Rechtliche Zwickmühlen in der Kinderanästhesie – Zulassung kontra Off-Label-Use

In der täglichen Praxis werden bei Kleinkindern immer wieder Medikamente eingesetzt, für die es eigentlich keine Zulassung gibt. Der Off-Label-Use ist zur Routine geworden. Tipps für Kinderanästhesisten gab es auf dem DAC 2021. Propofol ist mittlerweile zwar auch für Kleinkinder ab einem Monat zugelassen. Aber das Mittel hat auch einen Haken: den heftigen Injektionsschmerz. Vielfach wird deshalb gerade bei Kindern Lidocain zur Propofollösung gemischt, berichtete PD Dr. Jost Kaufmann (Köln) auf dem Deutschen Anästhesiecongress. Klinisch gangbar, aber juristisch eine Falle. Durch die Mischung zweier Mittel entsteht formal ein neues Medikament, für das eigentlich eine Zulassung beantragt werden muss. In den Kliniken Köln geht man deshalb einen anderen Weg. Für den pädiatrischen Einsatz wird geringer konzentriertes Propofol (0,5 %) genutzt, das getrennt gelagert wird. Propofol und das "Allergiephantom" 2003 hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA für Propofol eine Allergiegefahr bei bestehender Erdnuss- und Soja-Allergie postuliert. Empirische Daten wurden damals nicht geliefert, so Kaufmann. Doch die liegen mittlerweile vor und belegen genau das Gegenteil: Eine Versuchsreihe mit 99 Patienten mit nachgewiesener Erdnuss bzw. Soja-Allergie (spezifische Immunglobuline) zeigte bei Propofolanästhesie keine Nebenwirkungen. Bei 304 Kindern, in der gleichen Konstellation, wurden im Aufwachraum klinische Zeichen einer Allergie geprüft (z.B. Hautrötung). Tatsächlich ließen sie sich bei 3 % der Allergie-Kinder nachweisen. Jedoch zeigten sich auch bei 14 % der Kinder ohne Allergiedisposition entsprechende Stigmata. Trotz dieser Evidenz steht die Kontraindikation “Allergie gegen Erdnüsse und Soja” aber immer noch in der Fachinformation und kann nicht einfach übergangen werden. Häufig fehlende Zulassungen Bei anderen pädiatrischen Medikamenten sieht es noch schlechter aus, berichtete der Kölner Kinderanästhesist. Nur für 26 % aller in der Pädiatrie bedeutsamen Medikamente liegt überhaupt eine entsprechende Zulassung vor. Für Kleinkinder sind sogar nur 20 % der tatsächlich eingesetzten Mittel zugelassen. Exemplarisch nennt Kaufmann hier Ibuprofen. Klinische Studien (Ductus Botalli) belegen seine Sicherheit, ohne einen Eindruck bei den Zulassungsbehörden zu hinterlassen. Zulassungseinschränkungen bestehen z.B. auch für Fentanyl (Säugling), Midazolam (nasal) und Ketamin (nasal). In Zukunft wird sich hier leider wenig ändern, so der Eindruck des Experten. Off-Label-Use? Dokumentieren! In der S2k-Leitlinie zur Medikamentensicherheit in der Kinderanästhesie [1] wird diese Situation kommentiert. Letztendlich seien nicht der Zulassungsstatus, sondern die Erfahrung und die klinische Evidenzlage entscheidend, so die Leitlinie. Ein Off-Label-Use sei zudem nichts Illegales, gab Kaufmann zu bedenken. Die Leitlinie befürwortet diesen sogar: "Ein grundsätzlicher Verzicht auf Off-Label-Use gefährdet Kinder und macht eine sachgemäße Behandlung unmöglich." Juristisch kommen Kinderanästhesisten hier allerdings in eine Zwickmühle. Der entkommt nur, wer bei der Aufklärung im Formular oder durch Stempelaufdruck den Off-Label-Use von Medikamenten erwähnt und die Zustimmung der Eltern dokumentiert, riet der Kölner Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Empfehlung der Redaktion 67. Deutscher Anästhesiecongress DAC 2021 – das Kongressdossier Meldungen vom Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DAC 2021) finden Sie hier gebündelt im Dossier. Eine Auswahl der Highlights aus dem umfassenden Programm. basierend auf: Vortrag von Jost Kaufmann: "Immer Propofol, oder?" (Seminar: Besonderheiten der Pharmakotherapie in der Kinderanästhesie), im Rahmen des 67. Deutschen Anästhesiecongresses (DAC) 2021, 06.-08.05.2021, online

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