Ausblick auf neue Wirkmechanismen beim Multiplen Myelom

Mit dem frühen Einsatz von Drei- und Vierfachtherapien können Patienten mit multiplem Myelom schon ab dem zweiten Rezidiv gegen eine oder mehrere Wirkstoffklassen refraktär sein. Bei tripelrefraktärer Erkrankung sind inzwischen Selinexor-Dexamethason (Sd), Belantamab Mafodotin, Melflufen-Dexamethason und Idecabtagen Vicleucel zugelassen. Mehr Optionen sind in Sicht. In der BOSTON-Studie war das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) von stark vorbehandelten und auch tripel-refraktäre Patienten bei Einsatz der Dreifachtherapie Selinexor, Bortezomib, Dexamethason (SVd) signifikant länger als mit Vd (Bortezomib, Dexamethason) alleine (13,93 vs. 9,46 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,70; 95 % Konfidenzintervall [95%-KI] 0,53–0,93; p=0,0075) [1]. Wichtig sei eine gute Supportivtherapie bei einer solchen Behandlung, betonte Prof. Dr. Monika Engelhardt vom Universitätsklinikum Freiburg. Entsprechende Hinweise seien beispielsweise im ChemoCompile®, einem Programm zur Planung und Durchführung von Chemotherapien, enthalten [2]. Effektivere Immunmodulation mit CELMoD Cereblon-modulierende Substanzen (Abk. CELMoD für engl. Cereblon E3 ligase modulator) sind Nachfolger der IMIDe, einer Klasse von immunmodulierenden Substanzen, zu denen Lenalidomid und Pomalidomid zählen. Sie binden um ein vielfaches stärker an Cereblon und induzieren wesentlich effektiver den Abbau der Zinkfinger-Transkriptionsfaktoren Ikarus und Aiolos, die an der Hemmung von körpereigenen Antitumor-Prozessen beteiligt sind. Die ersten CELMoD-Vertreter Iberdomid und CC-92480 sind auch noch wirksam in Lenalidomid- und Pomalidomid-resistenten Zelllinien, erklärte Engelhardt. In einer Phase-I/II-Studie sprachen 31% der stark vorbehandelten Patienten auf Iberdomid an und die Substanz wird derzeit in allen möglichen Kombinationen weiterentwickelt [3]. Kombinierte Immuntherapien Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) binden an die Zielzelle über das Antigen, werden internalisiert und induzieren intrazellulär über den Wirkstoff ihre Zytotoxizität. Nach Zulassung des ersten Vertreters Belantamab Mafodotin (BelaM) sind eine ganze Reihe weiterer Konstrukte dieser Art in Entwicklung, die entweder ebenfalls gegen das Myelom-Antigen BCMA („B-cell maturation antigen“) oder gegen andere Antigene wie CD 46, CD 48, CD56 oder CD 74 gerichtet sind. BelaM wird in Studien mit verschiedenen Wirkstoffen kombiniert. In Deutschland läuft derzeit die Phase-III-Studie DREAMM-7 mit BelaM-Vd versus Daratumumab-Vd. Engelhardt verwies auch bei BelaM auf die Notwendigkeit eines guten Therapiemanagements wegen der häufigen kornealen Nebenwirkungen. Zahlreiche Kombinationsstudien laufen in der rezidivierten/refraktären Situation auch mit neuen bispezifischen Antikörpern, die über BCMA oder CD38 an Myelomzellen andocken. Geprüft wird beispielsweise Teclistamab oder Talquetamab in Kombination mit Daratumumab (± Pomalidomid). Auch weitere CAR(chimäre Antigenrezeptor)-T-Zelltherapien sind zu erwarten und bispezifische Antikörper rücken in frühe Therapielinien vor. Bei Patienten mit Translokation t(11;14) wird zudem der Einsatz von Venetoclax überprüft. Myelom-Tumorboard gewinnt an Bedeutung Die zahlreichen Optionen und Studien resultieren in Freiburg in einer wachsenden Zahl von Patienten, die im Myelom-Tumorboard vorgestellt werden. Das sei auch bei Patienten mit Myelom wichtig, um im Einzelfall die bestmögliche Therapie zu finden, betonte Engelhardt. Sie regte an, in Studien noch mehr biologische Alters- und Fitness-Assessments mit zu berücksichtigen. Empfehlung der Redaktion DGHO 2021 – das Kongressdossier Auf der Jahrestagung der deutschsprachigen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie 2021 ging es einerseits um die großen Fragen der Onkologie. Andererseits auch um spezifische Fragestellungen. Neben der Debatte über angemessene Molekulardiagnostik wurde auch über ärztlich assistierten Suizid gesprochen. Im Dossier finden Sie unsere gesammelten Highlights vom Kongress. basierend auf: Symposium: „Neue Therapiekonzepte beim Multiplen Myelom – Management und Platzierung im klinischen Alltag, DGHO-Jahrestagung 2021, 1.-4.10.2021

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