Die dritte Testverordnung von Minister Spahn macht vieles neu – und weitet die Anlässe für Tests auf SARS-CoV-2 drastisch aus. Vorteil: Gesundheitspersonal kann getestet werden. Nachteil: Es wird komplexer. Ein Überblick.
Personal in Arztpraxen, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen kann ab sofort regelmäßig auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 getestet werden. Das sieht die neue Coronavirus-Testverordnung (TestV) vor, die am Donnerstag (15. Oktober) in Kraft getreten ist. Die dritte Testverordnung von Gesundheitsminister Jens Spahn löst die bisherige ab.
In der Verordnung hat das Bundesgesundheitsministerium zahlreiche Testanlässe neugefasst. Prinzipiell gilt der Anspruch für einen direkten Erregernachweis, also wie bisher mittels rt-PCR auf SARS-CoV-2 und erstmals dezidiert auch für direkte Nachweise mittels Antigentests. In manchen Fällen dürfen zudem ausschließlich Point-of-Care-Antigentests zum Einsatz kommen.
Finanziert werden alle Tests über die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Nach wie vor haben alle Bundesbürger Anspruch, die GKV-Mitgliedschaft ist unerheblich.
Nur bestimmte Antigentests
Das Screening ist komplett neu in die Testverordnung aufgenommen worden. Damit sollen Beschäftigte und Patienten sowie betreute, gepflegte oder untergebrachte Personen in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen künftig bis zu einmal pro Woche getestet werden können.
Dafür sollen, solange das Gesundheitsamt vor Ort nichts anderes entscheidet, nur Antigentests zum Einsatz kommen. Der Anspruch gilt auch für Besucher. Für sie und bereits betreute Personen dürfen allerdings nur „patientennahe“ Point-of-Care-Schnelltests zum Einsatz kommen.
Auch dürfen nur Antigentests zum Einsatz kommen, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter www.bfarm.de/antigentests gelistet hat. Am Donnerstagmorgen waren dort bereits neun Tests gelistet.
Antrag beim Gesundheitsamt stellen
Der Anspruch gilt für:
- Arzt- und Zahnarztpraxen,
- Krankenhäuser,
- stationäre Pflegeeinrichtungen,
- ambulante Pflegedienste,
- Einrichtungen für ambulantes Operieren,
- Dialyseeinrichtungen,
- Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
- Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe sowie
- ambulante Dienste der Eingliederungshilfe.
Um diese Point-of-Care-Tests nutzen zu können, müssen die Einrichtungen dem zuständigen Gesundheitsamt mittels „Antrag“ ein Testkonzept vorlegen, damit das Amt eine sogenannte Feststellung treffen kann. Das Amt soll darin festlegen, wie viele Testkits die Einrichtungen je Monat selbst beschaffen und abrechnen können.
Für Gesundheitseinrichtungen sind maximal 20 Tests pro Monat und Person vorgesehen. Allerdings gibt es eine Übergangsfrist von 30 Tagen nach Einreichen des Antrags: In diesem Zeitraum dürfen die Einrichtungen bereits Tests beschaffen, selbst wenn das Gesundheitsamt noch keinen Bescheid ausgestellt hat.
Doch Anspruch für Reisende
Reiserückkehrer aus ausländischen Risikogebieten sind, anders als im ursprünglichen Referentenentwurf vorgesehen, nun doch wieder Teil der Teststrategie. Sie können wie bisher auch binnen zehn Tagen nach Einreise einen Test erhalten, sofern sie in den zwei Wochen zuvor in einem vom Robert Koch-Institut (RKI) gelisteten Risikogebiet im Ausland waren.
Innerdeutsche Reisende aus Risikogebieten können nun auch einen kostenlosen Test erhalten. Das gilt für alle Personen, die aus einer vom RKI gelisteten deutschen Region mit einer Sieben-Tages-Inzidenz über 50 je 100.000 Einwohner kommen. Allerdings muss bei ihnen ein Gesundheitsamt den Test veranlassen. Diese Regelung soll allerdings am Sonntag, den 8. November, wieder außer Kraft treten – sofern der Verordnungsgeber diese Regelung nicht vorher novelliert.
