Tipps für die Abrechnung: Verluste durch das GKV-Spargesetz abmildern

Manchmal bietet der EBM Chancen, die sich nicht sofort erschließen, die aber legal nutzbar sind. Mit dem EBM-Hack wollen wir Ihnen helfen, die Grenzen der Abrechnung auszuloten. Heute: So nutzen Sie offene Sprechstunde und die Vermittlung von Patienten optimal. Die Herausforderung: Durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz entgehen Haus- und Fachärzten durch die Streichung der sogenannten Neupatientenregelung rund 415 Millionen Euro pro Jahr. Das hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) ausgerechnet. Die Neupatientenregelung bringt Praxen bei Behandlung von neuen Patientinnen oder Patienten oder solchen, die seit mindestens zwei Jahren nicht mehr in der Praxis gewesen sind, noch bis Jahresende die extrabudgetäre Vergütung aller erbrachten Leistungen der Fachgruppe. Sie ist tendenziell für Fachärzte relevanter als für Hausärzte, weil viele Hausärzte kaum noch budgetiert sind und weil Fachärzte einen höheren Prozentsatz an Neupatienten behandeln. Empfehlung der Redaktion „ÄrzteTag“-Podcast Wie können Ärzte Effekte des GKV-Spargesetzes abfedern? Streichung der Neupatientenregelung, Änderungen zur offenen Sprechstunde – das GKV-Spargesetz trifft auch Ärzte. Praxisberater und Arzt Dr. Georg Lübben erläutert im "ÄrzteTag"-Podcast auf ÄrzteZeitung.de, wie Praxen jetzt noch gegensteuern können. Der Hintergrund: Die Neupatientenregelung war über das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) 2019 eingeführt worden. Das Gesetz sieht auch Zuschläge auf Grund- und Versichertenpauschalen bei einer schnellen Terminvermittlung durch Termin-Servicestellen, für hausarzt-vermittelte Facharzttermine sowie für Patienten, die in der offenen Sprechstunde behandelt werden, vor. Grundversorgende Fachärzte sollen fünf offene Sprechstunden pro Woche anbieten. Praxen müssen diese ihrer KV melden. Hausarztpraxen erhalten bisher für die Hausarztvermittlungsfälle (GOP 03008) 10,48 Euro. Außer bei den Neupatienten, die von der KV automatisch erkannt und entsprechend budgetfrei gestellt werden, sind die anderen sogenannten TSVG-Fälle bislang vergleichsweise selten genutzt worden. Fälle aus offenen Sprechstunden dürfen bis zu 17,5 Prozent der Gesamtfallzahl einer Fachgruppe ausmachen, Zahlen aus Baden-Württemberg beispielsweise zeigen, dass dies nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft wird: Dort nutzen nicht einmal 50 Prozent der Fachärzte die offene Sprechstunde überhaupt, insgesamt werden lediglich gut 2,5 Prozent der Fälle als aus offener Sprechstunde stammend gekennzeichnet. Wenn aber im kommenden Jahr der Zuwachs der Fallzahl aus der offenen Sprechstunde einer Fachgruppe drei Prozentpunkte übersteigt, werden diese Fälle dann überwiegend aus dem budgetierten Bereich der Vergütung bezahlt. Die Neuerung: Mit den letzten Änderungsanträgen zum GKV-FinStG, also Lauterbachs Spargesetz sind nun die Anreize für Hausarztvermittlungsfälle und TSS-Vermittlungsfälle verstärkt worden. Hausärzte sollen zukünftig laut Gesetz mindestens 15 Euro für die Vermittlung nach GOP 03008 bekommen. Über die genaue Höhe muss noch der Bewertungsausschuss entscheiden. Die Zuschläge zu den Grundpauschalen für Fachärzte steigen auf bis zu 200 Prozent, je nachdem, wie schnell ein Termin vergeben wird. 200 Prozent Plus gibt es bei Terminvergabe innerhalb von 24 Stunden („am Folgetag“), 100 Prozent innerhalb von 4 Tagen und noch 80 Prozent Zuschlag auf die Grundpauschale innerhalb von 14 