State-of-the-Art-Studien sprechen für Remdesivir bei COVID-19

Einer der wenigen Wirkstoffe, für den valide positive Daten zur Therapie von COVID-19 vorliegen, ist Remdesivir. Die zulassungsrelevante Studie ACTT-1 ergab für das Virostatikum im Vergleich zur Standardtherapie eine deutlich kürzere Genesungszeit [1]. Zum Einsatz von Remdesivir (RDV) bei COVID-19 wurden bisher vier randomisierte Studien vollständig publiziert: die ACTT-1-Studie, die Basis für die Zulassung von RDV in Europa war [1], die Studie SIMPLE Severe [2] und die Studie SIMPLE Moderate [3]. Bereits im April publiziert wurde eine chinesische Studie („Wuhan-Studie“), die nach Aussage von Professor Gerd Fätkenheuer, Universitätsklinikum Köln, wegen zu geringer Fallzahlen vorzeitig beendet wurde [4]. ACTT-1: raschere klinische Besserung Die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie ACTT-1 des US-amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) schloss 1062 hospitalisierte erwachsene Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung mit Beteiligung der unteren Atemwege ein. 15 Prozent der Patienten wiesen eine leichte bis mittelgradige Erkrankung auf (Sauerstoffsättigung [SpO2] >94 Prozent), 85 Prozent waren schwer erkrankt (SpO2 ≤94 Prozent bei Raumluft oder erforderliche zusätzliche Sauerstoffgabe oder Tachypnoe [≥24 Atemzüge pro Minute]). Die Patienten waren im Durchschnitt 59 Jahre alt, 64 Prozent waren Männer. Zu den häufigsten Komorbiditäten zählten Hypertonie, Adipositas und Typ-2-Diabetes. Im Rahmen der Studie wurden die Patienten 1:1 randomisiert und erhielten zusätzlich zur Standardtherapie (standard of care; SoC) entweder 200 mg RDV (intravenöse Applikation) an Tag 1, gefolgt von 100 mg RDV/Tag für bis zu 9 Tage (Standardregime 10 Tage) oder eine Placebobehandlung. Primärer klinischer Endpunkt der Studie war die Zeit bis zur klinischen Besserung, definiert als Entlassung aus dem Krankenhaus oder weitere Klinikaufnahme nur zu Isolationszwecken ohne Sauerstoffbedarf, erläuterte Fätkenheuer [1]. Abb. ACTT-1-Studie: Verkürzte Genesungszeit mit Remdesivir Springer Medizin Verlag GmbH × Die Auswertung der Daten der Gesamtpopulation ergab eine mediane Genesungszeit von zehn Tagen unter RDV versus 15 Tage unter Placebo (Rate Ratio für Genesung: 1,29; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,12–1,49; p<0,001; s. Abb.). Hohe Belastung des Gesundheitssystems Aktuelle Daten zu COVID-19 [13]: 14,3 Tage durchschnittliche Liegezeit aller COVID-19-Patienten 25,2 Tage durchschnittliche Liegezeit beatmeter Patienten 13,5 Tage durchschnittliche Beatmungszeiten 70 Prozent Sterberate bei beatmeten Patienten ≥80 Jahre ≥25 Prozent Sterberate bei beatmeten Patienten im Alter zwischen 18 und 59 Jahren Fazit von Fätkenheuer: „ACTT-1 belegt die Wirksamkeit von RDV: Unter dem Virostatikum erholen sich mehr Patienten von COVID-19, und die Genesung erfolgt schneller. Am stärksten profitierten jene Patienten von RDV, die seit höchstens zehn Tagen symptomatisch waren, sowie jene, die zusätzlichen Sauerstoff benötigten, jedoch nicht an ein Beatmungsgerät angeschlossen waren [1].“ RDV ist gut verträglich: In ACTT-1 lag die Rate an unerwünschten Ereignissen (UE) vom Schweregrad 3 oder 4 unter RDV bis Tag 29 bei 51,3 Prozent und unter Placebo bei 57,2 Prozent. Schwere UE waren in der RDV-Gruppe geringfügig seltener als unter Placebo (24,6 versus 31,6 Prozent) [1]. Fünf Tage RDV reichen meist aus Die offene Phase-III-Studie SIMPLE Severe verglich eine RDV-Therapiedauer von fünf und zehn Tagen. Hospitalisierte COVID-19-Patienten ≥12 Jahre (n=397) mit pulmonalen Infiltraten und einer SpO2 ≤94 Prozent bei Raumluft oder zusätzlicher Gabe von Sauerstoff erhielten zusätzlich zu SoC 1:1 randomisiert entweder eine zehntägige (Tag 1 200 mg, 9 Tage 100 mg) oder eine fünftägige (Tag 1 200 mg, 4 Tage 100 mg) RDV-Therapie. Primärer Endpunkt war der klinische Status an Tag 14. Zu diesem Zeitpunkt zeigten beide Therapiearme ein vergleichbares Ergebnis für die Parameter klinische Besserung, Genesung und Mortalität [2]. Einsatz von Remdesivir – was sagen die Leitlinien? Aktuell in der Diskussion bei der COVID-19-Therapie ist die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) initiierte SOLIDARITY-Studie. Die multizentrische, internationale SOLIDARITY-Studie hatte nach Angaben von Professor Gerd Fätkenheuer, Universitätsklinikum Köln, zufolge ein einfaches Design: „Zur Behandlung von COVID-19 wurde jeweils die Studienmedikation eingesetzt, die vor Ort verfügbar war. Als Kontrollgruppe diente die lokale Standard-of-Care-Versorgung.