Akuter Hüftschmerz ohne Trauma: Woran bei Senioren denken?

Hinter unklaren Schmerzen im Hüftbereich, bei denen ein Röntgenbild auf den ersten Blick keine eindeutige Ursache erkennen lässt, kann eine eingestauchte Schenkelhalsfraktur stecken. Wie man dieser bei Senioren nicht so seltenen Verletzung auf die Spur kommt, beschrieb Prof. Benedikt Friemert, Ulm, auf dem Deutschen Chirurgenkongress (DCK). Der betagte Patient klagte in der Notaufnahme einer orthopädischen Klinik über akut aufgetretene Schmerzen im Bereich der Hüfte. Im Röntgenbild war angeblich nichts zu sehen, daher schickte man den 75-Jährigen wieder nach Hause. Die Schmerzen hielten jedoch an, weshalb der Patient zwei Wochen später erneut den Arzt aufsuchte. Keine Beinlängendifferenz, kein Rotationsfehler Auf Nachfrage berichtete der Mann, lediglich „über den Teppich gestolpert“ zu sein. Der Druck aufs Hüftgelenk war schmerzhaft. Die fehlende Außenrotation und die nicht vorhandene Beinlängendifferenz schienen gegen eine Schenkelhalsfraktur zu sprechen. Dennoch könne es sich bei betagten Patienten um eine derartige Verletzung handeln, betonte Oberstarzt Prof. Benedikt Friemert, Leiter der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Der Experte empfahl, bei entsprechendem Verdacht auch bei fehlendem Trauma oder lediglich banalem Sturz in der Anamnese eine Röntgenaufnahme der Hüfte zu veranlassen, und zwar in Cross-table-Technik: Der Patient liegt dabei auf dem Rücken, der Strahlengang geht unter dem angewinkelt erhobenen nicht verletzten Bein hindurch, schräg über den Tisch. Um die Pauwels-I-Fraktur, also eine eingestauchte Fraktur des Schenkelhalses, zu entdecken, müsse man allerdings „genau hingucken“, so Friemert. Der Bruch sei typischerweise kaum oder gar nicht disloziert und im Grunde auch stabil. Der Patient könnte theoretisch also voll belasten. Konservativ bei Senioren keine Option Dennoch rät Friemert bei betagten Patienten klar von einer konservativen Versorgung ab, und zwar nicht nur wegen der Schmerzen. Bei der medialen eingestauchten Fraktur sei die Durchblutungssituation des Hüftkopfes „sehr kritisch“. Bei einem seitlichen Wegrutschen bestehe die Gefahr, dass die Arteria circumflexa femoris reißt und die Gefäßversorgung an dieser Stelle unterbrochen wird. Die Folge könne eine aseptische Hüftkopfnekrose sein, eine Komplikation, mit der laut Friemert im höheren Alter in bis zu 80% der Fälle zu rechnen ist. Der Unfallchirurg plädierte für eine zügige operative Versorgung innerhalb von 24 Stunden: „Insbesondere unsere hochbetagten Patienten wollen wir möglichst schnell wieder aus dem Bett bekommen, um Immobilisationsfolgen zu vermeiden.“ Generell seien proximale Femurfrakturen im Alter „in mindestens 98% aller Fälle eine Operationsindikation“. „Duokopf“ nur bei deutlich eingeschränkter Gehstrecke Eine hüftkopferhaltende Versorgung komme bei relativ hohem Aktivitätsniveau, „jungem“ biologischem Alter und guter Knochenqualität infrage. Durch den Eingriff müsse sichergestellt werden, dass es nicht zum seitlichen Abkippen kommt. Im vorliegenden Fall wurde dies mit einer Targon-FN-Platte erreicht. Entscheide man sich dagegen für die Hüftendoprothetik, in der Regel erst bei Pauwels-II- oder -III-Frakturen, seien anamnestische Faktoren entscheidend: Bei „fitteren“ Patienten, die z. B. noch selbst einkaufen gehen, könne nach Friemert auch im höheren Alter noch eine Totalendoprothese (TEP) eingesetzt werden. Bei Patienten, für die dieser Eingriff zu belastend wäre, sei die Duokopfprothese eine gute Alternative. Dieses Verfahren sei mit deutlich weniger Blutungen verbunden. Es setze jedoch voraus, dass der Patient nur noch eine eingeschränkte Gehstrecke bewältigen kann. Für mobilere Patienten sei es nicht geeignet, weil sich die Prothese „sehr schnell in den Beckenknochen eingräbt“, warnte der Experte. Basierend auf: 138. Deutscher Chirurgenkongress „DCK 2021 digital“, vom 12. bis 16. April 2021; Vortrag von Friemert, B. "Akuter Beinschmerz bei Schenkelhals- und pertrochanterer Fraktur"

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Akuter Hüftschmerz ohne Trauma: Woran bei Senioren denken?

Weiterführende Themen

Arthropedia

Neu im Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie

Stereotaktische Radiatio schlägt konventionelle Bestrahlung

Vorsicht mit hohen NSAR-Dosen bei ankylosierender Spondylitis!

Brustkrebs in der Vorgeschichte macht Gelenkersatz komplikationsträchtiger

Zwei neue Alternativen zu TNF-Inhibitoren bei axSpA

Update Orthopädie und Unfallchirurgie