Hygieneaufklärung ohne Panikmache

Bei immer weiter zunehmenden multiresistenten Erregern (MRE) kann nur ein neben dem Gesundheitssystem alle Bereiche des Lebens umfassendes Management (Hygiene, Therapie) das weitere Vordringen dieser großen Gefahr verringern. Speläologen haben in den letzten Jahren in Höhlen über mehrere Millionen Jahre von menschlichen Kontakten isoliert lebende Bakterien mit Resistenzen gegenüber nahezu allen klinisch eingesetzten Antibiotika gefunden, wie Paenibacillus sp. LC231. Das bedeutet, Resistenzgene als Ausdruck des harten Konkurrenzkampfs von Bakterien untereinander gibt es schon sehr lange. MRSA auf dem Rückzug In der Urologie ist die Rate der Infektionen mit Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA) – wohl auch durch geeignete Hygienemaßnahmen – auf dem Rückzug, während multiresistente gramnegative Bakterien immer mehr zunehmen. Man unterscheidet dabei zwischen Gramnegativen, die gegen drei beziehungsweise vier Antibiotikagruppen resistent sind (3-MRGN, 4-MRGN). Dabei handelt es sich um Resistenzen gegenüber Acylureidopenicillinen, Cephalosporinen (3./4. Generation), Fluorchinolonen und Carbapenemen. Aber auch zunehmende Resistenzen bei Durchfallerregern (VRE, Vancomycin-resistente Enterokokken), Gonokokken und Mykobakterien sind zu beobachten. Gefährlich werden diese Multiresistenzen im Umfeld von Gesundheitsmaßnahmen, die einer antibiotischen Therapie bedürfen. Multiresistente Erreger (MRE) sind dabei in der Regel nicht virulenter als ihre „normalen“ Artgenossen. Aber die ja oft vor dem Vorliegen des mikrobiologischen Resistenzmusters erforderlich werdende kalkulierte antibiotische Behandlung läuft bei Multiresistenzen häufiger ins Leere und kann so vermehrt zu Therapieversagen führen. Um diese Gefahren zu verringern, muss der Einsatz von Antibiotika so weit wie möglich eingeschränkt werden. Die Dosierungen des Antibiotikums sollten für ein rasches Abtöten der Bakterien ausreichend hoch gewählt werden. Die Behandlung sollte nur so lange wie erforderlich eingesetzt werden. Leitliniengerechte Antibiose Antibiotika helfen nur bei nachgewiesenen bakteriellen Infektionen. Eine asymptomatische Bakteriurie sollte nur vor invasiven urologischen Eingriffen saniert werden. Eine antibiotische Prophylaxe sollte nur kurz und leitliniengerecht erfolgen. Bei MRE muss zwischen einer behandlungswürdigen Infektion und einer Kontamination unterschieden werden, die möglicherweise Maßnahmen wie eine Isolation bei Nachweis von 4-MRGN erforderlich macht. Der massive Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierzucht, unter anderem auch bei Zuchtlachsen, ist zwar in den letzten Jahren insgesamt rückläufig, bei allerdings nahezu konstantem Verbrauch von etwa 15 Tonnen Reserveantibiotika pro Jahr (2015: Cephalosporine der 3. und 4. Generation 3,6 Tonnen, Fluorchinolone 10,6 Tonnen). Durch die Abwässer gelangen Resistenzgene in den Boden und können sich weiter verbreiten. Mit MRE kontaminiertes Fleisch kann bei unsachgemäßem Umgang zur Besiedelung des Menschen führen. Auch Abwässer aus der Pharmaindustrie oder von Müllhalden führen zur massiven Zunahme von Resistenzgenen im Boden und können sich von dort aus weiter verbreiten. Nicht nur im Gesundheitswesen, sondern in der gesamten Bevölkerung muss durch eine Hygieneaufklärung ohne Panikmache auf die Gefahren von MRE und gezielte vorbeugende Maßnahmen hingewiesen werden. Fazit Im Gesundheitswesen, aber auch in der industriellen Tiermast, muss der Gebrauch von Antibiotika auf das absolut Nötigste reduziert werden. Durch geeignete Abwasseraufbereitung muss das Entweichen von MRE und Antibiotika aus Einrichtungen des Gesundheitswesens einschließlich der Pharmaindustrie sowie der industriellen Tiermast weltweit verhindert werden. Die Hygieneschulung nicht nur im Gesundheitswesen, sondern der gesamten Bevölkerung ist massiv zu intensivieren. Nur so kann ein Eindämmen von MRE gelingen. aus: Kongresszeitung zum 70. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), 26.–29.9.2018, Dresden Empfehlung der Redaktion Kongressdossier DGU-Kongress 2018 Ist die Prostataarterienembolisation nur ein Hype? Wie können wir die Gefahr multiresistenter Erreger eindämmen? Welchen Einfluss haben Medikamente auf den PSA-Wert? Diese und weitere spannenden Fragen wurden auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie diskutiert. Mehr dazu finden Sie in unserem Kongressdossier.

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