“ Die Auswertung der Studie legt nahe, dass die Therapie mit Remdesivir (RDV) in der Gesamtpopulation nicht mit einer reduzierten Mortalität assoziiert ist. Für Patienten im Alter von ≥50 Jahren sowie für Patienten, die nicht beatmet werden, zeigen Subgruppenanalysen einen nicht signifikanten Mortalitätsvorteil unter RDV im Vergleich zur Kontrollgruppe [5]. Eine Tendenz zu geringerer Mortalität unter RDV ergab sich auch für die Gesamtpopulation der ACTT-1-Studie sowie in einer von der WHO vorgenommenen Metaanalyse randomisierter Studien (SOLIDARITY, ACTT-1, „Wuhan“ und SIMPLE) [1, 5]. Einen deutlichen Mortalitätsvorteil für RDV zeigte dagegen eine Post-hoc-Analyse der ACTT-1-Studie für Patienten mit Low-flow-Sauerstoffgabe (Rate Ratio 0,30; 95%-KI: 0,14–0,64) [1]. Kritik der WHO Auf einem im November 2020 veröffentlichten Flussdiagramm rät die WHO vom Einsatz von RDV ab, da die klinischen Vorteile von RDV nicht relevant genug seien. In den Ausführungen zur grafischen Darstellung wird betont, dass die Evidenz für alle Ergebnisse gering oder sehr gering ist. Das Panel der WHO sieht keine Evidenz dafür, dass RDV nicht effektiv ist, aber auch keine Evidenz für relevante Auswirkungen auf die Mortalität, die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung, die Zeit bis zur klinischen Besserung und andere patientenrelevante Endpunkte [6]. Empfehlungen für Deutschland Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) sieht in ihren im September aktualisierten Empfehlungen zur Therapie von COVID-19 für schwere und kritische Verläufe eine Kombinationstherapie von Dexamethason und RDV vor [7]. Die aktuellste Leitlinie für Deutschland ist die S2k-Leitlinie zur stationären Therapie von COVID-19-Patienten, die am 23. November 2020 publiziert wurde. Dieser Leitlinie zufolge kann bei hospitalisierten, nicht beatmeten Patienten mit COVID-19-Pneumonie und Sauerstoffbedarf eine Therapie mit RDV erfolgen (möglichst in der Frühphase der Erkrankung ≤10 Tage nach Symptombeginn) [8]. Obwohl in der SOLIDARITY-Studie keine der eingesetzten Therapien eine reduzierte Mortalität im Vergleich zum lokalen Versorgungsstandard zeigt, betonen die Experten Professor Fätkenheuer, Köln, Professor Clemens Wendtner, München, und Dr. Björn Jensen, Düsseldorf, dass sie RDV auch weiterhin im klinischen Alltag bei einer entsprechenden Indikation einsetzen werden, da aus ihrer Sicht eine Evidenz für die Wirksamkeit von RDV vorliegt. Angesichts der aktuellen Pandemiesituation riet Wendtner, nicht auf den möglichen Vorteil von RDV zu verzichten. Einsatz von Remdesivir in der Praxis COVID-19-Patienten können in Deutschland bedarfsgerecht mit Remdesivir behandelt werden. Remdesivir (RDV; Veklury®) wird angewendet zur Behandlung der Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) bei Erwachsenen und Jugendlichen (im Alter von ≥12 Jahren und mit einem Körpergewicht von ≥40 kg) mit einer Pneumonie, die eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr erfordert (Low- oder High-Flow-Sauerstofftherapie oder eine andere nicht invasive Beatmung zu Therapiebeginn) [9, 10]. Die deutschen Behandlungsempfehlungen raten, RDV als Virostatikum möglichst im frühen Stadium einer COVID-19-Erkrankung einzusetzen – idealerweise nach Klinikaufnahme und bei Low- oder High-Flow-Sauerstofftherapie [7]. Dr. Björn Jensen, Düsseldorf, betonte: „Eine antivirale Therapie ist am vielversprechendsten, wenn sie früh im Verlauf eingesetzt wird. Entsprechend sollte RDV idealerweise zu Beginn der pulmonalen Phase der Erkrankung initiiert werden [11].