Kohlenhydratarme Kost verlangsamt Tumorwachstum

Werden Mäuse mit einer kohlenhydratarmen, proteinreichen Nahrung gefüttert, wachsen Tumoren langsamer als bei Artgenossen, die viele Kohlenhydrate und wenig Proteine zu sich nehmen. Dies fanden Victor W. Ho und seine kanadischen Kollegen der BC Cancer Agency, Victoria, British Columbia, in einer kürzlich in Cancer Research veröffentlichten Studie heraus [Ho V W et al. Cancer Res 2011;71:4484-93]. Die zugrundeliegende Idee: Krebszellen benötigen zumeist größere Mengen an Glukose als gesunde Zellen, denn im Gegensatz zu ihnen nutzen sie vorzugsweise aerobische Glykolyse, um den Energieträger ATP zu produzieren. Diese ist mit zwei ATP/Glukose als Ausbeute pro Zyklus jedoch wesentlich ineffektiver als die von gesunden Zellen überwiegend angewendete oxidative Phosphorilierung (Ausbeute: 34 ATP/Glukose). Bei der aerobischen Glykolyse wird Glukose nicht komplett in CO2 für die ATP-Produktion umgewandelt, sondern auch in Bestandteile von Nukleiden (z.B. Ribose), Proteinen und Lipiden, die für die Zellproliferation notwendig sind [Kroemer G et al. Cancer Cell 2008;13:472-82]. Um ATP zu produzieren muss eine Krebszelle somit wesentlich mehr Zucker aufnehmen als eine gesunde Zelle. Deshalb gingen Ho und sein Team der Frage nach, ob es möglich ist, über eine Verringerung des Kohlenhydratanteils in der Nahrung von Mäusen deren Blutzucker so stark zu senken, dass nicht mehr genug Glukose für die Krebszellen vorhanden ist, so dass sich das Tumorwachstum verlangsamt. Dafür injizierten Ho und Kollegen Mäusen entweder murine Plattenepithelkarzinome oder humane kolorektale Karzinome und setzten Sie die Tiere auf folgende Diäten (gemessen in % kcal): - Kohlenhydratreiche Kost: 55,2% Kohlenhydrate, 23,2% Protein und 21,6% Fett - Kohlenhydratarme 15%-ige Diät: 15,6% Kohlenhydrate, 58,2% Protein und 26,2% Fett - Kohlenhydratarme 10%-ige Diät: 10,6% Kohlenhydrate, 63,5% Protein und 25,9% Fett Die Kohlenhydrate bestanden aus einem Stärkemehl mit 70% Amylose-Anteil. Zusätzlich war zu beachten, dass ein hoher Fettanteil Tumoren fördert. Aus diesem Grund enthielt die verwendete Nahrung nur rund 22-25% Fett, dafür aber einen hohen Proteinanteil. Alle Mäuse nahmen gleich viele Kalorien zu sich. Kohlenhydratarm ernährte Mäuse haben kleinere Tumoren als kohlenhydratreich ernährte Artgenossen 16 Tage nach der Implantation wuchsen die Tumoren bei den Mäusen, die eine 15%-ige Kohlenhydrat-Diät erhielten, signifikant langsamer als bei den kohlenhydratreich gefütterten Tieren (321,0±79,9 mm3 vs. 542,9±78,80mm3). Die Mäuse hatten gleich viele Kalorien zu sich genommen. Tiere, die eine Kost mit nur 10%-Kohlenhydratanteil verzehrt hatten, wiesen 22 Tage nach der Implantation ebenfalls kleinere Tumoren auf als ihre kohlenhydratreich ernährten Artgenossen (572,3±215,7 vs. 1153,0±108,0 mm3). Zusätzlich hatten die mit wenigen Kohlenhydraten gefütterten Mäuse niedrigere Blutzucker-, Insulin- und Laktatwerte. Außerdem fanden die Forscher Korrelationen zwischen den Plasmainsulinspiegeln der Mäuse und der Tumorgröße. Deshalb vermuten sie, dass kohlenhydratarme Diäten die insulinvermittelte Glukoseaufnahme in Tumorzellen reduzieren könnten. Zusätzliches Krebsmedikament verlangsamt Tumorwachstum noch stärker Ho und Kollegen fragten sich, ob handelsübliche Krebsmedikamente diese Ergebnisse noch weiter verstärken könnten. Deshalb behandelten sie Mäuse unter 10%-iger Kohlenhydratdiät, die unter einem SCCVII (murine Squamous cell carcinoma VII, murines Plattenepithelkarzinom) oder einem Lewis-Lungenkarzinomen litten, mit dem mTOR-Inhibitor CCL-779 (Temsirolimus). Bei diesen Tieren reduzierte sich das Tumorwachstum stärker als bei kohlenhydratreich ernährten Artgenossen. Eine andere Gruppe von Mäusen, die eine 15%-ige Diät erhielt, wurde mit dem COX-2-Inhibitor Celecoxib (1g/kg) therapiert. Daraufhin verringerte sich das Tumorwachstum signifikant verglichen mit dem bei Mäusen, die kohlenhydratreiche Nahrung und das Medikament bekamen. Diät hemmt Mammakarzinom-Entstehung Kann eine kohlenhydratreiche Kost auch Tumoren verursachen? Um eine mögliche Wirkung der Ernährung auf die Entwicklung eines HER2/neu-induzierten Mammakarzinoms zu testen, setzten Ho und seine Arbeitsgruppe Mäuse auf Diät, die das dominant-negative Allel des Tumorsupressorgens p53 sowie das HER2/neu-Onkogen unter dem MMTV (mouse mammary tumor virus)-Promotor exprimierten. Bei diesen Tieren lag die Wahrscheinlichkeit, während ihres Lebens an einem dem humanen Mammakarzinom entsprechenden Tumor zu erkranken, bei 70-80%. Im Alter von einem Jahr hatten fast 50% der Mäuse unter kohlenhydratreicher Ernährung Tumoren entwickelt, im Gegensatz zu 0% in der Gruppe mit 15%-iger kohlenhydratarmer Diät. Von den kohlenhydratreich ernährten Mäusen (n=10) litten im Laufe ihres Lebens 7 (70%) unter einem Mammakarzinom. Nur eine von ihnen erreichte die normale Lebenserwartung. Dagegen entwickelten weniger als 30% (3 von 11) der Tieren unter 15%-iger Diät ein Mammakarzinom. Mehr als die Hälfte der Mäuse erreichte oder überschritt die normale Lebensspanne. Außerdem waren bei den Tieren, die eine 15%-ige Diät erhielten, die Plasmainsulinspiegel zum Todeszeitpunkt signifikant erniedrigt. Fazit Eine Diät, die wenig Kohlenhydrate (diese jedoch mit hohem Amylose-Anteil) und viel Protein enthält, kann bei Mäusen Blutzucker- und Insulinspiegel reduzieren. Außerdem ist sie in der Lage, das Wachstum bestimmter Tumoren zu verlangsamen sowie die Inzidenz von Mammakarzinomen bei Mäusen mit HER2/neu-Onkogen und dominant-negativem Allel des Tumorsupressor-Gens p53 zu verringern. Bei Tieren mit SCCVII oder einem Lewis-Lungenkarzinomen kann die additive Therapie mit dem mTOR-Inhibitor CCL-779 zu einer zusätzlichen Verlangsamung des Tumorwachstums führen, ebenso der COX-2-Inhibitor Celecoxib. Dies funktioniert offenbar ohne signifikanten Gewichtsverlust oder Nierenversagen.

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