Junge Frau mit Muskelschmerz: Das Labor führte in die Irre

Eine 30-jährige stark adipöse Afroamerikanerin wird über Monate wegen diffuser muskuloskeletaler Schmerzen und erhöhter Entzündungswerte mit Prednison und Methotrexat behandelt. Erst in einer rheumatologischen Klinik stellt sich heraus, dass die Verdachtsdiagnose Polymyalgia rheumatica nicht stimmt. Die Verdachtsdiagnose, unter der man eine junge, stark übergewichtige Patientin monatelang behandelt hatte, war reichlich gewagt: Erstmals vorgestellt hatte sich die 30-jährige dunkelhäutige Frau zur Abklärung einer diffusen Myalgie; sie war mit einem BMI von 41 stark adipös, litt an Migräne, Asthma und Reflux sowie einer obstruktiven Schlafapnoe. Die ausgeprägte generalisierte Berührungsempfindlichkeit der Muskulatur sowie das Labor mit „erhöhten Entzündungsmarkern“ (BSG 100 mm/h; CRP 35 mg/l) hatten einen niedergelassenen Rheumatologen veranlasst, eine Polymyalgia rheumatica (PMR) zu vermuten. Der erstbehandelnde Hausarzt hatte bereits Prednison verschrieben, welches „etwas zu helfen“ schien und von der Patientin intermittierend über drei Monate in einer Dosierung von bis zu 35 mg täglich eingenommen wurde. Dieses wurde nun ausgeschlichen und durch Methotrexat ergänzt. Unter der Prednisontherapie hatte die Patientin schwere Begleiterkrankungen entwickelt: Bluthochdruck, Diabetes sowie periphere Ödeme. Außerdem hatte sie noch 15 Kilo zugenommen. Schmerzen und "extreme" Müdigkeit Bei ihrer Vorstellung in einer rheumatologischen Fachklinik berichtet sie, dass ihr „alles weh tut“, außerdem fühle sie sich „extrem müde“. Auf Nachfrage werden Fieber, Ausschlag, gastrointestinale Symptome sowie Symptome einer Riesenzellarteriitis verneint. Die Gelenke der Patientin sind nicht schmerzhaft und frei beweglich. In der Neurologie kann eine zugrunde liegende Muskelerkrankung ausgeschlossen werden, und auch ein PET/CT-Scan ist unauffällig. Nachdem nun also nichts auf eine internistische, orthopädische oder neurologische Erkrankung hindeutet, wird die Ausschlussdiagnose Fibromyalgie gestellt. In der Klinik rät man der Patientin, Methotrexat abzusetzen und auf Prednison komplett zu verzichten. Empfohlen werden ihr dagegen Muskelrelaxanzien, eine Therapie gegen die Schlafapnoe sowie eine Ernährungsumstellung und körperliche Aktivität. Adipositas als Ursache für CRP-Anstieg Laut Dr. Rabia Cheema, Internistin aus Waterbury, Connecticut, und ihrem Team hatte man sich ursprünglich zu sehr auf die Laborwerte, insbesondere die für eine Fibromyalgie eigentlich untypische Erhöhung von BSG und CRP, fixiert. Die Ursache hierfür sehen Cheema et al. jedoch eher in der extremen Adipositas der Patientin. Fettgewebe sei bekanntermaßen eine Quelle von Zytokinen wie TNF-alpha und Interleukin-6, welche ihrerseits die Produktion von CRP in der Leber ansteigen lassen. Für eine PMR hatte abgesehen davon wenig gesprochen: nicht das Alter (die Patientin lag mit ihren 30 Jahren deutlich unter der für die PMR typischen Altersgrenze von 50), nicht die Hautfarbe (die PMR ist bei Afroamerikanern extrem selten) und auch nicht die diffusen Muskelschmerzen (PMR-Patienten berichten typischerweise über Steifheit und Schmerzen im Bereich von Schulter- und Beckengürtel). Zudem hatte die Frau nur relativ schwach auf die Therapie mit Prednison reagiert. Auf der anderen Seite hatte es einige Punkte gegeben, die die Ärzte auf die FM-Diagnose hätten bringen können: vor allem der Erkrankungsbeginn in jungem Alter, die diffusen Schmerzen und die Fatigue. Fibromyalgie als Ausschlussdiagnose Wie Cheema und ihr Team betonen, ist die FM „eine Ausschlussdiagnose, die einer sorgfältigen klinischen Evaluation der zugrundeliegenden Konditionen bedarf“. Wichtig sei das Vorhandensein einer muskulären Überempfindlichkeit bei gleichzeitigem Ausschluss einer Synovitis. Labordiagnostisch auszuschließen seien insbesondere eine Spondyloarthritis, systemische Autoimmunerkrankungen, eine PMR, eine entzündliche Myopathie sowie eine Hypothyreose. Auch wenn die klassische Lehrmeinung besage, dass eine Fibromyalgie nicht mit Veränderungen in den üblichen Laborparametern einhergeht, gebe es Ausnahmen, betonen Cheema und Kollegen, z. B. den Fall, dass ein FM-Patient gleichzeitig adipös ist. Bei der beschriebenen Patientin besserten sich die Symptome unter der FM-Therapie, nachdem sie das Steroid weggelassen hatte. Allgemeine Behandlungsgrundsätze für FM-Patienten finden sich in der S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom der Deutschen Schmerzgesellschaft (AWMF-Register-Nr. 145/004).

Springer Medizin

Junge Frau mit Muskelschmerz: Das Labor führte in die Irre

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Neu im Fachgebiet Innere Medizin

Niedriger diastolischer Blutdruck erhöht Risiko für schwere kardiovaskuläre Komplikationen

Therapiestart mit Blutdrucksenkern erhöht Frakturrisiko

Adjuvante Immuntherapie verlängert Leben bei RCC

Alectinib verbessert krankheitsfreies Überleben bei ALK-positivem NSCLC

Update Innere Medizin