“ Dexamethason dagegen adressiert die hyperinflammatorische Phase von COVID-19 [11] und sollte daher bei schweren COVID-19-Verläufen (SpO2 <90 Prozent) angewandt werden [7]. Evidenz für Dexamethason liefert die Studie RECOVERY, die eine Verringerung der Mortalität bei COVID-19-Patienten, die eine invasive Beatmung oder eine zusätzliche Sauerstoffunterstützung benötigen, gezeigt hat [12]. Literatur Beigel JH et al., N Engl J Med 2020, 383: 1813–1826 Goldman JD et al., N Engl J Med 2020, 383: 1827–1837 Spinner C et al., JAMA 2020, 324: 1048–1057 Wang Y et al., Lancet 2020, 395: 1569–1578 WHO Solidarity Trial Consortium, Pan H et al., N Engl J Med 2020, doi:10.1056/NEJMoa2023184 Rochwerg B et al., BMJ 2020, 371: m3379, http://dx.doi.org/10.1136/bmj.m3379 DGI. Konsensusempfehlung, https://www.dgi-net.de/wp-content/uploads/2020/09/Konsensusempfehlungen_COVID-19_Therapie_der_DGI_Sep2020.pdf (letzter Zugriff: November 2020) AMWF online, Leitlinien, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/113-001.html (letzter Zugriff: November 2020) Fachinformation Veklury® 100 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Stand: Dezember 2020 Fachinformation Veklury® 100 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Stand: Dezember 2020 Siddiqi J, Mehra MR, Heart Lung Transplant 2020, 39: 405–407 RECOVERY Collaborative Group, N Engl J Med 2020, doi: 10.1056/NEJMoa2021436 Karagiannidis C et al., Lancet Respir Med 2020, S2213–2600 (20): 30316–30317 Veklury® 100 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung Veklury® 100 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung Wirkstoff: Remdesivir. Zusammensetzung: Jede Durchstechflasche enthält 100 mg Remdesivir (Konzentrat: 5 mg/ml; Pulver: 5 mg/ml nach Rekonstitution). Sonstige Bestandteile: Hexakis- und Heptakis-O-(4-sulfobutyl)cyclomaltoheptaose-Natriumsalz (1:6,2-6,9), Salzsäure, Natriumhydroxid, Wasser für Injektionszwecke (im Konzentrat enthalten). Anwendungsgebiet: Veklury wird angewendet zur Behandlung der Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID‑19) bei Erwachsenen und Jugendlichen (im Alter von mindestens 12 Jahren und mit einem Körpergewicht von mindestens 40 kg) mit einer Pneumonie, die eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr erfordert (Low- oder High-Flow Sauerstofftherapie oder eine andere nicht invasive Beatmung zu Therapiebeginn). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Warnhinweis: Enthält Hexakis- und Heptakis-O-(4-sulfobutyl)cyclomaltoheptaose-Natriumsalz (1:6,2-6,9). Nebenwirkungen: Sehr häufig (≥ 1/10): Erhöhte Transaminasen. Häufig (≥ 1/100 bis < 1/10): Kopfschmerzen, Übelkeit, Hautausschlag. Selten (≥ 1/10.000 bis < 1/1.000): Überempfindlichkeit, infusionsbedingte Reaktion. Darreichungsform und Packungsgrößen: 1 Durchstechflasche. Verschreibungspflichtig. Stand: Dezember 2020. Pharmazeutischer Unternehmer: Gilead Sciences Ireland UC, Carrigtohill, County Cork, T45 DP77, Irland. Repräsentant in Deutschland: GILEAD Sciences GmbH, D-82152 Martinsried b. München. ▼Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Jeder Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu Veklury® ist zu melden an die GILEAD Sciences GmbH, Abteilung Arzneimittelsicherheit, Fax-Nr.: 089/899890-96, E-Mail: drugsafetygermany@gilead.com, und/oder an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Abt. Pharmakovigilanz, Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, D-53175 Bonn, Webseite: www.bfarm.de. Impressum „Remdesivir – Quo vadis COVID-19?“, Webinar, 24. November 2020, Veranstalter: esanum GmbH, Berlin, unterstützt von Gilead Sciences GmbH Bericht: Monika Walter, München Artikel gedruckt in: Ärzte Zeitung Nr. 91, Mittwoch, 16. Dezember 2020, und Klinik Report Nr. 12, Mittwoch, 16. Dezember 2020 Mit freundlicher Unterstützung der Gilead Sciences GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Ulrike Maronde Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: State-of-the-Art-Studien sprechen für Remdesivir bei COVID-19

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten