CUP: Prüfstein für die Präzisionsonkologie

Ausgerechnet beim CUP-Syndrom sind personalisierte Therapieansätze kaum erfolgreicher als eine unspezifische Chemotherapie. Das könnte sich ändern, wenn eher molekulare als gewebliche Targets in den Blick genommen werden. Liegen Metastasen vor, ohne, dass sich ein Primärtumor finden lässt, spricht man von CUP („cancer of unknown primary“). Abgesehen von prognostisch günstigen CUP-Typen, für die Therapieregime etabliert werden konnten, stellt sich bei den ungünstigen CUP-Befunden stets die Frage: Wie behandeln? Hier gibt es unterschiedliche Strategien: Eine Möglichkeit ist die sogenannte empirische Chemotherapie (CTX). Empirisch heißt in diesem Zusammenhang, dass CUP-Patienten mit einer CTX behandelt werden, die sich nach bestmöglicher Datenlage in CUP-Kollektiven als wirksam erwiesen hat (zum Beispiel die Kombination Platin/Taxan). Die empirische CTX ist insofern unspezifisch, als sie nicht davon gelenkt wird, ob bzw. welche Hinweise auf den Ursprung des Primarius vorliegen. Ein anderer Weg besteht darin, die Therapie an Hinweisen auszurichten, die auf den Gewebeursprung des Primärtumors deuten. Beispiel: Legt eine Immunhistochemische oder genomische Untersuchung nahe, dass der nicht (mehr) auffindbare Primärtumor zum Beispiel ein Kolonkarzinom (CRC) ist, würde mit einem CRC-spezifischen Regime behandelt werden. Eine dritte und noch recht junge Option ist der Versuch, ein molekulares Target zu identifizieren, und eine entsprechende zielgerichtete Behandlung zu initiieren. Ist etwa eine BRAF-Mutation identifiziert oder findet sich beispielsweise eine hohe Mutationslast (TMB, „tumor mutational burden“), würde im ersten Fall ein BRAF-Inhibitor, im zweiten Fall eine Checkpointblockade zur Anwendung kommen. Auch hier spielt das Ursprungsgewebe dann keine Rolle. Ist die empirische CTX obsolet? Welche Strategie ist denn aber nun die beste? Auf dem Deutschen Krebskongress 2020 wurde darüber im Rahmen einer Oxford-Debatte diskutiert und primär die empirische CTX auf den Prüfstand gestellt. Dabei vertrat Dr. Gerdt Hübner, Erstautor der aktuellen Onkopedia-Leitlinie zum CUP, die Position, dass eine empirische CTX derzeit nicht entbehrlich ist. Hübner verwies unter anderem darauf, dass verschiedene Versuche, die Therapie am geweblichen Ursprung des Primarius auszurichten, in den bisherigen Studien nicht zu einem besseren oder sogar zu einem schlechteren Überleben der Betroffenen geführt hätten. „CUP ist biologisch anders als der ‚gleiche‘ Tumor mit bekanntem Primarius“, fasste Hübner die aktuelle Erkenntnislage zusammen. Dieser Einschätzung konnte sich auch Kontrahent Prof. Dr. Alwin Krämer vom Universitätsklinikum Heidelberg anschließen. Allerdings zog Krämer aus den aktuellen Daten auch den Schluß: „Die klassische CTX ist nicht – oder zumindest nicht mehr lange – „state of the art“. Gewebe-agnostisch behandeln Krämer begründete seine Position so: Der Effekt der empirischen CTX sei nur in kleinen, nicht randomisierten Studien nachgewiesen. Auch sei die CTX niemals gegen Best Supportive Care getestet worden, was es noch schwerer mache, abzuschätzen, wie groß das Ausmaß überhaupt ist, mit dem Patienten von einer CTX profitieren. Seine Schlussfolgerung: „Die unspezifische CTX mag zwar einen marginalen Einfluss haben, zu einer signifikanten Verbesserung des Überlebens der Patienten trägt sie nicht bei“. Krämer sieht die Zukunft der CUP-Therapie eher in der dritten Therapieoption, also in der Aufdeckung und Adressierung von gewebeunabhängigen molekularen Alterationen. Bei etwa einem Drittel der CUP-Patienten lasse sich ein Target identifizieren, für das eine zielgerichtete Therapie verfügbar ist [1]. Bei 14% läge eine hohe TMB vor, was potenziell für eine Immuntherapie sprechen könnte. Ob sich diese Strategien in einen im Vergleich zur CTX größeren Therapieerfolg übersetzen, sei fraglich, warnte dagegen Hübner. Die bisher publizierten Daten seien mit Blick auf klinische Ergebnisse enttäuschend gewesen [2]. Krämer gab zu bedenken, dass die verfügbaren Daten von massiv vorbehandelten Patienten stammten. Das volle Potenzial zielgerichteter bzw. immuntherapeutischer Ansätze könnte dadurch also unterschätzt werden. Um eine belastbarere Datenbasis zu schaffen, habe man in der CUP-Fachgruppe der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) daher zwei große Studienvorhaben aufgelegt, erklärte Krämer: In der randomisierten Phase-II-Studie CUPISCO [NCT03498521] werden Patienten mit neu diagnostiziertem CUP entweder mit einer empirischen CTX oder Target-abhängigen, verschiedenen zielgerichteten Therapien behandelt. Die Studie wird in 188 Zentren in 34 Ländern durchgeführt, 233 von 790 Patienten seien bereits rekrutiert. In der offenen, nicht randomisierten Phase-II-Studie CheCUP (n = 194) [NCT04131621] soll eine doppelte Checkpointblockade – stratifiziert nach hoher und niedriger TMB – bei CUP-Patienten geprüft werden, bei denen die Erkrankung unter einer platinbasierten CTX fortgeschritten ist. An der Studie sind zehn deutsche Zentren beteiligt, die ersten Patienten wurden Ende 2019 aufgenommen. Fazit In der Fläche sei die empirische CTX nach wie vor der Standard, erklärte Hübner. Dem pflichtete auch Debattenleiter Prof. Dr. med. Christoph Röcken, Universitätsklinikum Kiel, bei: Solange es keine besseren Daten gäbe, würde auch er dem getretenen Pfad der empirischen Therapieerfahrung folgen. Allerdings hätten beide Redner gezeigt, dass die Datenlage insgesamt so dünn sei, dass es dringend guter Studien bedürfe. Und das werde nun mit den AIO-Studien umgesetzt. Empfehlung der Redaktion Deutscher Krebskongress 2020 Videointerviews und Berichte vom DKK Wir waren für Sie vor Ort und haben Experten zu aktuellen Themen befragt. Darunter: Wie gut ist die onkologische Versorgungssituation auf dem Land und in Schwerpunktpraxen, wie können Arzneimittelwechselwirkungen von modernen Onkologika im Blick behalten werden und eignet sich das Mikrobiom zur Darmkrebsvorsorge? basierend auf: 34. Deutscher Krebskongress vom 19.–22. Februar 2020 in Berlin; Session: Debatte: Ist empirische Chemotherapie bei CUP angesichts neuer Einsichten in die Tumorbiologie noch sinnvoll?

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