Bei einem Patienten mit diffusen Angiokeratomen im Bereich des unteren Abdomens und Genitalbereichs konnte mithilfe einer genetischen Untersuchung die Diagnose eines Morbus Fabry gestellt werden. Der Morbus Fabry ist eine X‑chromosomal vererbte Speicherkrankheit mit teilweise schwerwiegenden Multiorganbeteiligungen, unter anderem des Herzens und der Niere. Pathogenetisch liegt ein Mangel des lysosomalen Enzyms α‑Galaktosidase A (α-GAL A) vor. Unbehandelt ist die Lebenserwartung der Patienten besonders durch kardiale Komplikationen verkürzt. Aktuell zugelassene Therapieoptionen sind eine lebenslange Enzymersatztherapie und eine Chaperontherapie.
Hinweise
Redaktion
H. Haller, Hannover (Schriftleitung)
B. Salzberger, Regensburg
C.C. Sieber, Nürnberg
Alle Autoren hatten vollen Zugang zu den publizierten Daten und tragen die Verantwortung für deren Richtigkeit. Alle Autoren haben bei der Erstellung des Manuskripts mitgewirkt.
Anamnese
Ein 38-jähriger Patient stellte sich mit seit der Jugend bestehenden hyperkeratotischen Papeln im Bereich des unteren Abdomens, der lateralen Hüften, des Genitals und des proximalen Oberschenkels sowie vereinzelt an den lateralen Seiten der Oberarme vor. Des Weiteren berichtete der Patient über eine progrediente belastungsabhängige Dyspnoe, einen rezidivierenden Tinnitus sowie intermittierende Diarrhöen. Vorerkrankungen und die Einnahme von Medikamenten wurden verneint. Nebenbefundlich bestand eine Phimose bei genitalem Lichen sclerosus.
Befunde
Klinischer Befund
Bei Aufnahme präsentierten sich diffus angeordnete, symmetrische, livid-erythematöse bis bläulich-schwärzliche, teilweise hyperkeratotische Papeln im Bereich der lateralen Hüften bis zu den proximalen Oberschenkeln reichend (Abb. 1). Ähnliche Läsionen zeigten sich auch genital, vornehmlich skrotal (Abb. 2), periumbilikal und an den lateralen Oberarmen.
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Histopathologischer Befund
Im Bereich der rechten Hüfte (Abb. 1) erfolgten zwei 4mm-Stanzbiopsien repräsentativer Hautläsionen. In der Hämatoxylin-Eosin-Routinefärbung zeigte sich ein zentrales hyperämisches, weitgestelltes Gefäß in der papillären Dermis. In der darüberliegenden Epidermis stellte sich zudem eine deutliche Atrophie neben einer Orthohyperkeratose dar (Abb. 3).
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Weitere Diagnostik
Bei Aufnahme fand sich in der Labordiagnostik eine Mikroalbuminurie (Albumin/Kreatinin-Quotient von 46,5 mg/g) bei normwertiger glomerulärer Filtrationsrate (Kreatininwert, glomeruläre Filtrationsrate nach Formel). Nach kardiologischer Vorstellung zeigten sich in der Echokardiographie eine leichte linksventrikuläre Hypertrophie (Septumdicke 12 mm) und im Elektrokardiogramm T‑Negativierungen in Ableitung II, III und aVF mit verzögerter R‑Progression, ohne dass eine arterielle Hypertonie vorlag. Die Lungenfunktionstestung ergab Hinweise auf eine obstruktive Einschränkung mit einem Verhältnis von forcierter Einsekundenkapazität zu inspiratorischer Vitalkapazität (FEV1/IVC) von 53 %.
Die weitere apparative Diagnostik mit Abdomensonographie, Ösophagogastroduodenoskopie und Koloskopie war unauffällig. Bei charakteristischen Hautveränderungen sowie pathologischen Befunden in der kardiologischen, nephrologischen und pneumologischen Untersuchung führten wir weiterführende laborchemische und genetische Untersuchungen durch. Die Enzymaktivität der α‑Galaktosidase A (α-GAL A) lag unterhalb der Nachweisgrenze von 2,8 µmol/l pro h. Globotriaosylsphingosin (lyso-Gb3) zeigte sich mit 80,8 ng/ml deutlich oberhalb der Norm. In der genetischen Untersuchung konnte eine Mutation im α-GAL-A-Gen (Exon 2, c.334C > T p.[Arg112Cys]) auf dem langen Arm des X‑Chromosoms (Xq22.1) nachgewiesen werden.
