einer Präferenz der Kombinationspräparate von inhalativen Glucocorticoiden mit langwirkenden Betasympathomimetika, während auf die Monopräparate nur noch ein Viertel der Verordnungen entfällt.Betasympathomimetika zeigen in den letzten 10 Jahren ein leicht rückläufiges Verordnungsniveau. Kurzwirkende Betasympathomimetika sind die Domäne der inhalativen Akutbehandlung des Asthmas, wobei sie entsprechend den aktuellen Therapieleitlinien als Bedarfsmedikation angewendet werden. Langwirkende Betasympathomimetika sollen wegen Hinweisen auf erhöhte Mortalität unter einer Monotherapie nur in Kombination mit inhalativen Glucocorticoiden gegeben werden.
Björn Lemmer
21. Calciumantagonisten
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Hauptgruppen der Calciumantagonisten sind die Dihydropyridine und die relativ stärker kardiodepressiv wirkenden Substanzen Verapamil und Diltiazem. Das Gesamtverordnungsvolumen steigt weiterhin langsam an und ist unverändert mit einem Trend zu langwirkenden Dihydropyridinen und einer Abnahme der Calciumantagonisten vom Verapamiltyp verbunden. Die Verordnung von Kombinationspräparaten aus Calciumantagonisten und ACE-Hemmern steigt relativ stark an.
Kosten Amlodipin und Lercanidipin sind die kostengünstigsten Calciumantagonisten und liegen in einem ähnlichen Bereich wie die generischen ACE-Hemmer.
Thomas Eschenhagen
22. Corticosteroide
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Corticosteroide werden überwiegend als Glucocorticoide zur Entzündungshemmung und Immunsuppression eingesetzt, während die Hormonsubstitution mit dem Nebennierenrindenhormon Cortisol und dem Mineralocorticoid Fludrocortison nur einen kleinen Teil der Verordnungen betrifft. Bei den Glucocorticoiden hat die Verordnung von Prednisolon aufgrund seiner pharmakokinetischen und preislichen Vorteile 2019 weiter zugenommen, während Prednison erneut weniger verordnet wurde.
Ulrich Schwabe
23. Dermatika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Seit Jahren verändert sich das Verordnungsspektrum der zahlreichen dermatologischen Wirkstoffklassen nur marginal. Wie in den Vorjahren werden topische Corticosteroide am häufigsten verordnet. Auf sie entfällt fast jede zweite verordnete Dermatikatagesdosis. Antimykotika (12 %), Psoriasismittel (10 %), Aknemittel (6 %), Antiinfektiva (5 %), Warzenmittel, Wundbehandlungsmittel und Mittel bei aktinischen Keratosen (jeweils 4 %) sowie Rosazeamittel und Antipruriginosa (jeweils 3 %) werden deutlich seltener verordnet. Die verbleibenden Gruppen hatten 2019 zusammen nur noch einen Verordnungsanteil von weniger als 3 %.
Trend Die Verordnungen in den einzelnen Marktsegmenten werden weitgehend durch nationale und internationale Therapieempfehlungen gestützt. Die Gesamtverordnungsmenge bezogen auf DDD stieg 2019 im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 2,3 %, mit deutlicheren Zuwächsen bei den Corticosteroidtopika und den Psoriasismitteln. Die Mehrverordnungen sind jedoch mit Kostensteigerungen von 13,5 % verbunden, die in erster Linie auf das Konto der hochwirksamen Biologika (Ustekinumab, Secukinumab, Guselkumab) zur Behandlung der Psoriasis gehen. Damit entfällt fast die Hälfte der gesamten dermatologischen Verordnungskosten (1.934 Mio. €) nur auf diese drei Präparate.
Judith Günther, Uwe Fricke
24. Diuretika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Von den Diuretika werden hauptsächlich Schleifendiuretika und Thiazide verordnet. Aldosteronantagonisten folgen mit deutlichem Abstand. Schleifendiuretika sind weiterhin die dominierende Gruppe der Diuretika und machten 2019 über 60 % der verordneten Tagesdosen dieser Gruppe aus. Bei den Thiaziddiuretika ist ein verstärkter Wechsel von Hydrochlorothiazid zu Chlortalidon und Indapamid zu beobachten, der vermutlich mit dem erhöhten Hautkrebsrisiko unter Hydrochlorothiazid zusammenhängt. Die Thiazidkombinationen setzten ihren seit 10 Jahren zu beobachtenden Rückgang weiter fort. Der Einsatz von Spironolacton und Eplerenon nahm weiter zu, während Spironolacton-Furosemidkombinationen deutlich abnahmen.
