Weit verbreitet und oft schlecht kontrolliert

Die Prognose von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ist noch immer schlecht, die Mortalität hoch: Jeder zweite Patient stirbt trotz der verfügbaren Behandlungsoptionen innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose. Der Bedarf an ergänzenden Therapiemöglichkeiten ist weiterhin ungedeckt. Herzinsuffizienz ist ein häufiges und zugleich globales Problem: An ihr leiden derzeit über 60 Millionen Menschen weltweit – mehr als dreimal so viele, wie an Krebs [1–3]. In Europa sind mehr als 15 Millionen Menschen [4], in Deutschland etwa 2,5 Millionen Menschen von Herzinsuffizienz betroffen [5]. Das lebenslange Erkrankungsrisiko bei Erwachsenen liegt bei 20–45% [6]. Zu den wesentlichen Ursachen für die Entstehung einer Herzinsuffizienz zählen neben der koronaren Herzkrankheit einschließlich Zustand nach Myokardinfarkt vor allem Hypertonie, Gefäßerkrankungen und Herzrhythmusstörungen. „Da diese Erkrankungen mit zunehmendem Lebensalter häufiger auftreten, muss aufgrund der demografischen Entwicklung weiterhin mit einer deutlichen Zunahme der Zahl an Patienten mit Herzinsuffizienz gerechnet werden“, führte Prof. Dr. Frank Edelmann, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, aus. Hohe Morbidität und Mortalität Die Herzinsuffizienz kann basierend auf den Empfehlungen der European Society of Cardiology (ESC) anhand der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) in drei Gruppen eingeteilt werden: Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (LVEF <40%): HFrEF mit mittlerer Auswurffraktion (LVEF 40–49%): HFmrEF mit erhaltener Auswurffraktion (LVEF ≥50%): HFpEF „Die chronische HFrEF ist eine schwerwiegende, progrediente Erkrankung, die mit häufigen Hospitalisierungen aufgrund akuter Verschlechterungen und einer deutlich verkürzten Lebenserwartung einhergeht“, erinnerte Edelmann. Bei Patienten ab 65 Jahren ist die Herzinsuffizienz die häufigste Diagnose bei einer Krankenhausaufnahme [7, 8]. Trotz einer Standardtherapie↩mit einer Kombination aus beispielsweise Angiotensin-Converting-Enzyme-Inhibitoren (ACEI), ß-Blockern, Angiotensin-II-Rezeptor-Blockern (ARB), Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA), oder gegebenenfalls einem Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) sowie Diuretika, müssen 50% der Patienten mit Herzinsuffizienz innerhalb von 60 Tagen erneut ins Krankenhaus aufgenommen werden [9, 10]. Das Risiko für eine weitere Hospitalisierung oder kardiovaskulären Tod ist für Patienten, die bereits zuvor wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert waren, größer [11]. „Denn jede stationäre Behandlung ist ein Indiz dafür, dass die Erkrankung weiter fortschreitet und sich die Prognose weiter substanziell verschlechtert“, so Edelmann. Eine progressive Erkrankung mit hohem Therapiebedarf Das Risiko von Patienten mit HFrEF ist nach wie vor hoch [11]. Abgesehen von der enormen Krankheitslast verursacht die Herzinsuffizienz Edelmann zufolge zugleich eine enorme wirtschaftliche Belastung: „Die weltweiten Gesamtkosten im Zusammenhang mit der Erkrankung wurden im Jahr 2012 auf 108 Milliarden Dollar geschätzt“, so der Kardiologe [12]. Daher besteht ein sehr hoher medizinischer Bedarf an zusätzlichen Therapien, insbesondere für Patienten, mit einer sich verschlechternden chronischen Herzinsuffizienz. „Bislang kommen Medikamente zum Einsatz, die entweder den Sympathikus beeinflussen oder in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eingreifen. Um Verschlechterungsereignisse wirklich wirksam zu verhindern, haben wir aber offenbar bislang noch nicht die geeigneten Medikamente“, informierte Edelmann. Die Abwärtsspirale unterbrechen Die Ergebnisse der Phase-III-Studie