„Fettlebererkrankungen sind eine echte Volkskrankheit!“

Fettlebererkrankungen gehören mittlerweile zu den Volkskrankheiten, mit weltweit steigender Prävalenz. Doch die Geschwindigkeit, mit der die Fallzahlen wachsen, übertrifft offenbar alle Prognosen. Umso wichtiger wird die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. „Die Wirklichkeit ist bislang noch immer schneller als die Projektion.“ Ein Trend, der sich aus Sicht des Hepatologen Prof. Frank Tacke von der Charité in Berlin ähnlich wie beim Klimawandel auch bei den Fettlebererkrankungen abzeichnet. Eindrücklich zeigt sich das in den neuesten Zahlen, basierend auf Daten aus den Jahren 2016–2019, zur Prävalenz der nichtalkoholischen Fettleber (NAFLD), die der Experte beim diesjährigen Hepatologie-Update-Seminar in Frankfurt präsentierte. Demnach beträgt die weltweite gepoolte Prävalenz rund 38%. Die höchsten Prävalenzen finden sich mit etwa 44% bzw. 37% in Lateinamerika sowie im Mittleren Osten; in Westeuropa sind etwa 25% der erwachsenen Bevölkerung betroffen (Younossi ZM et al. Hepatology 2023). Damit habe man heute bereits Werte erreicht, die ursprünglich für das Jahr 2030 errechnet wurden. „Fettlebererkrankungen sind eine echte Volkskrankheit!“ Für Deutschland bezifferte der Experte den Anteil auf rund 23% (Stand 2016), mit Ausblick auf das Jahr 2030 mit ca. 26% (Lazarius JV et al. J Hepatol 2022; Tacke F et al. Gastroenterol 2022). „Wir sprechen hier von über 18 Millionen Menschen.“ Für die nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) wird die Prävalenz in Deutschland auf 4% der Erwachsenen geschätzt, was sich gemäß dem Experten in einer vergleichsweise hohen Zahl fortgeschrittener Stadien, wie fortgeschrittene Fibrose, Zirrhose und HCC, abbildet. „Von 2015 bis 2030 wird laut Hochrechnungen die Zahl der Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Fibrose bzw. Zirrhose auf rund 1,5 Millionen steigen und sich damit innerhalb von 15 Jahren verdreifachen“, betonte Tacke. Screening ja, aber nicht für alle Zur Frage des diagnostischen Vorgehens verweist Tacke auf die im September letzten Jahres erschienene aktualisierte S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (Roeb E et al. Gastroenterol 2022). Ein Screening der Allgemeinbevölkerung empfiehlt die S2k-Leitlinie nicht; nicht zuletzt aufgrund des hohen Anteils falsch positiver (28%) sowie falsch negativer Befunde. Personen mit Typ-2-Diabetes, metabolischem Syndrom, Adipositas oder Bluthochdruck sollten hingegen regelmäßig untersucht werden, und zwar in der Hausarztpraxis bzw. beim Internisten oder Diabetologen. Wie Tacke ausführte, sind dafür einfache Tools zu nutzen, wie Ultraschall, Routinelabor und Risikoscores. Der FIB-4-Score scheint aufgrund der Praktikabilität besonders geeignet zu sein, Risikopatienten mit NAFLD zu identifizieren. In den FIB-4-Score gehen die Parameter Alter, die beiden Transaminasen AST und ALT sowie die Thrombozytenzahl ein. Ein FIB-4-Score zwischen 1,3−2,67 stehe für ein intermediäres Risiko, Werte über 2,67 für ein hohes Risiko, erklärte Tacke. In beiden Fällen lohne es sich, genauer hinzusehen und eine ultraschallbasierte transiente Elastografie zu veranlassen. Schließlich ist das Ausmaß der Leberfibrose eng mit hepatischen und extrahepatischen Komplikationen sowie mit dem Mortalitätsrisiko assoziiert (Sanyal AJ et al. NEJM 2021; Simon TG et al. Gut 2022). Mehr als jeder vierte NAFLD-Patient trinkt zu viel Alkohol Für den klinischen Alltag erinnerte der Hepatologe daran, dass auch bei NAFLD Alkohol ein wichtiger Kofaktor ist und in der Betreuung berücksichtigt werden müsse. In einer Erhebung aus der Universitätsklinik in Wien (Staufer K et al. J Hepatol 2022) mit insgesamt 114 konsekutiven NAFLD-Patientinnen und -Patienten hatte sich anhand von Haaranalysen (Bestimmung von Ethylglucuronid) bei rund 29% ein moderater ( 60 mg/d) C2-Konsum nachweisen lassen. In der Gruppe mit Alkohol-assoziierter Lebererkrankung (n = 70) war der Anteil nicht höher.

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