Wenn die Serologie in die Irre führt

Unkritisch veranlasste Borrelien-Serologien führen Patienten oft zum Rheumatologen. Der muss ihnen dann die „Borreliose“ wieder ausreden. Dabei gibt es klare Indikationen, wann welche Tests sinnvoll sind. Unter Biologikatherapie gibt es übrigens atypische Verläufe. Gelenkschmerzen, der Patient war im Wald und kann sich an einen Zeckenbiss erinnern – schnell ist Blut abgenommen, und man hat es schwarz auf weiß: Borrelien-Antikörper positiv. Doch dieser Test hätte nicht gemacht werden sollen: „Arthralgien reichen nicht“, betonte Prof. Andreas Krause vom Immanuel Krankenhaus in Berlin auf dem Rheumatologiekongress. „Wenn die Klinik nicht stimmt, dann ist auch der beste diagnostische Test [...] unsicher.“ „Nicht jede positive Serologie beweist eine Lyme-Borreliose“, so der Rheumatologe. Die Seroprävalenz in Deutschland sei hoch und steige mit dem Alter: Von Männern über 70 Jahren hätten mehr als 20% Antikörper. „Das bedeutet auch, dass eine positive [...] Serologie im Kindes- und Jugendalter [...] eine ganz andere diagnostische Wertigkeit hat als ein positiver IgG-Test bei einem 70jährigen Patienten mit einer aktivierten Gonarthrose.“ Lyme-Arthritis? – IgM irrelevant! Die Lyme-Arthritis manifestiert sich typischerweise an großen Gelenken der unteren Extremität. Bei einem geschwollenen Knie nach länger zurückliegendem Zeckenbiss macht ein Antikörpertest also Sinn. IgM interessiere dabei nicht, „einzig und allein die IgG-Serologie.“ Denn es ist eine Spätmanifestation, Monate nach der Infektion. Um die Diagnose zu untermauern, sollten Erreger mittels PCR in Gelenkpunktat oder Synoviabiopsie nachgewiesen werden. Andere Tests seien unsinnig, etwa der Lymphozytentransformationstest, der nicht zwischen durchgemachter und bestehender Infektion unterscheiden könne. „Ein solcher Test fehlt uns noch“, so Krause. Ohne typische Klinik sollte kein Test veranlasst werden, „weil wir dann Gefahr laufen, eine Menge unspezifischer Symptome und sogenannte Serumnarben zu entdecken“, warnte er. Biologikatherapie: Disseminiertes Erythema migrans ohne Antikörper Unter Biologikatherapie kann eine Borreliose atypisch verlaufen. Krause berichtete von einem Patienten mit Rheumatoider Arthritis, der unter Therapie mit Rituximab (RTX) multiple Erythemata migrantia (EM) entwickelte, aber keine Antikörper hatte. Die Diagnose wurde histologisch gestellt. Erst spät zeigte er eine verzögerte und sehr schwache Immunantwort. Das passt zu den Ergebnissen zweier Studien mit jeweils über 4000 Patienten mit EM, von denen einige auch Biologika erhielten [1,2]. Bei Patienten unter RTX bzw. TNF-Inhibitoren (TNFi) fanden sich im Vergleich zu Kontrollen häufiger disseminierte EM und seltener eine positive Serologie. Auch sprachen Patienten unter TNFi häufiger nicht auf die initiale Antibiotikatherapie an: „Wir müssen aufpassen: Patienten unter Biologikatherapie [...] brauchen ev. einen 2. Antibiotika-Behandlungszyklus, um auszuheilen.“ Erfreulicherweise ging es den Patienten nach 1 Jahr genauso gut wie denen ohne immunmodulierende Therapie. Überhaupt sprach Krause von einer „exzellenten“ Prognose einer adäquat behandelten Borreliose, auch in späten Stadien. Entgegen einigen Befürchtungen komme es nur „sehr, sehr selten“ zu persistierenden Beschwerden im Sinne eines „Post-Treatment Lyme-Syndroms“. DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE: Frage: Wann ist eine Borrelien-Serologie sinnvoll? Antwort: Nur bei typischer Klinik, etwa bei Arthritiden großer Gelenke der Beine. Ausschließliche Arthralgien sind kein Anlass, zu testen. Bedeutung: Unkritisch veranlasste Tests stiften nur Verwirrung, denn Infektion heißt nicht Erkrankung und ergibt auch keine Behandlungsindikation. Einschränkung: Unter Biologikatherapie können Antikörper fehlen, und Symptome ungewöhnlich sein, etwa mit multiplen Erythemata migrantia. LITERATUR [1] Maraspin V et al.: Erythema migrans: Course and Outcome in Patients Treated With Rituximab. Open Forum Infectious Diseases 2019;6(7):ofz292 [2] Maraspin V et al.: Early Lyme Borreliosis in Patients Treated with Tumour Necrosis Factor-Alfa Inhibitors. Journal of Clinical Medicine 2019;8(11):1857 Alle Beiträge vom Rheumatologiekongress finden Sie im Kongressdossier 2020. basierend auf: Krause A: Lyme-Borreliose – Fallstricke in Diagnostik und Therapie. Session „Infekt-assoziierte Arthritis“. Deutscher Rheumatologie-Kongress 2020 – virtuell. München, 09.-12.09.2020.

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Wenn die Serologie in die Irre führt

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Neu im Fachgebiet Innere Medizin

Parodontalbehandlung verbessert Prognose bei Katheterablation

Prostatakarzinom: EU initiiert neues Screeningkonzept

Blasenkarzinom – Biomarker statt Zytologie?

Antihypertensiva schützen auch alte Menschen noch vor Demenz

Update Innere Medizin