Wie niedergelassene Ärzte Heimen bei COVID-19-Patienten helfen sollen

Immer mehr COVID-19-Erkrankte auf den Stationen der Kliniken in Sachsen und Thüringen. Die KVen wollen nun die Einweisungsraten senken – mit einer Handlungsempfehlung für niedergelassene Ärzte. Die hohen Erkrankungszahlen insbesondere in einigen Kreisen in Sachsen und Thüringen führen auch in den Krankenhäusern zunehmend zu Engpass-Situationen. Um die sich zuspitzende Lage zu entschärfen, wollen die Kassenärztlichen Vereinigungen Sachsen und Thüringen nun mit einer gemeinsam entwickelten Handlungsempfehlung erreichen, dass deutlich weniger ältere Menschen als bisher bei COVID-19-Erkrankungen aus Pflegeheimen in Krankenhäuser eingewiesen werden. „Wir haben uns das Ziel gesetzt, als niedergelassene Ärzte ein Bollwerk zu bilden, um die Kliniken zu schützen“, sagt die 1. Vorsitzende des Vorstandes der KV Thüringen Dr. Annette Rommel im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“. Ausgearbeitet haben das mehrseitige Papier Klinikärzte und Mediziner in eigener Praxis in Thüringen und Sachsen. Hohe Inzidenz in Heimen Hintergrund der Handlungsempfehlung ist die seit November wieder stark erhöhte Inzidenz von COVID-19 in Pflegeheimen, bei Mitarbeitern und bei Bewohnern. Vor allem die Bewohner hätten aufgrund ihres hohen Alters und bestehender Vorerkrankungen ein höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf. Die aktuellen Zahlen der KBV bestätigen diese Annahmen. Im neuen Corona-Report der KBV ist vermerkt, dass bei den ab 80-Jährigen im Vergleich zum November ein Anstieg bei den Fallzahlen von fast 250 Prozent festzustellen sei. In der Altersgruppe zwischen 60 und 79 Jahren liege dieser Zuwachs bei immerhin noch rund 140 Prozent. Die Todesrate habe nach den aktuellen Zahlen der KBV bei den mehr als 80-Jährigen Mitte November knapp 16 Prozent betragen. Für die Gesamtbevölkerung wird dieser Wert zu diesem Zeitpunkt mit 1,6 Prozent angegeben. „Häufig kein kuratives Therapieziel“ Die KVen konstatieren außerdem, dass bei Menschen, die in Altenheimen leben, „häufig aufgrund von Komorbiditäten und eingeschränktem funktionellem Zustand kein kuratives Therapieziel“ mehr vorhanden sei. Bei „rein palliativer Therapieintention“ seien „keine COVID-19-spezifischen Therapiemaßnahmen über eine symptomorientierte Behandlung hinaus“ indiziert. Es wird weiterhin empfohlen, auch bei „Patienten mit kurativer Therapieintention unkritische Krankenhauseinweisungen in Abhängigkeit von ärztlicher Einschätzung und Patientenwille zu vermeiden“. Die KVen führen aus, „diese Limitationen bewusst in Kauf“ zu nehmen. „Die Leitungen der Heime stecken in vielen Zwängen, weil sie generell mit zu wenig Personal auskommen müssen und während der Corona-Pandemie jetzt zusätzlich mehr Pflegekräfte als sonst nicht verfügbar sind, weil sie entweder selbst erkrankt, infiziert oder in Quarantäne sind“, erläutert KV-Vorsitzende Rommel. In dieser Situation überwiesen viele Heime sehr oft einen sehr hohen Anteil ihrer COVID-19-Patienten in Krankenhäuser. „Wir als niedergelassene Ärzte wollen sowohl die Heime als auch die Kliniken unterstützen, indem wir möglichst viele Corona-Patienten, die in Pflegeheimen leben, dort betreuen.