Sind Schwangere mit COVID-19 Hochrisikopatientinnen?

Eine Schwangerschaft scheint ein Risikofaktor für einen ungünstigen COVID-19-Verlauf zu sein, zudem treten bei erkrankten Schwangeren gehäuft Frühgeburten auf. Dafür spricht eine Metaanalyse von 77 Studien. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Zwar haben Frauen seltener schwere COVID-19-Verläufe als Männer, zudem gewährt die Jugend vielen Schwangeren einen gewissen Schutz vor einer ernsten Erkrankung durch das neue Coronavirus, dennoch gelten Schwangere als COVID-19-Hochrisikogruppe. Diese Einstufung basiert vor allem auf Befürchtungen, Schwangere und ihr Nachwuchs könnten besonders unter der Virusinfektion leiden, weniger auf Fakten. Zwar gab es schon recht früh Reviews und Analysen zu dieser Problematik, diese basierten aber häufig auf Einzelfallberichten. Forscher um Dr. John Allotey von Institut für angewandte Gesundheitsforschung in Birmingham, Großbritannien, haben nun versucht, über ein umfassendes Literaturscreening den Stand des Wissens zu eruieren. Sie kommen zu dem Schluss, dass Schwangere oft nicht die typischen COVID-19-Symptome wie Husten und Fieber zeigen, aber häufiger als nicht schwangere Frauen im vergleichbaren Alter einen schweren Verlauf entwickeln. Zudem ist die Frühgeburtenrate bei Schwangeren mit COVID-19 deutlich erhöht. Einbezogen in die Analyse wurden alle Untersuchungen, die Infektions- und Komplikationsraten von Schwangeren angaben. Die Forscher um Allotey fanden 77 Kohortenstudien, darunter 55 mit einem direkten Vergleich von infizierten und nicht infizierten Schwangeren (bezogen auf den Schwangerschaftsverlauf) oder von infizierten Frauen mit und ohne Schwangerschaft (bezogen auf den Krankheitsverlauf). Jeweils ein Drittel der Studien stammte aus den USA, Europa und China, beteiligt waren über 13.000 schwangere oder kürzlich schwangere mit COVID-19 sowie über 83.000 nicht schwangere Infizierte im reproduktiven Alter. Die wichtigsten Resultate: Insgesamt hatten in den Studien 10% aller schwangeren oder kürzlich schwangeren Frauen, die in eine Klinik mussten, eine bestätigte oder vermutete SARS-CoV-2-Infektion. Wurden in den Kliniken alle eintreffenden Schwangeren getestet, erreichte die Positivenrate im Schnitt 7%, untersuchten Ärzte nur symptomatische Frauen, waren es 18%. In den Studien mit generellem Screening waren drei Viertel der Schwangere mit COVID-19 asymptomatisch. Die häufigsten Symptome bei Schwangeren mit COVID-19 waren Fieber (40%) und Husten (39%). Eine Lymphopenie zeigten 35%, erhöhte Werte von C-reaktivem Protein 49%. Fieber trat aber deutlich seltener auf (Odds Ratio, OR = 0,43) als bei nicht schwangeren Frauen mit COVID-19, ähnliches galt für Myalgien (OR = 0,48). 13% der positiv getesteten Schwangeren entwickelten einen schweren Verlauf, 4% mussten auf eine Intensivstation und 3% benötigten eine mechanische Beatmung, 0,6% starben (73 Frauen). Schwangere mit COVID-19 benötigten zu 60% häufiger eine intensivmedizinische Versorgung und zu 90% häufiger eine mechanische Beatmung als infizierte Frauen ohne Schwangerschaft. Ein schwerer Verlauf wurde vor allem bei Schwangeren mit Komorbiditäten wie Adipositas (OR = 2,4), chronischer Hypertonie (OR = 2,0) und Diabetes (OR = 2,5) festgestellt, ebenso bei einem Alter über 34 Jahren (OR = 1,8). Schwangere mit solchen Komorbiditäten benötigten rund vierfach häufiger eine intensivmedizinische Versorgung und mechanische Beatmung als Schwangere ohne entsprechende Probleme. 17% der Schwangeren mit COVID-19 erlitten eine Frühgeburt, 6% eine spontane Frühgeburt. Insgesamt traten Frühgeburten bei infizierten Schwangeren rund dreifach häufiger auf als bei nicht infizierten (OR = 3,0). Ein Viertel aller Neugeborenen von infizierten Müttern mussten auf eine Neugeborenenstation. Auch dieses Risiko war für Kinder infizierter Mütter deutlich erhöht (OR = 3,1). Totgeburten und neonatale Todesfälle waren aber auch bei SARS-CoV-2-Infizierten so selten, dass sich keine signifikanten Unterschiede zu nicht Infizierten feststellen ließen. Schwangere haben also ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf, vor allem wenn sie noch andere Risikofaktoren wie Adipositas, Hypertonie, Diabetes oder ein relativ hohes Alter aufweisen. Zum Teil beruhen die Resultate aber nur auf wenigen Studien, zudem war die Heterogenität der Studien sehr hoch, geben die Forscher um Allotey zu bedenken. Die Resultate sind daher mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Die Experten wollen aber alle paar Wochen ein Update ihrer Analyse vorlegen, auch mit dem Ziel, zunehmend validere Daten für Leitlinien und politische Entscheidungen zu liefern. Empfehlung der Redaktion Risikoschwangerschaft – Themenseite Chronische Begleiterkrankungen, Mehrlinge, hohes Alter der Mutter: Das sind nur einige der Faktoren, die das Risiko erhöhen, dass eine Schwangerschaft nicht problemlos verläuft. Diese Seite informiert ausführlich zum Thema Risikoschwangerschaft – mit News, CME-Fortbildungen, Kasuistiken, Übersichtsarbeiten und mehr. Das Wichtigste in Kürze Frage: Sind Schwangere mit COVID-19 besonderen Risiken ausgesetzt? Antwort: Das Risiko für einen schweren Verlauf mit Intensivstation und Beatmung ist nach einer Metaanalyse von 77 Studien um 60–90% höher als bei Frauen ohne Schwangerschaft, die Frühgeburtenrate ist rund dreifach höher als bei Schwangeren ohne COVID-19. Bedeutung: Vor allem Schwangere mit Komorbiditäten wie Adipositas, Hypertonie und Diabetes haben schlechte Karten bei einer SARS-CoV-2-Infektion. Einschränkung: Resultate der einzelnen Studien zum Teil sehr heterogen.

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