Steintherapie im Wandel der Zeit

Die Inzidenz der „Volkskrankheit Urolithiasis“ hat ein Plateau erreicht, aber die Behandlungszahlen schnellen in die Höhe. Insbesondere endourologische Verfahren sind weiter auf dem Vormarsch. Die Urolithiasis ist eine klassische Zivilisationskrankheit und zeigt weltweit mit zunehmendem gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Fortschritt eine zunehmende Prävalenz. In den westlichen Ländern hingegen hat sich in den letzten Jahren ein Plateau mit stabilen Inzidenzzahlen eingependelt. Trotz der weiten Verbreitung dieses Krankheitsbildes – hierzulande macht durchschnittlich jeder Zehnte im Laufe seines Lebens zumindest eine Steinepisode durch – und dem hohen Leidensdruck der Betroffenen sowie hohen Kosten, die aus Behandlung und Krankheitsausfällen für die Gesellschaft resultieren, wird die Urolithiasis als Forschungsgebiet nach wie vor etwas stiefkindlich behandelt. Es gibt zahlreiche Fortschritte in der Behandlung, aber nur wenig neue Erkenntnisse zur Pathogenese und somit zu einer besseren Prävention. Insbesondere die Evidenz für Ratschläge zur Ernährung ist stark eingeschränkt und die Daten in der Literatur oft widersprüchlich. Umso bedeutender ist es, Daten aus der Versorgungsforschung zu sammeln, die die aktuelle klinische Behandlungsrealität widerspiegeln. Hieraus lassen sich wichtige Rückschlüsse ziehen und Entwicklungen in der Verwendung bestimmter Behandlungstechniken ablesen, um auch in Zukunft eine gute Behandlungsqualität zu gewährleisten. In Deutschland ist die DRG-Statistik des Statistischen Bundesamtes eine exzellente Quelle, um diese Fragen zu beantworten. Datensätze analysiert Um aktuelle Entwicklungen in der Inzidenz und Behandlung der Urolithiasis in Deutschland zu untersuchen, extrahierten wir die Datensätze aller stationären Fälle zwischen 2005 und 2016 für die ICD-10-Codes für Urolithiasis (N20.0, N20.1, N20.2, N20.9 und N23). Die zugehörigen Prozeduren, die mit dem OPS-Code verschlüsselt werden, wurden ebenfalls analysiert. Es zeigte sich in diesem Zeitraum eine recht konstante Zahl stationärer Behandlungsfälle pro Jahr von etwa 120 000. Die durchschnittliche Verweildauer sank für N20.0 (Nierenstein) von 4,0 in 2005 auf 3,1 Tage in 2016 sowie für N20.1 (Ureterstein) von 3,7 auf 2,5 Tage. Hier ergibt sich jedoch nach unten eine natürliche Grenze, die im Wesentlichen durch die untere Grenzverweildauer des DRG Abrechnungssystems vorgegeben wird, sodass diese Zahlen in den letzten drei Jahren stagnierten. Interessanterweise zeigt sich aber trotz stabiler Inzidenz eine deutlich zunehmende Zahl von Interventionen. Die Anzahl OPS-codierter Prozeduren für Uretersteine stieg zwischen 2005 und 2016 von 118 906 p.a. auf 194 486 p.a.; noch drastischer ist der Zuwachs bei Nierensteinen: Die Zahlen pro Jahr wurden im selben Zeitraum mehr als verdoppelt, von 68 666 auf 154 023. Steinpatienten werden also immer seltener konservativ behandelt, sondern häufiger einer aktiven Therapie zugeführt. Dies gilt insbesondere für Nierensteine, die zumeist asymptomatisch sind. Wachstum bei URS Betrachtet man die einzelnen Verfahren, die in der Steintherapie zum Einsatz kommen, im Detail, besteht ein fortgesetzter Trend zugunsten endourologischer Techniken. Die ESWL rückt ausgerechnet in ihrer Heimat – im Gegensatz zu anderen Ländern – immer weiter in den Hintergrund. Wurden in 2005 noch 30 883 Patienten behandelt (kumulierte Zahlen für Nieren- und Uretersteine), waren es in 2016 nur 11 714. Währenddessen ist im Bereich der URS, insbesondere der flexiblen URS, ein nahezu exponentielles Wachstum zu verzeichnen. Für Harnleitersteine stiegen die jährlichen Fälle von 19 818 auf 28 573, für Nierensteine von lediglich 2645 auf 18 416 – ein Zuwachs auf das Siebenfache binnen elf Jahren. Die Fallzahlen für die PCNL verdoppelten sich von 3711 auf 6798. Für die auxiliären Maßnahmen wie Harnleiterschienen zeigten sich relativ konstante Zahlen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Behandlungsspektrum in den kommenden Jahren weiterentwickelt. Viele Patienten müssen bereits längere Wartezeiten vor OPs in Kauf nehmen und die Ressourcen im Gesundheitswesen sind begrenzt. Gesamtgesellschaftlich wären also Verbesserungen der Metaphylaxe wünschenswert, um die hohen Rezidivquoten zu senken. Die dazu erforderlichen Veränderungen der Lebensgewohnheiten (Trinkverhalten, Bewegung und Gewichtsabnahme sowie fraglich auch Änderung der Ernährung) erfordern jedoch eine hohe Compliance. Die allseits starke Einbindung ins Arbeitsleben und weitere Faktoren lassen viele Patienten nach einer schnellen Lösung mit möglichst hoher Steinfreiheitsrate suchen. Daher ist bis auf Weiteres mit hohen Behandlungszahlen für die Endourologie zu rechnen, was die Bedeutung dieses Teilbereichs unseres Fachs in Ausbildung und Breitenverfügbarkeit nochmals verdeutlicht. aus: Kongresszeitung zum 71. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), 18.–21.9.2019, Hamburg Empfehlung der Redaktion Der DGU-Kongress 2019 – alle Highlights Als Kongressmotto der 71. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie standen die vier Worte „Mensch, Maschine, Medizin“ und „Wirtschaft“. Alle Highlights zum Kongress finden Sie hier im Dossier.

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