Bewertung Die Verordnung von Diuretika ist nach wie vor ein fester Bestandteil der Therapie von Hypertonie, Herzinsuffizienz und Ödemen. Die Abnahme der Verordnungen von fixen Kombinationen von Thiaziden mit kaliumsparenden Diuretika spiegelt den Fortschritt der Pharmakotherapie der Herz-Kreislauferkrankungen wieder. Auch Aldosteronantagonisten gehören zur Standardtherapie der Herzinsuffizienz, wobei es keinen Beleg für einen patientenrelevanten Vorteil von Eplerenon gegenüber Spironolacton gibt.
Hartmut Oßwald, Bernd Mühlbauer
25. Gichtmittel
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die spezifische Arzneitherapie der Gicht umfasst Xanthinoxidasehemmer, Colchicin und Benzbromaron. Standardmittel für die chronische Gicht ist Allopurinol, auf das 84 % aller Verordnungen entfallen. Der zweite Xanthinoxidasehemmer Febuxostat weist keine klinisch relevanten Vorteile gegenüber dem bewährten Allopurinol auf. Ein Rote-Hand-Brief mit Warnung vor kardiovaskulären Risiken führte noch nicht zum erwarteten Verordnungsrückgang, in 2019 war lediglich eine Umverteilung in Richtung der hinzugekommenen generischen Produkte zu beobachten. Beim akuten Gichtanfall wird Colchicin eingesetzt. Es ist 2019 erneut seltener verordnet worden als in den Vorjahren. Auch die Verordnungen des Urikosurikums Benzbromaron haben 2019 weiter abgenommen, sowohl als Monopräparat als auch in der Kombination mit Allopurinol.
Bernd Mühlbauer, Gerhard Schmidt
26. Herztherapeutika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Herzglykoside gehen in ihren Verordnungszahlen unvermindert zurück, während sich Antiarrhythmika auf niedrigem Niveau stabilisiert haben. Für beide Gruppen fehlt eine klare Evidenz für prognostisch günstige Wirkungen, dazu haben Antiarrhythmika und Herzglykoside eine niedrige therapeutische Breite mit potentiell lebensbedrohlichen Nebenwirkungen. Die Verordnung von Nitraten und Molsidomin geht ebenfalls zurück, was wahrscheinlich zum Teil einer Abnahme von Patienten mit stabiler Angina pectoris geschuldet ist. Mit der Kombination aus Sacubitril und Valsartan ist ein neues Therapieprinzip zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz verfügbar, dessen Verordnung 2019 um etwa 70 % angestiegen ist.
Thomas Eschenhagen
27. Hypnotika und Sedativa
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Auffälligste Entwicklung bei den Schlafmitteln ist der seit 25 Jahren zu beobachtende starke Verordnungsrückgang um 80 %. Die Rückgänge betrugen im vergangenen Jahr bei den Benzodiazepinen wiederum über 10 % und bei den Benzodiazepinagonisten Zolpidem und Zopiclon 4 %. Die Verordnungen von Melatonin haben wiederum sehr deutlich zugenommen. Pflanzliche Hypnotika sind nur noch mit einem homöopathischen Präparat vertreten.
Bewertung Die Umschichtung zu den kurzwirksamen Z-Substanzen ist durch ihre selektivere hypnotische Wirkung und das vermutlich geringere Abhängigkeitspotenzial gerechtfertigt. Insgesamt zeigen die Zahlen, dass nur ein Bruchteil der Patienten mit Schlafstörungen Hypnotika verordnet bekommt. Nach neueren Metaanalysen sind verhaltenstherapeutische Verfahren wirksam und insgesamt der Behandlung mit Hypnotika überlegen.
Martin J. Lohse
28. Hypophysen- und Hypothalamushormone
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Hauptvertreter der Hypophysen- und Hypothalamushormone sind Wachstumshormon, Somatostatin, Gonadotropinpräparate und Vasopressinanaloga. Wachstumshormonpräparate sind mit Kosten von 191 Mio. € weiterhin die umsatzstärkste Gruppe, gefolgt von Somatostatinanaloga (138 Mio. €) und Follitropinpräparaten (60 Mio. €). Die Verordnungskosten der Vasopressinanaloga für die Behandlung des zentralen Diabetes insipidus waren annähernd konstant (18 Mio. €).
Ulrich Schwabe
29. Immunglobuline und Immunsuppressiva
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Humane Immunglobuline sind präformierte Antikörper zur Substitutionstherapie bei Immunmangelkrankheiten und zur Immunmodulation bei speziellen seltenen Krankheiten. Die Verordnungen sind relativ niedrig, da die Versorgung weitgehend über Direktlieferverträge der Krankenkassen mit Krankenhäusern und Spezialambulanzen erfolgt.
Immunsuppressiva werden zur Prophylaxe der Abstoßungsreaktion nach Organtransplantation und bei verschiedenen Autoimmunkrankheiten eingesetzt. Größte Gruppe sind die zytotoxischen Immunsuppressiva (Azathioprin, Mycophenolsäure) gefolgt von den Calcineurininhibitoren und mTOR-Inhibitoren. Weitere selektive Immunsuppressiva sind Biologika (Belimumab, Eculizumab, Belatacept) mit speziellen Indikationen und kleinen Verordnungsmengen aber sehr hohen Therapiekosten.
Ulrich Schwabe
30. Lipidsenkende Mittel
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die Verordnungen der Statine haben auch 2019 weiter zugenommen. Hierzu dürften die in Evidenz-basierten Leitlinien empfohlenen immer niedrigeren LDL-Cholesterinzielwerte oder intensivere Statintherapie beigetragen haben. Führendes Präparat ist erstmals Atorvastatin, das nach einem weiteren kräftigen Verordnungszuwachs den langjährigen Marktführer Simvastatin überrundete. Auf niedrigerem Niveau wurden auch Ezetimibpräparate deutlich mehr verordnet, insbesondere preisgünstige Generika. Fibrate und Colestyramin spielen nur eine untergeordnete Rolle.
Bewertung Nach weiteren Zunahmen haben Statine 2019 ein Verordnungsvolumen erreicht, das die tägliche Behandlung von 6,9 Mio. Patienten mit Standarddosierungen ermöglicht. Der Cholesterinresorptionshemmer Ezetimib verstärkt die Cholesterinsenkung durch Statine und reduziert kardiovaskuläre Ereignisse, was jedoch nicht mit einer Abnahme der kardiovaskulären Mortalität verbunden war. Die Verordnungen der beiden PCSK9-Inhibitoren sind nochmals deutlich angestiegen, obwohl sie aufgrund einer Verordnungseinschränkung nur für Patienten mit heterozygot familiärer oder nicht nicht-familiärer Hypercholesterinämie eingesetzt werden dürfen, bei denen eine Indikation zur Durchführung einer LDL-Apherese besteht.
Gerald Klose, Ulrich Schwabe
31. Magen-Darm-Mittel und Lebertherapeutika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Bedeutsamste Gruppe der Magen-Darm-Mittel sind wie in den vergangenen Jahren die Protonenpumpeninhibitoren (PPI), die 2019 trotz leicht rückläufiger Verordnungen weiterhin mit großem Abstand vor allen anderen Präparategruppen liegen. Der Rückgang der Verordnungen einiger der neu entwickelten Medikamente, mit denen eine chronische Hepatitis C geheilt werden kann, bedarf der gesonderten Betrachtung. Verordnungen der klassischen Prokinetika sind weiter rückläufig. Bei Medikamenten gegen chronisch-entzündliche Darmkrankheiten ist eine weitere Zunahme der Verschreibung des Integrin-Inhibitors Vedolizumab zu verzeichnen. Die Verschreibung von Infliximab ist stabil, die von Adalimumab etwas gestiegen, wobei hier eine Verlagerung auf Biosimilars zu beobachten ist. Die Verordnung der Pankreatinpräparate ist hingegen weitgehend stabil. Kleinere Verordnungsvolumina entfallen auf Spasmolytika, Antidiarrhoika und Laxantien.