Kontaktpersonen von SARS-CoV-2-Infizierten haben wie auch bisher Anspruch auf einen Test, allerdings ist der Kreis deutlich erweitert worden. Als Kontakte gelten nun Personen, die
- in den letzten zehn Tagen mindestens 15 Minuten im Gespräch mit dem Infizierten waren oder Kontakt mit Körperflüssigkeiten hatten;
- im selben Haushalten leben, eine Person betreuen oder pflegen bzw. betreut oder gepflegt werden;
- in den letzten zehn Tagen in räumlicher Nähe zum Infizierten waren, etwa bei Sport oder Feiern;
- in engen Raumsituationen für mindestens 30 Minuten in den letzten zehn Tagen waren, etwa in Schulklassen;
- in den letzten zehn Tagen durch die Corona-Warn-App gewarnt wurden.
Vertragsärzte als Leistungserbringer genannt
Zur Ausbruchskontrolle haben asymptomatische Personen ebenfalls Anspruch auf einen Test binnen zehn Tagen, nachdem ein Cluster bzw. ein Indexfall in einer Einrichtung festgestellt wurde. Berechtigt sind alle Besucher sowie die betreuten und tätigen Personen in den oben genannten Einrichtungen sowie zusätzlich Gemeinschaftsunterkünfte und Masseneinrichtungen wie etwa
- Tageskliniken,
- Entbindungseinrichtungen,
- Rettungsdienste,
- Obdachlosenunterkünfte,
- Asylbewerbereinrichtungen und
- Justizvollzugsanstalten.
Als Leistungserbringer für die Testung von Kontaktpersonen nennt die Verordnung neben den Gesundheitsämtern dezidiert die Testzentren der Länder und der KVen sowie die Vertragsärzte. Sie rechnen die Leistungen mit den KVen ab. Die erhalten die Kosten monatlich vom Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds erstattet.
Maximal sieben Euro pro Antigen-PoC-Test
Die Sachkosten für die Selbsttests rechnen die Einrichtungen ebenfalls direkt mit den KVen ab. Cave für Praxisinhaber und Klinikärzte: Ärztliche Leistungen (Abstrich, Gespräch und Attest) dürfen nur bei Patienten oder Besuchern abgerechnet werden, nicht jedoch bei Tests am eigenen Personal.
Die Labor-Antigentests werden pauschal mit 15 Euro je Test honoriert. Die Vergütung der PCR-Tests beträgt nach wie vor 50,50 Euro. Für Point-of-Care-Tests werden die Sachkosten erstattet, höchstens jedoch sieben Euro je Testkit. Die ärztliche Leistung im Zusammenhang mit dem Test, also Abstrich, Gespräch und Attest, wird ebenfalls mit 15 Euro vergütet.
Ärzte können allerdings auch Pflegepersonal in stationären Pflegeeinrichtungen schulen, damit sie die Tests dort selbst durchführen können. Für die Schulung erhalten Ärzte pro Einrichtung pauschal 70 Euro. Abgerechnet wird in allen Fällen direkt mit der eigenen KV.
Neues Muster 10C/OEGD erwartet
Die dritte Testverordnung sieht erstmals auch eine Regelung zur Finanzierung der Testzentren der Länder und der KVen vor. Alle Kosten, die nicht etwa durch Vergütungen der Tests oder über eine EBM-Abrechnung abgedeckt werden, dürfen abgerechnet werden. Davon ausgenommen sind allerdings die Honorare der dort selbstständig tätigen Vertragsärzte.
Das Bundesgesundheitsministerium schätzt Gesamtkosten für die Verordnung „in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrags, abhängig von der Entwicklung des Testgeschehens“.
Auf Ärzte kommt zudem ein Stück neue Bürokratie hinzu, denn die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) muss mit den „maßgeblichen Verbänden“ per 12. November die entsprechenden Vorgaben für die Abrechnung erarbeiten und die Muster 10C/OEGD für die neuen Testanlässe anpassen.
Quelle: Ärzte Zeitung