COVID-19-Risiko bei Demenzkranken verdoppelt

COVID-19 wird bei Demenzkranken rund doppelt so oft diagnostiziert wie bei älteren pflegebedürftigen Menschen ohne Demenz. Patienten mit vaskulärer Demenz sind besonders häufig betroffen. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Demenzkranke sind besonderes COVID-19-gefährdet – das ist zunächst wenig überraschend, da sie häufig in Pflegeeinrichtungen leben, in denen es immer wieder zu gravierenden SARS-CoV-2-Ausbrüchen kommt. Dies sei aber nicht der einzige Grund, berichten Experten um Dr. Quan Qiu Wang von der Case Western Reserve University in Cleveland, USA: Die Gefahr, an COVID-19 zu erkranken, ist ihren Erkenntnissen zufolge bei Demenzkranken unabhängig vom Alter und der Betreuungssituation rund doppelt so hoch wie bei älteren Menschen ohne Demenz. Die Forscher um Wang haben für ihre Analyse im August 2020 elektronische Krankenakten von 62 Millionen erwachsenen US-Amerikanern nach COVID-19- und Demenzdiagnosen durchforstet. In über einer Million Akten war eine Demenzdiagnose vermerkt, knapp 16.000-mal eine COVID-19-Diagnose und 810-mal beides. Anfang August hatten sich in den USA offiziellen Angaben zufolge aber schon fünf Millionen Bürger mit SARS-CoV-2 infiziert, danach deckten die elektronischen Krankenakten zu diesem Zeitpunkt nur einen winzigen Bruchteil der tatsächlich Erkrankten ab. Berücksichtigten die Forscher nur demografische Faktoren, also Alter, Geschlecht und Ethnie, so kamen sie auf ein dreifach erhöhtes COVID-19-Risiko unter Demenzkranken. Adjustierten sie zusätzlich für Begleiterkrankungen und bekannte COVID-19-Risikofaktoren, darunter auch der Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung, so fanden sie immer noch ein verdoppeltes COVID-19-Risiko. Danach wäre das COVID-19-Risiko für Demenzkranke auch in Pflegeeinrichtungen weit höher als für Heimbewohner ohne Demenz. Dreifach erhöhtes Risiko bei vaskulärer Demenz Ein rund dreifach erhöhtes Erkrankungsrisiko berechneten die Experten um Wang für Patienten mit vaskulärer Demenz, für andere Demenzformen kamen sie auf eine Risikoerhöhung von 60–160%. Afroamerikaner mit Demenz erkranken den Resultaten zufolge rund dreifach häufiger an COVID-19 als weiße US-Bürger, ähnliche Unterschiede zwischen den Ethnien gibt es jedoch auch bei US-Bürgern ohne Demenz. Rund ein Viertel aller COVID-19-Patienten ohne Demenz musste zwischen Februar und August 2020 stationär aufgenommen werden, mit 60% war der Anteil bei den Demenzkranken deutlich höher; von den Demenzkranken ohne COVID-19 kamen lediglich 12% in eine Klinik. Von allen COVID-19-Patienten starben zwischen Februar und August 5,6%. Unter den betroffenen Demenzkranken erreichte die Mortalität 21,0%, zudem starben auch 7,6% der Demenzkranken ohne COVID-19. Löchrige Bluthirnschranke Für das erhöhte Erkrankungsrisiko führen die Forscher um Wang einige Erklärungen ins Feld: Demenzkranke brauchen meist mehr Pflege als andere ältere Menschen und kommen dadurch häufiger in engen Kontakt mit Pflegekräften, zudem ist es für sie schwerer, Masken zu tragen, sich die Hände zu waschen und zu desinfizieren oder anderen Menschen aus dem Weg zu gehen. Empfehlung der Redaktion Demenz – Themenseite Wie therapiert man Alzheimerpatienten leitliniengerecht? Warum sind "keiner" und "nein" bei Dementen tabu? Und was tut sich in der Alzheimertherapie-Forschung? Antworten gibt die Themenseite Demenz. Hier finden Sie Übersichten, News, kommentierte Studienreferate und Kasuistiken. Doch auch biologische Veränderungen könnten das Erkrankungsrisiko steigern: Eine gestörte Bluthirnschranke ermöglicht es SARS-CoV-2 vielleicht, leichter ins Gehirn zu gelangen und schwere Verläufe zu verursachen. Diese könnte vor allem auch Patienten mit vaskulärer Demenz betreffen, die den Resultaten zufolge ein besonders hohes COVID-19-Risiko haben. Bei ihnen kommt hinzu, dass viele Risikofaktoren für einen schweren Verlauf wie Diabetes, KHK, Hypertonie oder Atherosklerose vorliegen. Genau das dürfte jedoch die Interpretation der Resultate erschweren: Die insgesamt recht hohe Mortalität von über 5% bei allen Patienten mit COVID-19-Diagnosen deutet darauf hin, dass in den elektronischen Akten vor allem schwer symptomatische COVID-19 Patienten erfasst wurden. Möglicherweise ist also nicht das Erkrankungsrisiko per se bei einer Demenz erhöht, sondern die Gefahr für einen ernsten Verlauf. Da nur bei einem winzigen Bruchteil der COVID-19-Kranken ein entsprechender Vermerk in den Akten auftauchte, ist es auch fraglich, ob es sich hier um eine repräsentative Auswahl handelt oder andere Faktoren die Resultate verzerrt haben. Das Wichtigste in Kürze Frage: Erhöht eine Demenz das Risiko, an COVID-19 zu erkranken? Antwort: Eine Demenz geht US-Daten zufolge mit einem verdoppelten Erkrankungsrisiko einher, unabhängig von Faktoren wie dem Aufenthalt in einem Pflegeheim. Bedeutung: Demenzkranke benötigen besondere Schutzmaßnahmen. Einschränkung: Ausgewertete Daten möglicherweise nicht repräsentativ.

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