Ansgar W. Lohse, Samuel Huber
32. Migränemittel
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Unter den 3.000 meistverordneten Mitteln findet sich seit Jahren erstmals wieder ein Wirkstoff, der nicht zur Gruppe der Triptane gehört: der für die Migräneprophylaxe zugelassene CGRP-Rezeptorantagonist Erenumab. Unter den zur Behandlung von akuten Migräneattacken zugelassenen Triptanen hat die Leitsubstanz Sumatriptan mit > 60 % aller Verordnungen immer noch das höchste Verordnungsvolumen, das für die Triptane insgesamt weiter zugenommen hat. Sumatriptan zeichnet sich durch seine gut belegte therapeutische Wirksamkeit und sein breites Applikationsspektrum aus. Andere Triptane haben nur geringe klinische Vorteile, sind aber immer noch teurer als Sumatriptangenerika.
Zur Migräneprophylaxe sollten zunächst Betarezeptorenblocker (Propranolol, Metoprolol), Flunarizin, Topiramat, Amitriptylin, Valproinsäure oder Onabotulinumtoxin A eingesetzt werden.
Jan Matthes
33. Pharmakologische Behandlung der multiplen Sklerose
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Spektrum Zur Behandlung der multiplen Sklerose werden krankheitsmodifizierende Immuntherapeutika und symptomatisch wirkende Arzneistoffe eingesetzt. Die Verordnung von Beta-Interferonen für die Behandlung der schubförmig-remittierenden multiplen Sklerose geht seit Jahren zu Gunsten anderer Arzneistoffe (insbesondere Dimethylfumarat, Glatirameracetat und Teriflunomid) zurück. Den stärksten Verordnungsschub mit fast einer Verdoppelung verzeichnet Ocrelizumab.
Als Muskelrelaxantien (Antispastika) stehen Baclofen, Tizanidin und Botulinumtoxin bei der symptomatischen Behandlung der multiplen Sklerose im Vordergrund. Die Verordnungszahlen für das Cannabinoidpräparat Nabiximols sind deutlich angestiegen. Erstaunlicherweise wurden auch Muskelrelaxanzien mit unzureichender Beleglage (z. B. Chininsulfat, Methocarbamol, Pridinol) deutlich häufiger verordnet.
Kosten Der weitaus größte Teil der Kosten entfällt mit deutlich steigender Tendenz mit 1.750 Mio. € auf die Immuntherapeutika.
Roland Seifert, Martin Stangel
34. Onkologika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Das höchste Verordnungsvolumen unter den Onkologika haben weiterhin Hormonantagonisten zur Behandlung des Mammakarzinoms und des Prostatakarzinoms, auf die 65 % der definierten Tagesdosen (DDD) entfallen. An zweiter Stelle stehen die klassischen Zytostatika mit der führenden Gruppe der Antimetabolite, was vor allem auf den häufigen Verordnungen von 5-Fluorouracil beruht. Als nächste Gruppen folgen monoklonale Antikörper und Proteinkinaseinhibitoren. Führende Gruppen der monoklonalen Antikörper sind weiterhin die HER2-Antikörper zur Behandlung des HER2-positiven Mammakarzinoms gefolgt von Antikörpern gegen PD-1-Rezeptoren und PD-L1-Liganden, die für ein stetig wachsendes Spektrum von onkologischen Indikationen zugelassen sind. Führende Vertreter der Proteinkinaseinhibitoren sind die CDK4/6-Inhibitoren für die Behandlung des hormonrezeptorpositiven, fortgeschrittenen Mammakarzinoms, obwohl die Nutzenbewertung bisher keinen Zusatznutzen ergeben hat. Weitere Proteinkinaseinhibitoren werden zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie, der chronischen lymphatischen Leukämie, der primären Myelofibrose, des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms, des Nierenzellkarzinoms, des Melanoms, des kolorektalen Karzinoms und des Mammakarzinoms eingesetzt.
