Weniger Screening und Krebsdiagnosen in der Coronapandemie

Forscher mehrerer Länder haben Zahlen vorgelegt, die Onkologen beunruhigen müssen. Demnach sorgt die Coronapandemie dafür, dass die Teilnahme am Krebsscreening erheblich sinkt. Viele Krebserkrankungen entgehen dadurch der Diagnose. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Befürchtung, die Versorgung von Krebspatienten könnte durch die SARS-CoV-2-Pandemie Schaden nehmen, hat sich in einer Studie aus den USA bestätigt. Je nach Art des Screenings betrug der Rückgang bei der Teilnahme in der ersten Hochphase der Pandemie im Frühjahr zwischen 60% und 82%. Diagnosen wurden zu 19% bis 78% seltener gestellt. Der Anteil der positiven Screeningergebnisse stieg indes. Für ihre Untersuchung hatten Ziad Bakouny vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston und Kollegen Daten des Massachusetts General Brigham, des größten Gesundheitssystems im Nordosten der USA, analysiert. Die Angaben stammten von 192.060 Screeningteilnehmern aus vier Perioden. Die Forscher verglichen die Zahlen aus dem Zeitraum von März bis Juni 2020 – dem ersten Höhepunkt der Pandemie – mit jenen, die im Vergleichszeitraum 2019 sowie in den drei Monaten vor der Hochphase und in den drei Monaten nach dem Peak angefallen waren. Zu den untersuchten Screeningverfahren gehörten Mammografie, Low-Dose-CT, Koloskopie, PSA-Screening und Papanicolaou-Test. Rückgang bei allen Screeningverfahren Der Rückgang während der Hochphase der COVID-19-Pandemie betraf alle Verfahren und war gegenüber allen Vergleichsphasen festzustellen – was bedeutet, dass die Screeningzahlen nach Ende der Hochphase nahezu wieder das Niveau vor dem Peak erreichten. Und obwohl die Diagnosezahlen für Krebs und präkanzeröse Läsionen für alle Screenings mit Ausnahme des Low-Dose-CT im März bis Juni 2020 niedriger lagen als in den Vergleichszeiträumen, war der Anteil an positiven Ergebnissen insgesamt erhöht: Mammografie 4,1% vs. 1,9–2,3%; Koloskopie 1,3% vs. 0,7–0,9%; PSA-Test 22,7% vs. 9,9–13,2%; Papanicolaou-Test 11,6%vs 6,5–10,0%. Bakouny und Mitarbeiter führen dieses Phänomen darauf zurück, dass es wohl vor allem Patienten mit hohem Risiko waren, die sich trotz Pandemiepeak zum Screening eingefunden haben. Dennoch rechneten die Forscher aus, dass mehr als 1438 Krebsdiagnosen mehr gestellt worden wären – 3423 statt 1985 –, wenn die Screeningteilnahme nicht zurückgegangen wäre. Zwar weisen die US-Forscher darauf hin, sie hätten die Population von Massachusetts nicht vollständig erfassen können, Screenings außerhalb des untersuchten Systems seien durchs Raster gefallen. Das schränkt die Ergebnisse ein. Allerdings sind andernorts ähnliche Entwicklungen dokumentiert worden. Britische Kollegen, die sich speziell mit der Situation bei Darmkrebs befasst haben, berichten ebenfalls von drastischen pandemiebedingten Rückgängen (Morris EJA et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2021; https://doi.org/10.1016/S2468-1253(21)00005-4). So habe es im Vergleich zum Monatsdurchschnitt des Jahres 2019 im April 2020 einen Einbruch um 63% bei den Überweisungen aufgrund eines Darmkrebsverdachtes gegeben, die Zahl der Koloskopien sei um 92% zurückgegangen. Bis Oktober hätten sich die Zahlen wieder erholt. Ähnlich stellt sich die Lage in Deutschland dar. Peter Reichardt vom Helios-Klinikum Berlin-Buch hat sich die Daten zur stationären Aufnahme von 75 Helios-Kliniken angesehen (Reichardt P et al. Oncol Res Treat 2020; https://doi.org/10.1159/000512935). Hiernach gab es gegenüber dem Vorjahreszeitraum in den Monaten März und April 2020 einen Rückgang onkologischer Patienten um 10–20%. Nach dem Übergang zur Normalversorgung Ende April normalisierte sich die Situation jedoch nicht: Bis Juni jedenfalls blieb es bei einem Rückgang um 10–20% verglichen mit dem Vorjahr. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Pandemie auf die Situation in der Onkologie? Antwort: Studien aus mehreren Ländern, darunter Deutschland, dokumentieren einen Rückgang sowohl beim Krebsscreening als auch bei der Zahl diagnostizierter Erkrankungen und behandelter Patienten. Einschränkung: Die analysierten Datensätze sind teils unvollständig, die prognostischen Folgen der beobachteten Phänomene können erst später untersucht werden. Lesen Sie auch einen Kommentar des Autors: Empfehlung der Redaktion 20.01.2021 | COVID-19 | Nachrichten Kollateralschäden der Pandemie Krebsscreening und Krebsdiagnosen sind während der Coronapandemie deutlich zurückgegangen. Das lässt nichts Gutes ahnen.

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