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05.12.2022 | COVID-19 | Nachrichten

OECD-Bericht zu Pandemie-Folgen

Lebenserwartung in der EU um 1,2 Jahre gesunken

verfasst von: Dr. Florian Staeck

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Europaweit 1,1 Millionen COVID-Tote drücken die Lebenserwartung der Bürger. Die Gesundheitssysteme sind unterschiedlich gut mit den Belastungen klar gekommen, heißt es in einem OECD-Bericht. Deutschland schneidet gut ab – doch es gibt Ausnahmen.

 Die Corona-Pandemie hat die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen in Europa in den Jahren 2019 bis 2021 um 1,2 Jahre verringert.

Die größten Verluste an Lebenserwartung mussten die Bürger in Bulgarien (-3,7 Jahre), in der Slowakei (-3,0 Jahre), Rumänien (-2,7 Jahre) und in Polen (-2,3 Jahre) hinnehmen. In Deutschland fällt der Rückgang mit 0,4 Jahren unterdurchschnittlich aus (siehe nachfolgende Tabelle).

Nur in wenigen Ländern, so etwa in Schweden, Luxemburg, Schweiz, Island und Norwegen, blieb die Lebenserwartung während der Pandemie-Jahre stabil. Das geht aus der OECD-Studie „Health at a glance 2022“ hervor, die am Montag in Paris vorgestellt worden ist.

Bis einschließlich Oktober dieses Jahres starben den Angaben in Europa 1,1 Millionen Menschen in Folge einer COVID-Erkrankung, 90 Prozent von ihnen waren über 60 Jahre alt. Gemessen je eine Million Einwohner variiert die Zahl der erfassten COVID-Toten erheblich: Die höchsten Werte verzeichnet Bulgarien mit 5452 Toten gefolgt von Ungarn (4800) und mehreren Staaten des Balkans.

Von den großen europäischen Flächenländern liegen Polen (3127) und Großbritannien (3097) über dem europäischen Durchschnitt von 2632 Toten je eine Million Einwohner. Deutschland weist mit 1848 Toten einen vergleichsweise niedrigen Wert aus, der nur noch von einzelnen – insbesondere skandinavischen – Ländern unterboten wird (Dänemark: 1263, Finnland: 1540, Norwegen: 782).

Übersterblichkeit, die sich nicht aus COVID-Daten ableiten lässt

Indes weist die Statistik für die untersuchten Länder insgesamt bis Juni 2022 eine Übersterblichkeit auf, die um 26 Prozent über den erfassten COVID-Todesfällen liegt. Bei diesen insgesamt 300.00 Todesfällen ist unklar, inwieweit sie auf die Pandemie oder aber auf andere Gründe zurückzuführen sind.

Besonders groß ist die Differenz zwischen Übersterblichkeit und offiziellen COVID-Todeszahlen in Bulgarien, Rumänien, Polen, Slowakei und Estland. Die OECD-Autoren gehen hier von einer großen Untererfassung von COVID-Todesfällen aus.

Insgesamt hat die Pandemie für die über 65-Jährigen alle Zugewinne an Lebenserwartung seit dem Jahr 2010 zunichte gemacht. Die fernere Lebenserwartung für diese Gruppe betrug im Jahr 2021 19,3 Jahre, elf Jahre zuvor waren es noch 19,4 Jahre gewesen.

Die Pandemie, betonen die OECD-Autoren, hat die Bedeutung einer obligatorischen Krankenversicherung für alle Bürger eines Landes vor Augen geführt. Tatsächlich verfügen in den EU-Staaten 98 bis 100 Prozent der Bürger über eine entsprechende Kranken-Police (mit zwei Ausnahmen: Bulgarien: 85,2 Prozent, Rumänien: 89,0 Prozent). Allerdings variiert der Leistungsumfang der Versicherung je nach Land gravierend.

Krankenversicherung deckt in Deutschland 97 Prozent der Klinikkosten

So werden im EU-Durchschnitt 91 Prozent der Kosten einer stationären Versorgung von der Krankenversicherung übernommen. Nur 82 Prozent deckt die Police im Schnitt in Belgien, 83 Prozent sind es in Portugal. In Griechenland werden durch die Krankenversicherung gar nur zwei Drittel der Kosten abgedeckt. Deutschland kommt hier auf einen Wert von 97 Prozent.