Wolf-Dieter Ludwig, Ulrich Schwabe
35. Ophthalmika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Unter den Ophthalmika dominieren seit vielen Jahren die Glaukommittel, bei denen sich in den letzten Jahren einige Therapieprinzipien durchgesetzt haben, nämlich selektive Alpha\({}_{2}\)-Agonisten, lokal wirkende Carboanhydrasehemmer und vor allem Prostaglandinderivate; hinzukommen wird mit dem Rho-Kinase-Inhibitor Netarsudil seit vielen Jahren erstmals wieder ein neues Wirkprinzip. Daneben spielen die ophthalmischen Antiinfektiva mit einer Vielzahl von Substanzen eine größere Rolle. Bei den meisten übrigen Gruppen von Ophthalmika sind die Verordnungen durch das GKV-Modernisierungsgesetz 2004 drastisch gesunken. Im Jahre 2019 haben sich die Verordnungen von Ophthalmika insgesamt kaum verändert. Als Neuentwicklungen für die antineovaskuläre Therapie haben sich neben dem viel diskutierten antineovaskulären Antikörper Ranibizumab (Lucentis) mit dem Aflibercept (Eylea) ein weiterer VEGF-Antagonist sowie ein Dexamethason-Implantat (Ozurdex) unter den verordnungshäufigsten Arzneimitteln etabliert.
Martin J. Lohse
36. Osteoporosemittel
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Hauptvertreter der Osteoporosemittel sind Bisphosphonate, die in der Onkologie auch dem Schutz vor Knochenmetastasen dienen. Seit mehreren Jahren zeichnet sich ein Rückgang der Bisphosphonatverordnungen ab. Leitsubstanz der Bisphosphonate ist Alendronsäure, auf die jetzt 65 % des Verordnungsvolumens dieser Stoffgruppe entfallen, während Risedronsäure, Ibandronsäure und Zoledronsäure deutlich kleinere Anteile haben. Mit weitem Abstand folgt das weiterhin aufsteigende Denosumab.
Calciumpräparate werden mit leichter Abnahme weiterhin als Basistherapeutika vor allem in Kombination mit Vitamin D eingesetzt, auch wenn sie nur einen bescheidenen Effekt auf die Frakturrate haben und vor allem bei Vitamin-D-Mangel wirksam sind. Weitere Calciumpräparate sind als Phosphatbinder zur Behandlung der Hyperphosphatämie bei Hämodialysepatienten von Bedeutung.
Hans Christian Kasperk, Reinhard Ziegler
37. Parkinsonmittel
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Levodopapräparate sind die führenden Vertreter der Parkinsonmittel. An zweiter Stelle folgen die Dopaminrezeptoragonisten. Insgesamt ist eine erfreuliche Fokussierung auf preiswerte und wirksame Präparate zu beobachten, was auch von leicht sinkenden Gesamttherapiekosten begleitet wird.
Bewertung Die Langzeittherapie mit Levodopa verursacht Dyskinesien und motorische Fluktuationen, die durch Dosisfraktionierung und adjuvante Therapie reduziert werden können. Alternativ werden bei leichteren Symptomen Dopaminrezeptoragonisten und MAO-B-Inhibitoren als initiale Monotherapie empfohlen. Muscarinrezeptorantagonisten werden wegen der Beeinträchtigung kognitiver Fähigkeiten bei älteren Patienten immer seltener eingesetzt.
Roland Seifert
38. Psychopharmaka
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Verordnungsstruktur der Psychopharmaka hat sich in den letzten Jahren auffällig verändert. Im Durchschnitt haben die Verordnungen der Antidepressiva in der letzten Dekade nochmals um mehr als 40 % zugenommen. Dieser Anstieg wurde vor allem von den selektiven Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) und den Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SNRI) getragen, während die älteren nichtselektiven Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (NSMRI, Trizyklika) seit 2010 in ihrer Verordnung rückläufig waren.
Ungebrochen ist auch der Verordnungsanstieg bei den sog. atypischen Neuroleptika, der durch einen nur sehr moderaten Rückgang der Verschreibung klassisch hochpotenter Neuroleptika nicht kompensiert wird. Es handelt sich also vermutlich um Indikationsausweitungen oder einen Trend zu höheren Dosierungen. Niedrigpotente Neuroleptika werden in stets gleichbleibendem Umfang verordnet. Die Verordnungen von Psychostimulanzien sind seit starken Zuwächsen in den 2000er Jahren nunmehr seit 5 Jahren annähernd konstant, und die von Tranquillantien schon seit vielen Jahren weiter rückläufig. Circa ein Drittel der Psychopharmakaverordnungen stammen von Allgemeinmedizinern.