VICTORIA† unterstreichen, dass besonders Patienten mit sich verschlechternder chronischer Herzinsuffizienz zukünftig von einer Behandlung mit Vericiguat* profitieren könnten. Innerhalb von 18 Monaten nach der Erstdiagnose entwickelt jeder sechste Patient eine sich verschlechternde chronische Herzinsuffizienz, die durch eine rasche Aggravation von Symptomen und Zeichen der Erkrankung und/oder Bedarf für eine Erhöhung der oralen Diuretikadosis oder für eine intravenöse Diuretikatherapie charakterisiert ist [17, 18]. „Mit jedem Verschlechterungsereignis, das eine ambulante oder stationäre Stabilisierung erfordert, verliert das Herz unwiederbringlich einen Teil seiner Funktion“, erläuterte Edelmann, nationaler Leiter der VICTORIA-Studie in Deutschland. Dadurch geraten die betroffenen Patienten in eine Abwärtsspirale, die schließlich zum Tod führt (Abb.1) [19, 20]. „Aus diesem Grund benötigen wir neue Medikamente, die dazu beitragen, solche trotz einer bestehenden, leitliniengerechten Therapie auftretenden Verschlechterungsereignisse wirksam zu verhindern“, konstatierte der Kardiologe. Abb. 1 Bei sich verschlechternder chronischer Herzinsuﬃzienz geraten die Patienten in eine Abwärtsspirale (modifiziert nach [19, 20]) Springer Medizin Verlag GmbH × VICTORIA-Studie Ein vielversprechender neuer Wirkstoff, der sich in der klinischen Prüfung befindet und mit dem die Chance besteht, die Abwärtsspirale zu unterbrechen, könnte mit dem sGC-Stimulator Vericiguat* verfügbar werden. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Vericiguat* wurde in der randomisierten Phase-III-Studie VICTORIA im Vergleich zu Placebo, jeweils in Kombination mit einer leitliniengerechten Standardtherapie, bei insgesamt 5.050 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion (<45%) nach einem Verschlechterungsereignis untersucht [21]. „Ein Verschlechterungsereignis war definiert als Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung (HFH) oder intravenöse Gabe eines Diuretikums wegen Herzinsuffizienz ohne Hospitalisierung“, erläuterte Prof. Dr. Burkert Pieske, Berlin, Co-Principal Investigator von VICTORIA. Neue Perspektiven Vericiguat* reduzierte in der untersuchten Population das Risiko des kombinierten primären Endpunkts aus kardiovaskulärem Tod oder erstem Auftreten einer HFH statistisch signifikant um relativ 10% (Hazard Ratio [HR] 0,90; 95%-Konfidenzintervall [KI] (0,82–0,98; p=0,019) [21]. Die absolute Risikoreduktion betrug 4,2 pro 100 Patientenjahre, was einer Number Needed to Treat (NNT) von 24 über eine mediane Nachbeobachtungszeit von 10,8 Monaten entspricht [22]. „Dieser Wert ist klinisch absolut relevant. Dies ist die erste positive Phase-III-Studie, die sich ausschließlich und erfolgreich auf eine Patientenpopulation mit symptomatischer Herzinsuffizienz nach einem Verschlechterungsereignis konzentrierte“, kommentierte der Kardiologe. Vericiguat* erwies sich in der VICTORIA-Studie zudem als gut verträglich, unerwartete oder außergewöhnliche Sicherheitssignale wurden nicht beobachtet. Die Gesamtinzidenzrate schwerwiegender unerwünschter Ereignisse war mit 32,8% unter Vericiguat* versus 34,8% im Placebo-Arm vergleichbar [21]. „Damit bietet Vericiguat* einen vielversprechenden und in der Herzinsuffizienztherapie neuen therapeutischen Ansatz für diese ganz besondere Patientenpopulation, bei der trotz leitliniengerechter Therapie weiterhin ein hoher medizinischer Bedarf besteht“, schlussfolgerte Pieske. Neuer Therapieansatz: Stimulation der sGC Ein bislang noch nicht adressierter Behandlungsansatz für Patienten mit sich verschlechternder chronischer Herzinsuffizienz zielt auf die lösliche Guanylatzyklase (sGC), ein zentrales Schlüsselenzym des NO-sGC-cGMP-Signalwegs, ab, der bei Patienten