Tagen. Das Zi hat ausgerechnet, dass nach den aktuellen Fallzahlen für diese Vermittlungsfälle für Haus- und Fachärzte ein Plus von rund elf Millionen Euro entstehen würde – also nur sehr wenig im Vergleich zu den 415 Millionen Euro, die verloren gehen. Der EBM-Hack: Sowohl Haus- als auch Fachärztinnen und -ärzte haben die Möglichkeit, die Verluste zumindest teilweise auszugleichen. Nur für Fachärzte gibt es noch in diesem Quartal die Chance, durch eine konsequente Abrechnung der offenen Sprechstunde deren Spielräume möglichst voll auszunutzen. Dabei lässt die gesetzliche Regelung viel Spielraum, der in den vergangenen zwei Jahren kaum genutzt wurde. „Die offene Sprechstunde muss zwar angemeldet werden“, erläutert Arzt und Praxisberater Dr. Georg Lübben von der AAC Praxisberatung. „Aber wie das geschieht, ist den Praxen weitgehend überlassen.“ Es könnten beispielsweise jede Stunde zehn Minuten als offene Sprechstunde gemeldet werden. Die Folge: Fast jeder Patient und jede Patientin, die ohne Termin direkt behandelt werden, können zumindest in diesen Stunden als Patienten der offenen Sprechstunde gekennzeichnet werden. „Einfach per Mausklick über die Sprechstundenart“, erläutert Lübben. Und: „Wer im laufenden Quartal noch die 17,5 Prozent voll ausschöpft und wenn das viele Fachärztinnen und Fachärzte tun“, dann bekommen sie einen höheren Anteil der offenen Sprechstunde im vierten Quartal 2023 voll vergütet. Der Effekt der extrabudgetär bezahlten Fälle aus der offenen Sprechstunde bleibt also erhalten. Fachärzte, die sich außerdem Slots für Hausarztvermittlungsfälle und TSS- Vermittlungsfälle bei Bedarf freihalten, können auch in diesem Bereich zulegen und zumindest einen Teil der Verluste wegen der gestrichenen Neupatientenregelung ausgleichen. Für Hausärztinnen und Hausärzte wiederum kann es sich lohnen, mehr Energie in die Vermittlung von chronisch oder akut kranken Patienten auf die fachärztliche Ebene zu stecken. Bisher wird die GOP 03008 nach Angaben des Zi jährlich nur 500.000mal abgerechnet, das wären lediglich knapp zehn Fälle pro Arzt und Jahr. Wer mit den Fachärztinnen und Fachärzten aus der Umgebung die Abläufe der Vermittlung und die für eine Vermittlung gedachten Fälle abspricht, der kann so einen Beitrag zur politischen Verkürzung der Wartezeiten leisten – und gleichzeitig sein Honorar erhöhen. Die Abläufe lassen sich beispielsweise durch ein elektronisches Verfahren straffen, etwa durch bestimmte Slots im Terminkalender oder über eine schnelle und unkomplizierte Kommunikation zwischen den Medizinischen Fachangestellten in den Praxen per sicheren Messenger-Dienst. Ebenso erwähnenswert ist die Initiative der KV Hessen wo über eine Plattform Fachärzte Hausärzten unbürokratisch und kurzfristig freie Termine für dringende Fälle anbieten. Das könnte sich lohnen: 100 Hausarztvermittlungsfälle könnten ab 2023 1500 Euro bringen, vielleicht auch noch mehr, je nach Beschluss des Bewertungsausschusses. Das ist jedenfalls mehr als bisher durchschnittlich zehn Hausarztvermittlungsfälle à 10,48 Euro, also 104,80 Euro. Empfehlung der Redaktion Sparschwein, Taschenrechner Stethoskop 07.11.2022 | Klinik aktuell | Nachrichten Was das GKV-Spargesetz für verschiedene Gruppen bedeutet Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz soll ein drohendes Defizit der Krankenkassen in Höhe von 17 Milliarden Euro abgewendet werden. Die Ärzte Zeitung hat eine Übersicht der wichtigen Neuregelungen. Quelle: Ärzte Zeitung

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