Ein charakteristisches Merkmal vieler neurodegenerative Erkrankungen ist die Akkumulation von sogenannten Proteinaggregaten, die schließlich zur Zerstörung der Nervenzelle führen. Der Autophagie-vermittelte Abbau von Proteinaggregaten ist daher ein vielversprechender Ansatz bei der Demenzprävention.
Demenz: Prävention hat große Bedeutung
Fast jeder Zweite in Deutschland fürchtet sich davor, einmal an Demenz zu erkranken. In einer Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit von 2019 äußerten 49 Prozent der Befragten diese Sorge – die mit dem Alter noch zunimmt. So gaben von den 30- bis 44-Jährigen 46 Prozent an, Angst vor Demenz zu haben. Bei den Personen über 60 Jahren betrug der Wert 56 Prozent [1]. Diese Sorge ist nicht ganz unbegründet, denn mit zunehmendem Alter steigt auch das Demenzrisiko [2]. Entfallen noch weniger als zwei Prozent der Demenzerkrankungen auf Menschen unter 65 Jahren, ist bei den über 65-Jährigen schon jeder Zehnte betroffen. In der Altersgruppe der 85- bis 89-Jährigen steigt der Anteil an Demenzerkrankungen auf über 25 Prozent an. Frauen stellen mit zwei Dritteln den Großteil aller Demenzkranken dar. Aktuell leiden hierzulande 1,7 Millionen Menschen an einer Demenz und jährlich treten rund 300.000 Neuerkrankungen auf. Bei der gegenwärtigen demografischen Entwicklung und einem ausbleibenden Erfolg im Bereich der Demenzprävention beziehungsweise -therapie geht die Deutsche Alzheimer Gesellschaft von drei Millionen Demenzkranken im Jahr 2050 aus [3].
Progressiver Verlauf
Demenz ist ein Überbegriff für neurologische Krankheitsbilder, bei denen es aufgrund von neurodegenerativen Prozessen zum Abbau kognitiver Funktionen sowie zum Verlust von Alltagskompetenzen kommt [2-4]. Der meist progressive Verlauf der Erkrankung führt zu Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung, der zeitlich-örtlichen Orientierung, des Sprachvermögens, der autobiografischen Identität sowie von Persönlichkeitsmerkmalen. In fortgeschrittenen Stadien der Demenz ist eine selbstständige Lebensführung nicht mehr möglich. Die vollständige Hilflosigkeit und Abhängigkeit von der Umwelt geht mit einer hohen Pflegebedürftigkeit der Betroffenen einher [3, 4]. Zudem weisen Menschen mit Demenz ein erhöhtes Morbiditätsrisiko für andere Erkrankungen [3] sowie eine verkürzte Lebenserwartung auf [3, 4]. Aufgrund dessen gelten Demenzen als schwere Erkrankungen, die in hohem Maße mit Ängsten bei Betroffenen und Angehörigen assoziiert sind [3].
Neurodegenerative und vaskuläre Erkrankungen als Ursache
Rund 80 Prozent aller Demenzen gehen auf zerebrale neurodegenerative Erkrankungen zurück [2]. Während Demenz allgemein ein Muster von Symptomen beschreibt, das verschiedene Ursachen haben kann, meint Alzheimer die spezifische Erkrankungsform Morbus Alzheimer. Sie stellt in westlichen Ländern die häufigste Ursache für eine Demenz dar und ist für rund zwei Drittel der Erkrankungen verantwortlich [2, 3].
Die Alzheimer-Krankheit beginnt meist schleichend und ist durch einen langsamen aber stetigen Verlust von Nervenzellen gekennzeichnet [2, 4]. An der Krankheitsentstehung sind vermutlich vor allem zwei Proteine beteiligt, die Tau-Proteine und die Beta-Amyloide, die sich in Form von zellschädigenden Neurofibrillenbündeln beziehungsweise Proteinplaques in den Gehirnzellen ansammeln können. Zu den weiteren Formen einer Demenz zählen die Lewy-Körperchen-Krankheit und die Frontotemporale Degeneration, auch Morbus Pick genannt. Auch bei diesen neurodegenerativen Erkrankungen sind Ablagerungen spezifischer Proteine charakteristisch. Zusätzlich können auch vaskuläre Erkrankungen eine Ursache für Demenzen sein. [2] Dabei kommt es zerebral aufgrund verengter Blutgefäße zu kleinen Infarkten, Durchblutungsstörungen und Bluthochdruck sowie zur Schädigung bis hin zur Zerstörung von Nervenzellen [2, 4]. Zu den Risikofaktoren für vaskuläre Erkrankungen – und damit für Demenz – gehören zum Beispiel Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Dyslipidämien und Rauchen. [2] Auch die Einlagerung von Beta-Amyloid in die Gefäßwand kann zu kognitiven Störungen und zur Demenz führen, da die Gefäßwand dadurch brüchig wird und kleine Einblutungen die Nervenzelle schädigen [2]. Besonders im höheren Alter kommt es zu Kombinationen aus verschiedenartigen neurodegenerativen und vaskulären Erkrankungen, die gemeinsam eine Demenz hervorrufen [3, 4] – typischerweise von Morbus Alzheimer und vaskulärer Pathologie [4]. Darüber hinaus können in sehr seltenen Fällen andere neurologische Erkrankungen, Stoffwechselkrankheiten, Infektionen oder auch Hormon- und Vitaminmängel als Ursache vorliegen [2]. Da gerade einmal zwei Prozent der Demenzursachen als reversibel gelten [2], ist die Prävention von besonderer Bedeutung.
