ALK-Hemmer rettet Jungen mit Gliom

Das Gliom konnten die Ärzte nicht operieren, nach einer Hirnblutung hatten sie den Jungen schon aufgegeben – dann brachte eine Therapie mit Lorlatinib die Rettung: Der hirngängige ALK-Hemmer ließ den Hemisphärentumor verschwinden. Die Leidensgeschichte des dreijährigen Jungen beginnt mit anhaltender Übelkeit, exzessiver Schläfrigkeit und persistierendem Auswärtsschielen (Exotropie). Rund drei Wochen nach dem Beginn der Symptome bringen die Eltern den Jungen in eine Kinderklinik. Dort offenbart das MRT einen großen Tumor in der linken Hemisphäre. Den wollen Onkologen um Dr. Aditi Bagchi vom St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis, USA, möglichst schnell herausoperieren. Zwei Versuche scheitern jedoch, weil es dabei zu größeren Hirnblutungen kommt, es gelingt nur eine partielle Resektion. Die Eltern verfügen eine DNR-Anordnung, alle lebenserhaltenden Geräte werden abgeschaltet. Wider Erwarten stabilisieren sich jedoch die Vitalfunktionen. Die Neuropathologie ergibt mittlerweile einen astrozytischen Tumor sowie eine diffuse Immunreaktion auf die anaplastische Lymphomkinase (ALK). Das Methylierungsprofil bestätigt den Verdacht auf ein infantiles hemisphärisches Gliom, die RNA-Sequenzierung detektiert eine SPECC1L-ALK-Fusion. Letzteres gibt den Ausschlag für einen Therapieversuch mit Lorlatinib, einem hirngängigen ALK-Hemmer. Lorlatinib habe sich zudem bei Hirnmetastasen von Patienten mit NSCLC als recht wirksam erwiesen, begründen die Ärzte ihre Entscheidung. Kindergarten statt Palliativtherapie Der Patient bekommt 95 mg/m2 des Medikaments einmal täglich über eine nasogastrische Sonde eingeflößt, bei der Dosis orientierten sich die Ärzte an der Neuroblastomtherapie. Mit der Zeit kehren die neurologischen Funktionen zurück – nach zehn Wochen kann der Junge wieder sprechen und gehen, nach zwölf Wochen wird er aus der Klinik entlassen. Der Tumor verschwindet fast vollständig, zurück bleibt eine zystische Struktur. Empfehlung der Redaktion Zielgerichtete Therapie – Themenseite Zielgerichtete Therapien in der Onkologie, im Englischen auch "targeted therapies" genannt, sind auf eine bestimmte biologische Eigenschaft des Tumors ausgerichtet. Zu den zielgerichteten Therapien zählen u.a. Ceckpointinhibitoren, Tyrosinkinaseinhibitoren oder BRAF/MEK-Hemmer. Acht Monate nach Beginn der Behandlung können die Ärzte in der Zyste per MRT nur noch einen kleinen Tumorrest nachweisen, diesen entfernen sie nun chirurgisch. Dabei finden sie im Tumor eine ähnlich hohe Lorlatinib-Konzentration wie im Plasma. Sie gehen von einer erfolgreichen Komplettresektion aus und beenden die Behandlung mit dem ALK-Hemmer. Nach sechs Monaten entwickelt der Jungen aber erneute neurologische Probleme: Es kommt zu einer Fazialisparese, Untersuchungen ergeben Metastasen im VII. Hirnnerv, III. Ventrikel und Rückenmark. Die Ärzte um Bagchi beginnen erneut eine Lorlatinib-Therapie mit derselben Dosierung wie zuvor. Einen Monat später sind fast alle Läsionen komplett verschwunden. Nun werde die Therapie fortgeführt, solange sich der Tumor damit kontrollieren lasse, schreiben die Spezialisten. Der Junge besucht inzwischen einen Kindergarten, zeigt keinerlei neurologische Beschwerden mehr und entwickelt sich normal. Dies sei auch insofern bemerkenswert, da hochmaligne infantile hemisphärisches Gliome üblicherweise mit einer Kombination aus Resektion, Chemotherapie und Bestrahlung bekämpft werden. Als Folge entwickelten die Kinder oft neurokognitive Verzögerungen und neuroendokrine Defizite. Fortschritte in der molekularen Diagnostik machten nun zumindest bei einem Teil der Kinder eine zielgerichtete Therapie möglich. Als Glücksfall erwies sich hier die ALK-Fusion, durch die der Tumor für eine Therapie mit spezifischen Tyrosinkinasehemmern empfänglich wurde.

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