Blutdruckmessung bei akuter Aortendissektion besser invasiv?

Bei Patientinnen und Patienten mit akuter Aortenerkrankung sollten Notfallteams häufiger eine invasive arterielle Blutdruckmessung erwägen. In einer US-Studie führte diese in jedem dritten Fall zu einer Umstellung der Hochdrucktherapie. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Bei Patientinnen und Patienten, die mit einer akuten Aortenerkrankung wie Aneurysma, Dissektion oder intramuralem Hämatom in die Notaufnahme kommen, ist es unter anderem wichtig, den systolischen Blutdruck im empfohlenen Bereich (laut American Heart Association zwischen 100 und 120 mmHg) zu halten. Die Frage ist, in welcher Form der Blutdruck gemessen werden sollte. Dass die konventionelle Methode mittels Armmanschette in dieser Situation unzureichend sein könnte, legt eine prospektiv durchgeführte Pilotstudie aus dem University of Maryland Medical Center in Baltimore nahe. In die Critical Care Resuscitation Unit (CCRU) der Klinik gelangen Fälle mit akuter Aortenerkrankung, die besondere Expertise erfordern. Dabei gehört es zum Standard, bei kritischen Patienten, die ein hämodynamisches Monitoring oder wiederholte Blutgasanalysen benötigen, den Blutdruck invasiv per ABPM (arterial blood pressure monitoring) zu messen. Während die Patienten auf den arteriellen Zugang warten, wird der Blutdruck alle drei Minuten per Armmanschette (cuff blood pressure monitoring, CBPM) erhoben. Letztlich erhielt man so für alle Patientinnen und Patienten sowohl nicht invasiv als auch invasiv gemessene Werte. Damit war man in der Lage zu schauen, inwieweit die Messmethode die Therapieentscheidung beeinflusste, das heißt, wie häufig die invasive Messung eine Veränderung der antihypertensiven Medikation nach sich zog. Therapieumstellung in jedem dritten Fall Laut Jamie Palmer und ihrem Team war das bei jedem dritten Hochdruckpatienten mit akuter Aortendissektion bzw. Aortenaneurysma der Fall. An der Studie hatten insgesamt 117 Patientinnen und Patienten teilgenommen. Diejenigen mit Therapieumstellung hatten einen Blutdruck von median 139 mmHg in der arteriellen Messung (im Vergleich zu 130 mmHg bei Teilnehmenden ohne Therapieumstellung). In 70% der umgestellten Fälle hatten sich ABPM und CBPM um mehr als 20 mmHg unterschieden. „Das bedeutet, dass Patienten mit einer Differenz von mehr als 20 mmHg eine mehr als zehnmal so hohe Wahrscheinlichkeit für eine notwendige Änderung im Blutdruckmanagement haben“, so Palmer und Kollegen. Unterschieden sich die Messwerte dagegen um weniger als 10 mmHg, lag die Umstellungsrate nur bei 8%. Der Strategiewechsel hatte in den meisten Fällen (68%) in einer Erhöhung der Infusionsrate für die intravenös verabreichten Antihypertensiva bestanden. In 28% hatte man eine weitere antihypertensive Substanz hinzugegeben. Nur in 8% war die Infusionsrate gesenkt worden. Als Einflussfaktor machten die Forschenden unter anderem eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) aus. Bei deren Vorliegen erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit einer Therapieumstellung um den Faktor 13. Auch erhöhtes Serumlaktat war mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für einen Regimewechsel assoziiert. Blutdruck um rund 10 mmHg unterschätzt In der Studie hatte fast die Hälfte der Teilnehmenden in der arteriellen Messung deutlich höhere Werte als bei der CBPM. Die nichtinvasive Messung habe den Blutdruck um annähernd 10 mmHg im Vergleich zur arteriellen Messung unterschätzt, so Palmer und ihr Team. Der Unterschied sei vor allem dann klinisch relevant, wenn die Werte aus der nichtinvasiven Messung relativ nah am 120-mmHg-Ziel liegen. „Die alleinige Manschettenmessung verhindert möglicherweise, dass eine Hypertonie erkannt und behandelt wird“, warnen die Forschenden. Daher sollte bei Patienten mit akuter Aortendissektion öfter an die Möglichkeit einer invasiven Blutdruckmessung gedacht werden. Es seien jedoch weitere Studien erforderlich, um die vorliegenden Befunde zu bestätigen. Zumindest am CCRU ging die ABPM nicht mit wesentlichen Nachteilen einher. Für den Zugang wurden in der Regel weniger als zehn Minuten benötigt, Komplikationen gab es nur in einem Fall: Der Betroffene hatte an der entsprechenden Stelle ein Hämatom entwickelt. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wird bei der Blutdruckmessung mittels Armmanschette (CBPM) bei Patienten mit akuter Aortendissektion oder Aneurysma die Gefahr einer Blutdruckentgleisung unterschätzt? Antwort: In einer prospektiven US-Studie lieferte die CBPM in der Hälfte der Fälle deutlich niedrigere Werte als eine anschließende invasive arterielle Messung (ABPM). Letztere führte in jedem dritten Fall zu einer Umstellung der antihypertensiven Medikation. Bedeutung: Im Fall einer akuten Aortenerkrankung sollten Klinikärztinnen und -ärzte öfter eine ABPM in Erwägung ziehen. Einschränkung: Daten aus einer Spezialklinik; begrenzte Teilnehmerzahl; Komplikationen möglicherweise unterschätzt.

Springer Medizin

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