mit Herzinsuffizienz beeinträchtigt ist [13–16]. Als solches dient die sGC als Rezeptor für Stickstoffmonoxid (NO). Sobald NO an die sGC bindet, katalysiert das Enzym die Synthese des Signalmoleküls cGMP (zyklisches Guanosinmonophosphat). cGMP wiederum beeinflusst viele Vorgänge in verschiedenen Zellen und sorgt beispielsweise für eine Verminderung des Gefäßtonus. Weiterhin vermittelt es antiproliferative, antifibrotische und antientzündliche Effekte. Eine Stimulation der sGC kann den NO-sGC-cGMP-Signalweg bei Herzinsuffizienz unabhängig von NO wiederherstellen. Daraus resultieren eine Verbesserung der myokardialen und vaskulären Funktion sowie eine Verminderung des linksventrikulären Remodelings, der Fibrose und der Entzündung. Vericiguat* stimuliert die sGC direkt und selektiv. Auf diese Weise wird die cGMP-Produktion auch unter Bedingungen mit niedrigen NO-Spiegeln, wie sie bei Patienten mit Herzinsuffizienz charakteristisch sind, erhöht [16]. Der sGC-Stimulator Vericiguat wird zurzeit in einem klinischen Studienprogramm bei Patienten mit sich verschlechternder chronischer Herzinsuffizienz getestet. Zu diesem Studienprogramm gehört die randomisierte, placebokontrollierte, multizentrische, doppel-blinde Phase-III-Studie VICTORIA†, die erste Studie, die sich ausschließlich auf eine Patientenpopulation mit chronischer Herzinsuffizienz nach einem Verschlechterungsereignis fokussiert hat [21]. In der Studie konnte gezeigt werden, dass Vericiguat das Risiko des kombinierten primären Endpunkts aus kardiovaskulärem Tod oder erstem Auftreten einer Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierung gegenüber Placebo signifikant verringert (p=0,019) [21]. †VICTORIA=VerICiguaT glObal study in patients with heart failure with Reduced ejectIon frAction *Vericiguat befindet sich in klinischer Prüfung und ist bislang nicht von der Europäischen Kommission zugelassen worden. Literatur GBD 2016 Disease and Injury Incidence and Prevalence Collaborators, Lancet 2017, 390: 1211–1259 http://gco.iarc.fr (letzter Zugriff: 29.4.2020) https://www.who.int/gho/hiv/en (letzter Zugriff: 29.4.2020) Dickstein K et al., Eur J Heart Fail 2008, 10: 933–989 https://www.versorgungsatlas.de/themen/alle-analysen-nach-datum-sortiert/?tab=6&uid=97(letzter Zugriff: 29.4.2020) Benjamin EJ et al., Circulation 2018, 137: e67–e492 Maggioni AP et al., Eur J Heart Fail 2016, 18: 402–410 Alla F et al., Heart Fail Rev 2007, 12: 91–95 Krumholz HM et al., Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2009, 2: 407–413 Chun S et al., Circ Heart Fail 2012, 5: 414–421 Benjamin EJ et al., Circulation 2019, 139: e56–e528 Cook C et al., Int J Cardiol 2014, 171: 368–376 Breitenstein S et al., Handb Exp Pharmacol 2017, 243: 225–247 Buys ES et al., Cardiovasc Res 2008, 79: 179–186 Gheorghiade M et al., Heart Fail Rev 2013, 18: 123–134 Armstrong PW et al., JACC Heart Fail 2018, 6: 96–104 Butler J al., J Am Coll Cardiol 2019, 73: 935–944 Greene SJ et al., JAMA Cardiol 2018, 3: 252–259 Gheorghiade M et al., Am J Cardiol 2005, 96(6A): 11G–17G Cowie MR et al., ESC Heart Fail 2014, 1: 110–145 Armstrong PW et al., N Engl J Med 2020, Epub ahead of print Butler J et al., Circulation 2020, Epub ahead of print Impressum „VICTORIA-Studie – Ausblick bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion (HFrEF)“ Online-Pressekonferenz, 17. April 2020 Berichterstattung: Dr. Silke Wedekind, Frankfurt a.M. Artikel gedruckt in: Der Kardiologe 3/2020, Ärzte Zeitung Nr. 45, 17. Juni 2020 Im Auftrag der Bayer Vital GmbH, Leverkusen Corporate Publishing (verantwortlich i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Teresa Windelen Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. 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