Martin J. Lohse
39. Rhinologika und Otologika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Rhinologika werden lokal zur symptomatischen Linderung der behinderten Nasenatmung bei Nasenschleimhautentzündungen eingesetzt. Die weitaus größte Gruppe bilden die schleimhautabschwellenden Sympathomimetika mit mehr als 50 % der Verordnungen. Otologika werden entweder zur lokalen Antibiotikatherapie bei Entzündungen des äußeren Ohrs eingesetzt oder als Lokalanästhetika zur symptomatischen Therapie des Ohrschmerzes.
Bewertung Die topischen Sympathomimetika gehören zu den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und werden daher fast nur noch bei Kindern verordnet. Topische Glucocorticoide sind bei allergischer Rhinitis zuverlässig wirksam. Für die Lokaltherapie der Otitis externa stehen mit der Einführung von Ciprofloxacin-Ohrentropfen gut wirksame Monopräparate zur Verfügung. Die nur symptomatisch wirksamen Lokalanästhetikakombinationen zeigen weiter Verordnungsabnahmen.
Karl-Friedrich Hamann
40. Schilddrüsentherapeutika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Krankheiten der Schilddrüse werden mit Schilddrüsenhormonen, Iodsalzen und Thyreostatika behandelt. Die größte Gruppe der Schilddrüsentherapeutika sind Schilddrüsenhormone, die bei Schilddrüsenunterfunktion und beim Iodmangelkropf eingesetzt werden. Als zweitgrößte Gruppe folgen Iodsalze zur Strumaprophylaxe. Wesentlich seltener und weiter langsam abnehmend werden Thyreostatika zur Hemmung der Hormonproduktion bei Schilddrüsenüberfunktion eingesetzt.
Trend Seit 2010 sind die Verschreibungen für Schilddrüsenhormone kontinuierlich weiter um fast 40 % angestiegen. Der frühere Einbruch bei den Iodsalzen ist immer noch nicht zum Stillstand gekommen. Zwei Komponenten können eine Rolle spielen: (a) die Anerkennung des fortbestehenden therapeutischen Bedarfs, (b) vermehrte Selbstmedikation bei Iodsalzen.
Reinhard Ziegler, Hans Christian Kasperk
41. Sexualhormone
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die wichtigsten Gruppen der Sexualhormone sind Östrogenpräparate und Kontrazeptiva. Danach folgen mit weitem Abstand Gestagene. Die Verordnungen aller Östrogenpräparate zur Hormontherapie in der Postmenopause (systemische und topische Präparate) sind seit 1999 stark zurückgegangen. Seit 2018 ist erstmals ein leichter Anstieg zu verzeichnen insbesondere bei Östrogenmonopräparaten. Damit wird auch 2019 der Effekt der Leitlinienempfehlungen zur postmenopausalen Hormontherapie mit weiterhin stabilen Verordnungszahlen sichtbar. Nach langjähriger Abnahme zeigten auch die Verordnungen der hormonalen Kontrazeptiva 2019 wieder eine deutliche Zunahme, insbesondere bei den Gestagenmonopräparaten und den vaginalen Kontrazeptiva. Testosteronverordnungen nehmen dagegen wie schon in den letzten Jahren weiter gering zu.
Bewertung Die Verordnungen zur postmenopausalen Hormontherapie reflektieren eine gute Beachtung der Indikationsstellung basierend auf einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Bewertung, die leitlinienbasiert erfolgt. Hormonersatztherapie soll in erster Linie bei klimakterischen Ausfallerscheinungen (z. B. vasomotorische und urogenitale Symptome) eingesetzt werden. Die überarbeitete deutsche S3-Leitlinie wurde 2020 veröffentlicht.
Thomas Strowitzki
42. Urologika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Mit 73 % der Verordnungen bleiben Prostatamittel die überwiegende Gruppe der Urologika. Urologische Spasmolytika repräsentieren weiterhin 27 % des Verordnungsvolumens, während Urolithiasis- und Kathetermittel nur sehr geringe Verordnungszahlen erreichen.