Diagnose
Morbus Fabry
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Therapie und Verlauf
Der Patient wurde an ein spezialisiertes Fabry-Zentrum mit interdisziplinärer Betreuung überwiesen. Hier wurde eine lebenslange gewichtsadaptierte Enzymersatztherapie mit Agalsidase alfa 0,2 mg/kgKG i.v. alle 2 Wochen initiiert. Zusätzlich wurden mit dem Patienten jährliche Kontrollen zum Therapiemonitoring, zur Verlaufsbeurteilung und zum Ausschluss weiterer Organbeteiligungen vereinbart.
Diskussion
Der Morbus Fabry – von den Dermatologen William Anderson und Johannes Fabry 1898 erstmals beschrieben als Angiokeratoma corporis diffusum – ist eine X‑chromosomale lysosomale Speicherkrankheit [2]. Ursächlich ist ein Gendefekt auf dem X‑Chromosom (Region Xq22.1), der zu einem Mangel des lysosomalen Enzyms α‑GAL A führt. Aktuell sind über 900 verschiedene Mutationen für Morbus Fabry in der Human Gene Mutation Database gelistet [4].
Der Morbus Fabry gilt als eine seltene Erkrankung mit einer Prävalenz von ungefähr 1:50.000. Neuere Studien geben allerdings Hinweise auf ein deutlich häufigeres Auftreten von Mutationen im α‑GAL-A-Gen (GLA), wobei auch häufig Genvarianten mit unklarer klinischer Signifikanz sowie vermeintliche Polymorphismen beschrieben werden. So konnte in einem Neugeborenenscreening in Italien eine Inzidenz von 1:3100 ermittelt werden [5].
Die Häufigkeit des Mutationsnachweises in Kohortenstudien ist bei Frauen höher, Männer hingegen sind als hemizygote Träger des Gendefekts schwerwiegender betroffen [1]. Die phänotypische Variabilität ist bei Frauen größer als bei Männern und richtet sich unter anderem nach der Restaktivität der α‑GAL A. Das klassische klinische Bild tritt unter einer Enzymdefizienz der α‑GAL A auf (<1 %). Zu beachten ist jedoch, dass auch weibliche heterozygote Träger Symptome entwickeln können [4].
Klinisches Bild
Der Morbus Fabry bleibt meist bis ins Jugend- oder Erwachsenenalter unerkannt. Obwohl Angiokeratome als häufigstes dermatologisches Symptom (Männer: 90 %, Frauen: 75 %) bereits im Kindesalter auftreten können, werden diese aufgrund ihrer Symptomlosigkeit wie im vorliegenden Fall meist nicht abgeklärt [3]. Die Angiokeratome treten diffus auf, vornehmlich im „Badehosenbereich“ mit Beteiligung des unteren Abdomens, der periumbilikalen und genitalen Region sowie der proximalen Oberschenkel. Zu den weiteren dermatologischen Manifestationen zählt eine orale Beteiligung mit Xerostomie, Angiokeratomen und Teleangiektasien der Lippen und der Mundschleimhaut. Das Auftreten eines Raynaud-Syndroms, eine Hypohidrose oder Anhidrose sowie seltener Lymphödeme und Hypotrichose, vor allem im Bereich der unteren Extremitäten, wurden ebenfalls beschrieben [2]. Typische Gesichtsmerkmale spielen im Gegensatz zu anderen genetischen Erkrankungen eine untergeordnete Rolle, umfassen jedoch unter anderem eine periorbitale Fülle, prominente Ohrläppchen oder volle Lippen [2].