“ Patientenverfügung sollte geprüft werden Die KVen schreiben in ihrer Handreichung, dass „in Abhängigkeit vom Verlauf täglich neu über die Frage der Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu entscheiden“ sei. „Dabei sollen die niedergelassenen Ärzte auch prüfen, ob es eine Patientenverfügung gibt und was in ihr an Regelungen enthalten ist“, ergänzt Rommel. „Gespräche zur Willensbildung und Aktualisierung der Patientenverfügung sind bei Diagnosestellung einer COVID-Erkrankung obligat“, heißt es in der Empfehlung der KVen. Die Heime sollten bei einem Ausbruch den Kontakt mit kooperierenden Hausärzten aufnehmen und die ärztliche Versorgung unter den Hausärzten im Rahmen eines Dienstplans sichern. Neben den Angehörigen sei auch das lokale Krankenhaus zu informieren, ohne dass die Patienten gleich eingewiesen werden. Therapiemöglichkeiten bei unkompliziertem Verlauf ähnlich Die „ambulant bei Bewohnern von Pflegeheimen dort durchführbaren Therapiemöglichkeiten unterscheiden sich nicht von den Standardtherapieoptionen bei COVID-19-Patienten auf Normal-Infektionsstationen“ in Krankenhäusern, so die Einschätzung in dem Papier. Dazu gehörten Maßnahmen der Antikoagulation, der Sauerstofftherapie, Dexamethason, Fiebersenkung, Analgesie, Infustionstherapie, Antibiose, Atemtherapie und Lagerung. Heime bräuchten als Equipment vor Ort Pulsoxymeter, mobilen Sauerstoff und ausreichend Schutzausrüstung. Auf mehreren Seiten folgen dann für die Mediziner die Hinweise, wie die Therapie genau auszusehen hat. „Viele Hausärzte in Thüringen sind dankbar für die Handlungsempfehlung und wenden sie schon an“, glaubt Rommel. „Nach den Hausärzten wollen wir nun auch möglichst viele Fachärzte damit erreichen.“ Die Top-5-Empfehlungen der Handreichung für Heimärzte Die Autoren der Handreichung für eine ambulante Therapie in stationären Pflegeeinrichtungen sehen das Papier ausdrücklich nicht als Leitlinie, sondern als Auflistung von Therapieoptionen, „basierend auf Erfahrungen nach einem COVID-Ausbruch in einem Jenaer Pflegeheim“. Sie entspreche dem aktuellen Wissensstand von Dezember 2020. Federführend bei dem Papier war Professor Mathias Pletz, Direktor am Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena. Die wichtigsten Punkte der Handreichung: Antikoagulation: Bei vorbestehender Antikoagulation sollte diese nach Möglichkeit beibehalten werden, solange keine Blutungszeichen und kein Anhalt für eine Verschlechterung der Nierenfunktion vorliegen (bei eGFR> 50 ml/min). Ohne vorbestehende Antikoagulation/Thrombozytenhemmung nach Prüfung von Kontraindikationen Einleitung einer Heparinprophylaxe. Die Prophylaxe soll mindestens über sieben Tage gegeben werden. Gegebenenfalls ist bei ASS/Thrombozytenaggregationshemmung auch eine Kombination mit Heparinprophylaxe zu erwägen. Dabei ist immer auf Blutungszeichen und Anzeichen für ein Nierenversagen zu achten. Ein Therapieschema ist in der Handreichung hinterlegt. Sauerstofftherapie: Der Beginn einer Sauerstoffinsufflation sollte bei Patienten ohne Hyperkapnie-Risiko bei einer Sauerstoffsättigung ab 93 Prozent beginnen, bei Patienten mit Hyperkapnie-Risiko bei einer Sauerstoffsättigung ab 88 Prozent. Die Sauerstoffsättigung sollte mindestens zwei- bis dreimal täglich mittels Pulsoxymetrie kontrolliert werden. Dabei, heißt es in der Handreichung, sei besonders auf eine konsequente Desinfektion der Pulsoxymeter zu achten. Dexamethason: Bei Sauerstoffpflichtigkeit und Symptombeginn über mehr als sechs Tage sollten 6 mg einmal täglich morgens oral (i.m.) für sieben bis zehn Tage gegeben werden. Dabei sollte mindestens einmal, besser dreimal täglich der Blutzucker kontrolliert werden. Fiebersenkung: Paracetamol oder Metamizol oral oder als Zäpfchen erst bei einer Temperatur von mehr als 39 Grad Celsius oder bei mehr als 38,5 Grad Celsius über drei Tage anhaltend. Antibiose: Nur bei Verdacht auf bakterielle Superinfektion (vor allem bei CRP>100 mg/l). In dem Fall Amoxicillin/Clavulansäure 3x 1g p.o. Bei Allergie Doxycyclin 200mg 1-0-0, alternativ Ceftriaxon. Textbaustein: Autoren/Hinweis(ger) (Die Handlungsempfehlung im Internet zum Download.) Quelle: Ärzte Zeitung

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