Arthroseknie vertragen weder zu viel noch zu wenig Belastung

Eine US-Studie mit knapp 1000 Teilnehmern bestätigt: Nicht nur zu viel, sondern auch zu wenig kumulative Belastung auf dem Kniegelenk kann bei Patienten mit (beginnender) Gonarthrose die Knorpelschäden verschlimmern. Dies unterstreicht, wie wichtig Bewegung für Kniepatienten ist. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Adipositas gilt als einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung einer Kniegelenkarthrose. Die mechanistische Erklärung liegt darin, dass das übermäßige Gewicht, das auf dem Gelenk lastet, Knorpelschäden hervorruft, und zwar vor allem im medialen Femorotibial- und im Femoropatellargelenk. Zu wenig Belastung bedingt Unterversorgung Auf der anderen Seite benötigt der Gelenkknorpel aber auch ein Mindestmaß an Belastung, um intakt zu bleiben. Durch den mechanischen Druck und die Bewegung wird die Chondrozytenaktivität stimuliert und die Versorgung des Knorpels mit Nährstoffen aus der Synovialflüssigkeit gefördert. Dabei wird auch dafür gesorgt, dass Abfallprodukte aus dem Stoffwechsel der Knorpelzellen an die Gelenkflüssigkeit abgegeben und abtransportiert werden. Wer sich wenig bewegt, wie es bei Patienten mit (beginnender) Kniegelenkarthrose häufig der Fall ist, trägt zur „Unterbelastung“ des Kniegelenks bei; die dadurch bedingte Unterversorgung des Knorpels ist möglicherweise ebenso schädlich wie die Überlastung durch ein zu hohes Körpergewicht. Aber wie verhält es sich, wenn z. B. beide Faktoren zusammen auftreten? Und wie wirkt es sich auf den Knorpel aus, wenn ein stark übergewichtiger Mensch viel trainiert? Ein interdisziplinäres Team aus fünf universitären Zentren in den USA hat diese Zusammenhänge nun an 964 Kniepatienten (mittleres Alter: 67, mittlerer BMI: 30 kg/m2) untersucht. Das Konzept der MOST(Multicenter Osteoarthritis)-Studie bestand darin, die körperliche Aktivität der Teilnehmer mittels eines Schrittzählers zu messen und diese Werte mit dem BMI einerseits und einem komplexen MRT-Score des Kniegelenks andererseits in Relation zu setzen. Überlastung schadet, zu wenig Belastung aber auch Nach einem zweijährigen Beobachtungszeitraum zeigte sich: Sowohl eine kumulative Überlastung als auch eine chronisch zu geringe Belastung des Kniegelenks führten zur Verschlechterung des bestehenden Knorpelschadens im MRT. Die übermäßige Last durch ein erhöhtes Körpergewicht wirkte sich vor allem auf das mediale Femorotibialgelenk (FTG) aus, in geringerem Ausmaß auch am lateralen Femoropatellargelenk (FPG). Diejenigen Patienten mit im MRT-Bild sichtbarer Verschlechterung des Knorpelschadens zeigten tendenziell höhere BMI-Werte und eine niedrigere Schrittzahl als diejenigen ohne Verschlechterung. Bei durchschnittlicher Schrittzahl (über 6000 Schritte pro Tag) war das Risiko einer Verschlechterung (in Bezug auf das mediale TFG) bei Teilnehmern der höchsten BMI-Kategorie (≥ 31,6 kg/m2) um fast das Dreifache gegenüber der niedrigsten Kategorie (BMI 18,2–27,2 kg/m2) erhöht. Bei hohem BMI und vielen Schritten (> 7900/Tag) war das Risiko immerhin um den Faktor 2,6 gegenüber Personen mit niedrigem BMI und vielen Schritten erhöht. Bewegungsarmut auch bei niedrigem BMI riskant Andererseits hatten Patienten mit relativ niedrigem BMI und unterdurchschnittlicher Schrittzahl gegenüber Teilnehmern, die sich sehr viel bewegten, ein doppelt so hohes Risiko einer Verschlechterung des Knorpelschadens am medialen FTG. In ihren Analysen hatten die Forscher um Dr. Dana Voinier von der Universität Delaware eine Reihe potenzieller Einflussfaktoren berücksichtigt: neben Alter und Geschlecht auch frühere Knieverletzungen oder operative Eingriffe am Knie. Die Ergebnisse blieben dadurch weitgehend unbeeinflusst. Unerwartete Ergebnisse fand man auch beim Vergleich der kumulativen Risikofaktoren: hoher BMI und viele Schritte bzw. niedriger BMI und wenige Schritte, jeweils verglichen mit der Gruppe, die in beiderlei Hinsicht Durchschnittswerte aufwies. So hatte nicht nur die Gruppe mit der höchsten kumulativen Belastung ein erhöhtes Knorpelrisiko, sondern auch die Gruppe mit der niedrigsten Kategorie. Statistische Signifikanz wurde allerdings nur im ersten Fall erreicht. Adipositas, Arthrose, Fehlstellung schaden dem Knie Laut Voinier et al. folgt das Verhältnis zwischen kumulativer Belastung und Knorpelschaden einer U-förmigen Kurve, zumindest was das mediale FTG betrifft. Dieses sei „zwar darauf ausgelegt, höheren Belastungen zu widerstehen als das laterale Kompartiment“, so die Forscher. Allerdings sei die Belastung bei Patienten mit Adipositas, einer Varus-Fehlstellung des Knies oder einer radiologisch nachweisbaren Arthrose unter Umständen deutlich erhöht. Diese Faktoren trafen bei jeweils rund 40–45% der an der MOST-Studie beteiligten Patienten zu. Eine Valgus-Fehlstellung, die theoretisch ebenfalls zu einer verringerten Belastung des medialen FTG beitragen könnte, wiesen dagegen nur 13% der Teilnehmer auf. Im lateralen FPG schien sich die zu geringe Beanspruchung ebenfalls schädlich auf den Knorpel auszuwirken, wobei sich dies theoretisch aber auch durch die hohe Prävalenz an Varus-Fehlstellungen (44% der Teilnehmer) erklären ließe. Laut Voinier und Kollegen kann man die Ergebnisse der MOST-Studie durchaus als Argument für den verstärkten Einsatz von körperlicher Aktivität bei Kniepatienten werten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie wirken sich einerseits überdurchschnittlich hohe, andererseits unterdurchschnittliche kumulative Belastungen auf bereits vorbestehende Knorpelschäden am Kniegelenk aus? Antwort: Sowohl Überlastung als auch zu wenig Belastung kann dem Knorpel schaden. Bedeutung: Die Ergebnisse sprechen letztlich für den Nutzen von körperlicher Aktivität bei Patienten mit Kniegelenkarthrose. Einschränkung: Schrittzähler zur Erfassung der körperlichen Aktivität; relativ kurze Nachbeobachtungszeit.

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