Wird ein Patient aufgrund dieser blickdiagnostischen Merkmale identifiziert und ein Morbus Fabry bestätigt, sollte er ausführlich auf weitere Organmanifestationen untersucht werden. Bei der Multisystemerkrankung Morbus Fabry ist potenziell jedes Organsystem betroffen, ein Überblick über häufige Organbeteiligungen bietet Abb. 4. Zu den häufigsten systemischen Manifestationen gehören [4]
neurologische Symptome wie
Akroparästhesien und
Brennschmerzen (Small-fiber-Neuropathie);
eine zerebrale Vaskulopathie (transitorische ischämische Attacke/Apoplex);
eine progrediente Niereninsuffizienz;
kardiale Manifestationen wie eine hypertrophe Kardiomyopathie (Arrhythmien/Klappenvitien) sowie
eine Augenbeteiligung (Cornea verticillata).
Unbehandelt führen die teilweise schwerwiegenden Systembeteiligungen besonders bei den Patienten mit klassischen Mutationen zu einer deutlich reduzierten Lebenserwartung; bei Männern beträgt sie im Median 57 Jahre, bei Frauen 72 Jahre [6].
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Pathogenese und Diagnostik
Pathogenetisch führt eine verminderte oder fehlende α‑GAL A als lysosomales Enzym zu einem verminderten Abbau von Glykosphingolipiden, die unter anderem am Aufbau von Zellmembranen beteiligt sind. Das primäre Substrat der α‑GAL A ist Globotriaosylceramid (Gb3). Der genaue Mechanismus für den zellulären Defekt ist noch ungeklärt, umfasst jedoch eine Akkumulation von Gb3 in den Lysosomen, vor allem in Endothelzellen, die mit einer Beeinträchtigung der Funktionen von Membranproteinen und Kanälen einhergeht [4]. Zusätzlich scheinen eine Störung der Autophagie, mitochondriale Dysfunktionen, oxidativer Stress und eine Hochregulation proinflammatorischer Zytokine von pathogenetischer Bedeutung zu sein [4]. Zur Diagnosesicherung sollte eine genetische Untersuchung mit entsprechendem Mutationsnachweis erfolgen, des Weiteren sollten eine serologische Bestimmung der α‑GAL-A-Enzymaktivität und auch eine quantitative Bestimmung von lyso-Gb3 als Biomarker durchgeführt werden [4].
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Therapie und Ausblick
Für die Therapie sowie deren Monitoring stehen in Deutschland Fabry-Zentren zur Verfügung, diese werden komplettiert durch spezialisierte Selbsthilfegruppen (weitergehende Informationen siehe https://www.fabry-selbsthilfegruppe.de).
Therapeutisch stehen momentan zwei Verfahren zur Auswahl. Eine Möglichkeit ist die Enzymersatztherapie mit einem der beiden aktuell zugelassenen Präparate Agalsidase alfa und Agalsidase beta. Hierbei erhalten die Patienten lebenslang gewichtsadaptiert α‑GAL A intravenös in 2‑wöchentlichem Abstand. Die zweite Möglichkeit ist die orale Chaperontherapie mit Migalastat, die aber nur für bestimmte ansprechende Mutationen zugelassen ist [4].
Nach Diagnose eines Morbus Fabry sollten die Organmanifestationen abgeklärt werden
Neue Enzymersatztherapien sowie eine Substratreduktionstherapie werden in klinischen Studien angewendet. Weitere vielversprechende Therapiemöglichkeiten wie eine Gentherapie sind momentan Gegenstand der Forschung [4].
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Fazit für die Praxis
Der Morbus Fabry ist eine X‑chromosomale lysosomale Speicherkrankheit, die meist bis ins Jugend- oder Erwachsenenalter unerkannt bleibt.
Bei Vorliegen diffuser Angiokeratome als dermatologisches Kardinalsymptom sollte ein Morbus Fabry ausgeschlossen werden.
Der Morbus Fabry bedarf bei teilweise schwerwiegenden Systembeteiligungen einer umfassenden klinischen Abklärung.
Die Behandlung des Morbus Fabry besteht in einer lebenslangen Enzymersatztherapie oder Chaperontherapie.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
T. Kuntz, G. Mitrakos, B. Koushk-Jalali, F. Oellig, L. Eismann, C. Tigges und A. Kreuter geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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