Trend Die langjährige Zunahme des Verordnungsvolumens von Alpha\({}_{1}\)-Rezeptorenblockern zur Behandlung von Miktionsstörungen hat sich 2019 fortgesetzt, während die 5\({\upalpha}\)-Reduktasehemmer zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms eher stagnierten. Die Verordnungen anticholinerg wirkender Spasmolytika zur Behandlung der Harninkontinenz verzeichnen nach jahrelanger Plateauphase wieder einen leichten Anstieg; an der kontroversen Diskussion zum Ausmaß des therapeutischen Nutzens dieser Substanzen hat sich jedoch nichts geändert.
Bernd Mühlbauer, Hartmut Oßwald
43. Vitamine und Mineralstoffpräparate
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Nach dem 2004 erfolgten Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus der vertragsärztlichen Versorgung werden in der Gruppe der Vitamine nahezu nur noch Vitamin-D-Präparate und Vitamin B\({}_{12}\) (Cyanocobalamin) verordnet. Die Vitamin-D-Verordnungen haben seit 2012 wieder deutlich zugenommen und liegen jetzt sogar seit mehreren Jahren bereits höher als vor dem Verordnungsausschluss. Der Einsatz von Vitamin B\({}_{12}\)-Präparaten nahm ebenfalls wieder langsam zu und hat den Stand von 2003 mittlerweile übertroffen. Auch die Verordnungen der verschreibungsfreien Mineralstoffpräparate nahmen 2004 erheblich ab. Während die Verordnungen von Kaliumpräparaten seitdem aber wieder angestiegen sind, bewegen sich die Magnesiumverordnungen nach dem massiven Einbruch von 2004 seit mehreren Jahren auf konstant niedrigem Niveau.
Bewertung Colecalciferol wird zur Rachitisprophylaxe und zur Behandlung der Osteoporose eingesetzt, während die Metaboliten Alfacalcidol und Calcitriol insbesondere bei Dialysepatienten indiziert sind. Vitamin B\({}_{12}\) wird vorwiegend für die parenterale Therapie schwerwiegender Vitaminmangelzustände wie der perniziösen Anämie benötigt. Kaliumpräparate dienen der Korrektur eines höhergradigen Kaliummangels. Magnesiumpräparate sind bei Magnesiummangel indiziert, der aber bei der weiten Verbreitung von Magnesium in der Nahrung bei üblicher Kost selten ist.
Katja Niepraschk-von Dollen
44. Zahnärztliche Arzneiverordnungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Zahnärztliche Arzneiverordnungen haben nur einen Anteil von 1,2 % am gesamten Verordnungsvolumen des Arzneimittelmarktes nach definierten Tagesdosen. Überwiegend handelt es sich dabei um Antibiotika/Antiinfektiva, Antiphlogistika, Analgetika und Fluoridpräparate. Mit weitem Abstand größte Gruppe sind die Fluoridpräparate (Anteil 85 %), bei denen die topisch wirksamen, fluoridhaltigen Gele absolut im Vordergrund stehen, während die systemische Fluoridprophylaxe fast keine Rolle mehr spielt. Danach folgen die Verordnungen von Antibiotika/Antiinfektiva (Anteil 6,1 %), darunter vor allem Amoxicillinpräparate und Oralpenicilline. Obwohl die Clindamycinverordnungen in den letzten Jahren deutlich abgenommen haben, liegt ihr Anteil an den Antibiotikaverordnungen (28 %) in Deutschland im Vergleich zu internationalen Daten immer noch sehr hoch. Bei den Antiphlogistika ist Ibuprofen mit einem Anteil von fast 98 % der dominierende Wirkstoff. Der Anteil der Analgetikaverordnungen (0,4 %) ist sehr gering, allerdings entfallen 2/3 der Verordnungen auf den Metamizol.
Frank Halling
Backmatter
Metadaten
Titel
Arzneiverordnungs-Report 2020
herausgegeben von
Prof. Dr. Ulrich Schwabe
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-62168-4
Print ISBN
978-3-662-62167-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-62168-4

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