In der ambulanten Versorgung ist die Abdeckung durch die Krankenversicherung im Schnitt geringer (EU-weit: 78 Prozent) und ebenfalls stark unterschiedlich. Malta (56 Prozent), Italien (63 Prozent) und Griechenland (jeweils 65 Prozent) oder Belgien (67 Prozent) weisen die niedrigsten Raten der Kostenübernahme auf. Der Wert für Deutschland liegt mit 89 Prozent abermals deutlich über dem EU-Schnitt.

Noch lückenhafter stellt sich der Leistungsumfang der obligatorischen Krankenversicherung bei der Übernahme der Arzneimittelkosten dar. Im EU-Schnitt decken die jeweiligen Policen nur 59 Prozent der anfallenden Kosten. Nur vier Länder erreichen hier Werte von über 80 Prozent. Zypern führt diese Liste mit 85 Prozent an, gefolgt von Frankreich und Deutschland mit jeweils 82 Prozent sowie Kroatien mit 80 Prozent.

Zufriedenheit der Patienten mit Zeitbudget des Arztes hat abgenommen
Der unterschiedliche Leistungsumfang der Krankenversicherungen spiegelt sich in den Kostenanteilen, die die Patienten selbst tragen müssen (Out-of-pocket-Zahlungen). Gemessen am Haushaltseinkommen waren dies im Jahr 2020 im EU-Durchschnitt 3,3 Prozent.

Malta (7,1 Prozent), Bulgarien (5,2 Prozent), Portugal und Griechenland (jeweils 4,7 Prozent) bürden den Versicherten die anteilig größten Kostenlasten auf. Deutschland weist hier mit 3,2 Prozent des Haushaltseinkommens einen leicht unterdurchschnittlichen Wert auf. Unter den Nicht-EU-Staaten müssen die Patienten in der Schweiz mit 5,3 Prozent anteilig am meisten aus der eigenen Tasche zahlen.

Bei den von Patienten selbst berichteten Erfahrungen im Gesundheitswesen werden für Deutschland (bei neun untersuchten Ländern) durchweg überdurchschnittliche Wert berichtet. Dies gilt auch – noch – für die Zufriedenheit der Patienten damit, ob sich ihr Arzt genug Zeit für die Untersuchung nimmt. Hier hat allerdings im Vergleich der Jahre 2010 und 2020 der Wert von 92,0 auf 86,9 Prozent deutlich abgenommen.

Ein ähnlich negativer Trend wird für Schweden, die Schweiz und – in geringerem Maße – für Frankreich ausgewiesen. Um 16 Punkte auf rund 73 Prozent ist die Zufriedenheit in Großbritannien abgestürzt. In wenigen anderen Ländern wie den Niederlanden oder Norwegen stieg hingegen die Zufriedenheit mit dem Zeitbudget des behandelnden Arztes.

Viele vermeidbare Krankenhaus-Einweisungen in Deutschland

Durchweg unterdurchschnittliche Werte verzeichnet das deutsche Gesundheitswesen hingegen bei vermeidbaren Krankenhauseinweisungen von Patienten mit chronischen Erkrankungen. Ein gut aufgestelltes System der Primärversorgung könne akute Verschlechterungen bei Patienten beispielsweise mit Diabetes, Asthma/COPD oder Herzinsuffizienz abfedern und stationäre Einweisungen verhindern, mahnen die Autoren.

Wegen Asthma/COPD mussten 2019 in Deutschland 281 Patienten je 100.00 Einwohner in die Klinik gebracht werden – EU-weit galt dies für 210 Patienten. Auch der entsprechende Wert für Diabetes-Patienten (206 Patienten je 100.000 Einwohner) liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt von 139 Patienten (siehe nachfolgende Tabelle).

Generell gilt für die Gesundheitssysteme der EU: Auch die Corona-Pandemie hat keinen Kurswechsel hin zu mehr Prävention auslösen können. 97 Prozent der Mittel fließen die Kuration, drei Prozent in die Prävention.

Quelle: Ärzte Zeitung

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Literatur

 Health at glance Studie, OECD/EU 2022: https://www.oecd.org/health/health-at-a-glance/

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