Diabetestherapie heute: Viel mehr als glykämische Kontrolle

Die Kontrolle des HbA1c reicht nicht aus, um die Exzessmortalität von Patienten mit Diabetes mellitus zu senken. Das ist erst mit den neueren medikamentösen Therapieprinzipien möglich geworden, die auch kardio- und renoprotektive Effekte haben. Bis 2015 war das Therapiekonzept bei Typ-2-Diabetes komplett glukozentriert; erinnerte sich Prof. Dr. Nikolaus Marx, Direktor der kardiologischen Universitätsklinik in Aachen anlässlich des Diabeteskongresses 2019. Empfohlen wurde eine individualisierte Strategie zur Blutzuckersenkung mit individualisierten Therapiezielen bei der Hypoglykämien, Gewichtszunahme und nicht zugelassene Polypharmazie möglichst vermieden werden sollten [1]. Das hat sich mit den Ergebnissen der kardiovaskulären Endpunktstudien mit SGLT2-Inhibitoren (Hemmer des Natrium-Glukose-Transporters 2, Gliflozine) und Glucagon-like Peptid 1-Rezeptoragonisten (GLP1-Agonisten) geändert. Einige Studien – eigentlich als Nichtunterlegenheitsstudien geplant – zeigten so deutliche Vorteile hinsichtlich kardiovaskulärer oder renaler Endpunkte und teilweise sogar der Gesamtmortalität, dass sie das Therapiekonzept bei Diabetes komplett verändert haben. Jetzt bestimmt primär die Wahl der Diabetestherapie zusätzlich zu Lebensstil und Metformin, ob kardiale und renale Komorbiditäten bestehen [2]. Superhelden der Kardioprotektion Die SGLT2-Inhibitoren Empagliflozin, Dapagliflozin und Canagliflozin konnten neben einer schnellen und andauernden Blutzuckersenkung ohne intrinsische Hypoglykämiegefahr in den kardiovaskulären Endpunktstudien auch die Zeit bis zum Eintreten eines schweren kardiovaskulären Ereignisses (MACE, kombiniert aus kardiovaskulärer Tod, nicht-fataler Herzinfarkt oder nicht-fataler Schlaganfall) verlängern und die Wahrscheinlichkeit für eine Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz (HHF) und einer Verschlechterung der Nierenfunktion reduzieren. Empfehlung der Redaktion 11.06.2019 | DDG-Jahrestagung 2019 | Kongressbericht | Nachrichten Klasseneffekte der SGLT2-Hemmer bestätigt Die dritte der kardiovaskulären Endpunktstudien zu SGLT2-Inhibitoren bestätigt die günstigen kardiovaskulären Ergebnisse für diese Substanzklasse, wirft aber auch Fragen hinsichtlich der Unterschiede zwischen den einzelnen Substanzen auf. Der günstige Effekt auf HHF und renale Endpunkte ließ sich auch bei Patienten zeigen, die noch gar keine Herz- oder Niereninsuffizienz aufwiesen, betonte Prof. Dr. Stephan Jacob vom Kardio-Metabolischen Institut in Villingen-Schwenningen. Damit kommen sie auch für die Primärprävention infrage. Vermutet werden eine Reihe von pleiotropen Effekten der SGLT2-Inhibitoren wie Blutdrucksenkung, direkte Effekte auf die Nierenfunktion beispielsweise auf den Natriumhydrogenaustauscher, Reduktion des Körpergewichts und Folgeeffekte, Reduktion der kardialen Inflammation und Steigerung der Glukagonbildung. Studien untersuchen aktuell den Einsatz der SGLT2-Hemmer auch bei Herzinsuffizienz und zur Kardio- und Renoprotektion bei Nichtdiabetikern sowie zur Prävention des Diabetes mellitus. Der zentrale Wirkmechanismus der ebenfalls belegten kardiovaskulären Risikoreduktion durch die GLP1-Rezeptoragonisten Exenatid, Liraglutid, Semaglutid und Albiglutid ist vermutlich ein anderer, berichtete Prof. Dr. Thomas Forst von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Es überwiegt wahrscheinlich der antiatherogene Effekt, dazu kommen weitere Mechanismen wie Blutdrucksenkung, Veränderungen im postprandialen Lipidprofil, antiinflammatorische Effekte oder eine verbesserte endotheliale Funktion. LDL-Senkung nicht vergessen Die Lipidsenkung trägt ebenfalls wesentlich zur kardiovaskulären Risikoreduktion bei, erinnert Dr. Ulrike Schatz von der Universitätsklinik in Dresden. Diabetes-Patienten haben per se ein hohes kardiovaskuläres Risiko, der anzustrebende LDL-Wert liegt bei ≥100 mg/dl oder einer Halbierung bei Ausgangswerten von 100-200 mg/dl. Bei bestehenden Endorganschäden ist das kardiovaskuläre Risiko besonders hoch, der LDL-Zielwert liegt dann bei ≥70 mg/dl oder einer Halbierung bei Werten zwischen 70 und 135 mg/dl. Reicht die Standard-Statintherapie nicht zur Zielerreichung aus und bringt auch die Dosiserhöhung keine ausreichende Senkung, sollte eine Therapieintensivierung mit Ezetemib erfolgen. Reicht das ebenfalls nicht aus können zusätzlich PCSK9-Antikörper eingesetzt werden, betonte Schatz. Alirocumab und Evolocumab senkten in Studien bei Patienten mit und ohne Diabetes vergleichbar effektiv das LDL und das non-HDL, interferierten nicht mit der glykämischen Kontrolle und reduzierten bei Patienten mit Diabetes besonders deutlich den MACE in kardiovaskulären Sicherheitsstudien. Empfehlung der Redaktion DGIM 2019 Dossier mit Berichten von der DDG-Jahrestagung 2019 Berichte von der Jahrestagung 2019 der Deutschen Diabetes Gesellschaft finden Sie in diesem Dossier. Darunter: Warum auch Kardiologen an Diabetes-Medikamenten interessiert sind und wer von metabolischer Chirurgie am besten profitiert. . Quelle: Symposium „Neue Superheldinnen und Superhelden in der kardiovaskulären Prävention?“, 31.05.2019, Diabeteskongress 2019 der DDG vom 29.05.-01.06.2019 in Berlin.

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