Möglichkeiten der Demenzprävention
Bei der Entstehung von neurodegenerativen und vaskulären Erkrankungen spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Das Alter steht hierbei an erster Stelle, bedeutsam sind aber auch der allgemeine Gesundheitszustand, Lebensgewohnheiten, Umwelteinflüsse sowie genetische Faktoren. Allerdings stellen genetische Faktoren nur äußerst selten die alleinige Erkrankungsursache dar. So entfallen beispielsweise bei Morbus Alzheimer lediglich ein Prozent und bei der Frontotemporalen Degeneration zehn Prozent der Fälle auf eine rein genetisch bedingte Erkrankung [2]. Deshalb können präventive Maßnahmen eine große Rolle spielen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Leitlinie zur Reduktion des Risikos für kognitiven Abbau und Demenz (Risk reduction of cognitive decline and dementia) herausgegeben. In dieser Leitlinie empfiehlt die WHO zur Demenzprävention ausreichend Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, ein gesundes Körpergewicht sowie einen nur moderaten Alkoholkonsum und den Verzicht auf Tabakwaren. Ebenso wichtig sind regelmäßige geistige Betätigungen und soziale Kontakte, um das Demenzrisiko zu senken [5].
Autophagie – ein neuer präventiver und therapeutischer Ansatz
Proteinablagerungen gehören zu den charakteristischen Merkmalen von Erkrankungen des zentralen Nervensystems, so auch bei demenzassoziierten Krankheiten. Die molekularen Ursachen für diese sogenannten Proteinopathien werden derzeit intensiv erforscht, wobei vermutlich der gestörte Abbau von Proteinen bei der Krankheitsentstehung eine wichtige Rolle spielt. Zur Prävention rückt daher die Autophagie mehr und mehr in den Fokus der Forschung, da sie unter anderem große Proteinaggregate und Organellen abbauen kann. Dieser intrazelluläre Recyclingprozess ist gerade für das Nervensystem von essenzieller Bedeutung: Da sich Nervenzellen nicht mehr wie andere Zelltypen teilen können, akkumulieren Proteine schneller und beeinträchtigen so die Funktion der Zellen. So wurden beispielsweise in Tiermodellstudien bei Mäusen mit abgeschalteter Autophagie vermehrt neurodegenerative Prozesse und zytoplasmatische Proteinaggregate nachgewiesen. Auch konnten Proteinablagerungen im Gehirn von Patienten mit Morbus Alzheimer (oder Multipler Systemischer Atrophie) beobachtet werden. Eine funktionierende Autophagie sorgt für den Abbau potenziell schädlicher Zellbestandteile, ermöglicht die Regeneration der Nervenzellen und schützt somit vor neurodegenerativen Erkrankungen. Wissenschaftler konnten in Zellkulturmodellen zeigen, dass durch zellulären Stress induzierte Proteinablagerungen mittels Aktivierung der Autophagie wieder entfernt werden können. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Verständnis hinsichtlich der pathologischen Mechanismen bei neurodegenerativen Erkrankungen deutlich verbessert [6]. Nichtsdestotrotz gibt es bisher keine wirksame Therapie. Zuletzt ruhten die Hoffnungen der Forscher vor allem auf Anti-Amyloid-Wirkstoffen. Doch fortgeschrittene Phase-II- und -III-Studien konnten bisher nicht die erwünschten Wirksamkeitsnachweise erbringen. Deshalb setzen Forscher nun verstärkt auf neue Ansätze in der Prävention. Besonders vielversprechend zur Vorbeugung neurodegenerativer und weiterer altersbedingter Erkrankungen sind Autophagie-Enhancer wie die Substanz Spermidin [6, 7].
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