Mit Botox gegen Borderline-Symptome?

Botulinumtoxin – injiziert in die Stirn – konnte bereits bei Depressionen seine Wirkung unter Beweis stellen. Nun wurde von Forschenden aus Hannover und Hamburg ein positiver Effekt auch bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung belegt. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. In der Glabellaregion werden negative Emotionen anhand der Zornes- oder Sorgenfalten sichtbar. Durch eine Injektion von Bolulinumtoxin in den M. corrugator supercilii und M. procerus wiederum kann die Stirn geglättet werden. Dies machten sich Prof. Dr. Tillmann Krüger von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und seine Kolleginnen und Kollegen in einer aktuellen Studie an Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung zunutze. Sie mutmaßten, dass eine Botoxinjektion bei den Patientinnen zu einer Unterbrechung der negativen Emotionen führe. Da psychische Verfassung und Mimik eng zusammenhängen, würden negative Emotionen durch die Faltenglättung bei den Betroffenen reduziert, so die Hypothese. „Eine entspannte Stirn vermittelt sozusagen ein positiveres Gefühl“, sagt Krüger in einer Pressemitteilung der MHH. Denn nach der sogenannten Facial-Feedback-Theorie senden Propriorezeptoren in den Gesichtsmuskeln Signale ans Gehirn, die je nach Mimik positive oder negative Gefühle verstärken können. Für ihre randomisierte, doppelblinde Studie rekrutierten Krüger und sein Team insgesamt 45 Frauen mit Borderline-Syndrom. Die Behandlung ihrer Erkrankung sollte für mindestens acht Wochen vor und nach der Aufnahme in die Studie möglichst unverändert bleiben, d. h. es sollten keine Änderungen der Medikation oder Psychotherapie vorgenommen werden. 24 Frauen wurden in die Botox-Gruppe randomisiert und erhielten einmalige Injektionen in die Stirnregion. Bei den 21 Frauen der Kontrollgruppe wurden zwei Akupunktur-Behandlungen im gleichen Areal durchgeführt. Die Symptome der Probandinnen wurden mit der Zanarini Rating Scale for Borderline Personality Disorder (ZAN-BPD) und mit der Borderline Symptom List 23 (BSL-23), Agitationen mit der Hamburg-Hannover Agitation Scale (H2A) bewertet. Bei Aufnahme in die Studie und nach vier Wochen wurde jeweils eine funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) durchgeführt, um so die neuronalen Effekte sichtbar zu machen. Nach vier Wochen wiesen beide Gruppen in den drei Tests ZAN-BPD, BSL-23 und H2A eine ähnliche klinische Verbesserung auf. Jedoch ließ nach einer Botox-Injektion die Aktivität in der Amygdala, gemessen im fMRT, nach. Die Botox-Behandlung war mit einer verbesserten Inhibitionsleistung und einer erhöhten Aktivität im Motorcortex verbunden. Wurden den Probandinnen Fotos von Gesichtern gezeigt, auf denen positive und negative Emotionen zu sehen waren, ging die Verarbeitung negativer emotionaler Gesichter mit einer Verringerung der Aktivität der rechten Amygdala einher. Die Vergleichsgruppe, die mit Akupunktur behandelt worden war, zeigte diese neuronalen Effekte in der fMRT-Untersuchung nicht. Empfehlung der Redaktion Affektive Störungen – Themenseite Aktuelle Meldungen, Übersichtsarbeiten und CME-Kurse zu affektiven Störungen, sowie Therapie- und Diagnoseempfehlungen für die Praxis finden Sie auf unserer Themenseite. Krüger und seine Studiengruppe konnten somit belegen, dass Botox die Amygdala im Temporallappen des Gehirns beeinflusst, wo Ängste entstehen und verarbeitet werden. „Wir konnten sehen, dass Botulinumtoxin das emotionale Dauerfeuer im Mandelkern drosselt, welches die hochgradige innere Anspannung der Betroffenen begleitet“, erklärt Krüger. Das Nervengift unterbricht die Rückkopplungsschleife zwischen den Gesichtsmuskeln und dem Gehirn und verändert so auch die emotionale Rückmeldung. „Dies ist die erste Studie, die einen neuartigen Ansatz zur peripheren Beeinflussung des emotionalen Ausdrucks bei Borderline-Persönlichkeitsstörung untersucht“, so das Statement von Krüger und seinem Team in der Publikation. Die Ergebnisse würden die besondere Rolle der Amygdala bei der emotionalen Verarbeitung und ihre mögliche Verbindung zur Impulsivität bei Patientinnen und Patienten mit Borderline-Erkrankung unterstreichen. Außerdem unterstützten sie die Annahme, dass mit Botulinumtoxin-Injektionen Emotionen moduliert werden können, die in den Körper „eingeschrieben“ sind. Trotz des Fehlens eines eindeutigen klinischen Nutzens von Botox auf die Symptomatik der Borderline-Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu einer Akupunktur-Sitzung könnten die Resultate zu weiteren Forschungen über den Einsatz von Botulinumtoxin bei der Behandlung von Borderline- und anderen psychischen Störungen, die mit übermäßig vielen negativen Emotionen einhergehen, anregen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Kann eine Injektion von Botulinumtoxin in die Glabella Symptome von Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung verbessern? Antwort: Bei Patientinnen mit Borderline-Erkrankung wurden nach Botulinumtoxin-Injektionen in die Glabellaregion negative Emotionen nachhaltig gedämpft. Bedeutung: Die Behandlung wirkt über mehrere Monate, ist gut verträglich und kostengünstiger als manch andere Therapie. Einschränkung: Die Studie wurde nur mit Frauen durchgeführt; der Einfluss von Therapien, wie etwa die Einnahme von psychotropen Substanzen während des Studienzeitraums, wurde nicht berücksichtigt.

Springer Medizin

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